Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1922 Nr. 14

Spalte:

323

Autor/Hrsg.:

Reu, Michael

Titel/Untertitel:

Quellen zur Geschichte des Katechismus-Unterrichts. Bd. III: Ost-, Nord- und Westdeutsche Katechismen. Abt. 2: Texte 1922

Rezensent:

Meyer, Joh.

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

323

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 14.

324

lena, über den Bau der prächtigen Kirche und die weiteren
Schickfale der Abtei, find geeignet, den Wert des Buches
zu erhöhen.

Kiel. G. Ficker.

Reu, D. Michael: Quellen zur Gelchichte des Katechismus-
Unterrichts. Bd. III: Oft-, Nord- und Weftdeutfche
Katechismen. Abt. 2: Texte. Zweite Hälfte (S. 561
—981) gr. 8°. Gütersloh, Bertelsmann 1920. M. 20—
Daß unter den Nöten diefer Zeit das Monumentalwerk
Reus nicht abbricht, fondern feiner Vollendung
entgegenreift, ift fehr erfreulich; fchon ift die dritte
„Hälfte", in der die letzten noch ausftehenden Texte gerammelt
werden, im Druck. Dann fehlt nur noch die
Abt. 1 des 3. Bandes, die gefchichtliche Einleitung zu
den oft-, nord- und weftdeutfchen Katechismen; erft ihr
Erfcheinen wird die in Abt. 2 abgedruckten Texte völlig
beurteilen und bewerten laffen. In dem jetzt vorliegenden
Bande, der uns nach Niederfachfen führt, haben wir es,
da Emsgebiet und Stadt Bremen andern Teilen zuge-
wiefen find, die Länder Oldenburg, Bremen-Verden und
Grubenhagen aber im Reformationsjahrhundert felbftän-
dige Katechismen überhaupt nicht hervorgebracht haben,
faft nur mit den gegen 1600 in den altwelfifchen Herzogtümern
Lüneburg und Braunfchweig-Wolfenbüttel zu-
fammengefaßten Gebieten zu tun. Zu jenem gehören
die katechetifchen Werke von Rhegius, Loflius, Huberi-
nus, Mauwer (?), Rhodomannus und Vifcher, zu diefem
die von Corvinus, Stenneberg, Mörlin, Boethius, Aumann
und Sötefleifch; daß auch der „kleine Sötefleifch" aufgenommen
ift, obwohl feine Abfaffung vor 1600 zweifelhaft
ift, fcheint mir doch gefchichtlich begründet zu
fein, da dies Buch in die Reihe der unter Heinrich Julius
erfchienenen Diözefankatechismen (Boethius, Aumann)
gehört und darum wohl mit ihnen vor 1600 erfchienen
fein dürfte. Abfeits fleht aus Hadeln der Katechismus
des Barbaroffa, während die Katechismen des kleinen
Stifts Hildesheim von Wolffhart und Hojer gefchichtlich
und literarifch eng mit dem Herzogtum Braunfchweig-
Wolfenbüttel zufammenhängen.

Es ift Reu gelungen, über das von Knoke in der Zeitfchr. f. nieder-
fächf. Kirchengefch. 1901 und 1905 zufammengetragene, von Albrecht
in der Weimarer Lutherausgabe (Bd. 