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Ausgabe:

1922 Nr. 14

Spalte:

334-335

Autor/Hrsg.:

Kern, Oskar

Titel/Untertitel:

Johann Rist als weltlicher Lyriker 1922

Rezensent:

Katz, Peter

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 14.

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primitivften Stämme (Zwergraflen ufw.) eine Harke Zufammenhangslofig-
keit und zugleich eine unverkennbar monogame Ordnung zeigen und
daher eine den befprochenen Entwicklungsdadien noch vorauszufetzende
Stufe der Gefellfchaft repräfentieren.

Beilin. Titius.

Cathreitl, Victor, S. J.: Der Sozialismus. Eine ünterfuchung feiner
Grundlagen und feiner Durchführbarkeit. 1 [, Aufl. (XV, 504 S.)
8Ü. Freiburg i. B., Herder 1919. M. 10.40.

Catreins Buch ift nach dem Fall des Sozialiftengefetzes (1890)
entftanden. Aber auch in der heutigen, fo gänzlich veränderten Situation
behält es feinen Wert als eine auf den Arbeiten von Schäffle,
Ad. Wagner, Hitze ufw. aufgebaute Darftellung u. Kritik des wirtfchaft-
lichen Sozialismus mit ftark katholifchem Einfchlage. Die Berechtigung
der kritifchen Ausftellungen ift durch die Erfahrungen der feither ver-
floffenen Zeit unzweideutig erwiefen.

Berlin. Titius.

Die Tat. Monatsfchrift für die Zukunft deutfcher Kultur.

Religiöfes Ausfpracheheft. (September 1921.)

(S. 409—488) gr. 8°. Jena, E. Diederichs. M. 5 —
Die von Eugen Diederichs herausgegebene Monat-
fchrift ,Die Tat' fordert die nachdrückliche Beachtung
aller für die religiöfen Bewegungen der Gegenwart Inte-
reffierten. Ihr Standpunkt ift etwa der vom Herausgeber
fo gezeichnete: .Erlebe Gott in gegenwärtiger Offenbarung
, erweitere dich als Handelnder zu kosmifchem
Weltgefühl, und wachfe damit über dein Ich hinaus'.
Jahrgg. 1921 brachte einige bemerkenswerte Sonderhefte,
fo ein katholifches und das vorliegende .religiofe Ausfpracheheft
'. Hier ift die Rede von Katholizismus und
Proteftantismus, Myftik und Anthropofophie; der Themen
und der Beleuchtungen find viele; Mitarbeiter von Ruf
Heuerten bei. Es ift reizvoll zu lefen, wie Schrempf fich
zu Steiner äußert, wie Rittelmeyer Anthropofophie und
religiöfe Erneuerung kombiniert, wie K. J. Obenauer die
Möglichkeit einer Synthefe zwifchen altdeutfcher Myftik
und Anthropofophie erwägt. Und manches Andere
mehr. Es find auch ganz kleine Stücke in dem Heft,
aber das Ganze bringt doch mehr als nur Brocken. Von
unterem theologifchen Standpunkt aus ift man oftverfucht,
mit dem Kopf zu fchütteln; aber auseinanderfetzen müffen
wir uns doch mit diefen Bewegungen. Dazu ift dies
Heft wie die ganze ,Tat' ein treffliches Hilfsmittel.
Gießen. M. Schian.

Kremers, Pfarrer D. Hermann: Deutrch-Protertantirche Sorgen und

Aufgaben. (64 S.) gr. 8°. Bonn, Gebr. Scheur 1922.
Der rheinifchc Proteftantismus fteht unter einem täglich fchwerer
werdenden konlefflonellen Druck. Würden die Beftrebungen auf Los-
löfung von Preußen fleh verwirklichen, fo würde feine Lage vollends
unerträglich werden. Der vorliegende Vortrag feines männlichften
Vorkämpfers legt dar, was auf dem Spiele fteht. Der Anhang bringt
mit der Kundgebung des rheinifchen Proteftantismus von 1919 ein Dokument
zur Zeitgefchichte. . , ,
Güttingen. E- Hirfch.

H u m b u r g, Lic. Paul: Aus der Quelle des Wortes. Biblifche
Auffätze und Anfprachen. Zweite Autlage. (Stimmen
a. d deutfehen chriftlichen Studentenbewegung Heft
II) (149 S.) 8°. Berlin, Furche-Verlag 1922.

Geh. M. IS — ! geb. M. 20-.
Diefes Büchlein ift wert, nicht blos gelefen, fondern
ernfthaft ftudiert, d. h. auch kritifch erwogen zu werden.
Denn fo reich und mannigfaltig und in vielen Punkten
treffend fein Inhalt, fo ernft und warm die hier vertretene
Frömmigkeit ift, — ganz ohne Gefahren und Einfeitig-
keiten ift es nicht. Der Verfaffer warnt (S. 49) vor d.^r
Rhetorik, aber er bietet felbft in ausgeprägtefter Weife
eine beftimmte, von England und Amerika flammende
Rhetorik und Methode, die in ihrer Art neben andern
berechtigt fein mag, aber weder die höchfte noch die
normale ift. Bei allem Vortrefflichen, was der Verfaffer
bietet, bin ich den Eindruck des Zudringlichen und Willkürlichen
nicht los geworden. Es wäre einer genaueren
Ünterfuchung wert, wieweit diefe Art des Auslegens, Ausmalens
und Eindeutens, namentlich gegenüber dem Alten

Teftament, berechtigt oder bedenklich ift. Durch Phanta-
fie und Schlagwörter wird man oft nahe zu der durch
die Reformation überwundenen allegorifchen Methode
zurückgeführt. Vor allem ift es mir zuweilen zweifelhaft,
ob das Gefagte vor Urteil und Vorbild Jefu Hichhält,
namentlich vor Mark. 4, 26 ff. Die eigentliche Schwierigkeit
des Wiederkunftsgedankens wird überhaupt nicht
berührt, und aus Matth. 25, 31 ff. faft das Gegenteil heraus-
gelefen von dem, was gemeint ift. (S. 145) Manche
Seite des modernen Geifteslebens fcheint mir nicht ganz
verftanden und nicht richtig behandelt zu fein (fo S. 12L).
Einige Einzelheiten find nicht gefchmackvoll, fondern
gefucht (S. 28, 30, 32f. 36 der ,raufchende' Fuß, 39, 44,
48, 56). Möge dies Büchlein aus dem Sommer 1917,
jetzt in der 2. Auflage veröffentlicht, viele gewinnen nicht
für diefe Methode der Schriftauslegung, aber für die
Sache und Perfon Jefu Chrifti! Hoffentlich nimmt der
Verfaffer diefe Bemerkungen im Sinne von S. 122 ff. auf.

Frankfurt a. M. W. Bornemann.

Kern, Dr. Oskar: Johann Rift als weltlicher Lyriker. (Beiträge
zur dtfeh. Literaturwiffenfchaft Nr. 15) (VI, 213
S.) 8°. Marburg, Elwert 1919. M. 6—.

Aus dem von der Forfchung erarbeiteten Bilde R.s
hat Freybes liebevolle Darftellung in RE3 XVII
19—22 die Züge herausgehoben, die die bezeichnenden
bleiben werden. R., poeta laureatus, Polyhiftor, Gründer und
gefuchtes Mitglied von Sprachgefellfchaften, ift uns heute
einzig der bedeutende Liederfänger feiner Kirche. K.s
fleißige, bis ins Bibliographifche hinein treue und auf-
fchlußreiche Arbeit bemüht fich mit Erfolg und nicht
ohne Entfagung, das Gefamtbild, auf das es auch ihm
ankommt, im wesentlichen aus den bisher von der Forfchung
weniger beachteten Teilen von R.s Lebenswerk herauszuarbeiten
. Er läßt alfo die geiftliche Dichtung ganz
zur Seite, zieht aus den Dramen nur das Nötigfte heran
und ftreift auch R.s Stellung in der Poetik feiner Zeit
nur gelegentlich.

Wie R.s Leben ruhig verlief, fo ift auch die Periodi-
fierung feiner weltlichen Lyrik fchwer zu geben. Nicht
fo fehr der Übergang von der ungebundneren Studien-
und Hauslehrerzeit zu den Jahren des treu geführten
Amtes (1635), als das Erfcheinen der erften geiftlichen
Liederfammlungen (1641/42) gibt den einzigen tiefergehenden
Einfchnitt in feinem Schaffen an die Hand: Das zeigt
fich inhaltlich: die unbefangen geübte weltliche Dichtung
wird zuerft entfchuldigt, weiterhin im wefentlichen auf
Gelegenheitsdichtungen eingeengt, dann heimlich weiterbetrieben
und, ungewollten Veröffentlichungen gegenüber
, mit entfchloffener Ausdauer durch Jahrzehnte abgeleugnet
, endlich ganz aufgegeben. Im einzelnen tritt die
Liebesliederdichtung bald zurück, der Gebrauch der antiken
Mythologie fchrumpft zufammen und befchränkt
fich bald auf das — in Hochzeits- und verwandten
Verfen — Unentbehrlichfte, wobei es ohne mancherlei
Inconfequenzen und — aus Anlaß der eingeftreuten
geiftlichen Wendungen wie der nicht fehlenden Verwahrungen
— an harten Widerfprüchen nicht fehlt. Es
zeigt fich der Einfchnitt auch von Seiten des bewußten
Kunftwillens: Anftelle des Vorbilds der 1. Periode,
M. Opitz, tritt, zum Teil in den gleichen ftarrgewordenen
Bildern gepriefen, wie bei zeitgenöffifchen Dichtern fonft,
das neue: J. G. Schottel.

Dankenswert Hellt K. den Blick mehr auf die R.
eignen als auf die der Zeit gemeinfamen Züge ein: Neben
einem Grefflinger tritt die unerfchrockene Parteinahme
des Herzens für die evangelifche Seite in den Zeitgedichten
fchön hervor; neben den mancherlei allegorifchen
Deutungen der Schäferei (z. B. bei Harsdörffer
und Klaj) find R.s theologifche nicht ohne Eigentümlichkeit
und, als aus feinem eigenfien Arbeitsgebiet gefloffen,
um nichts unerfreulicher: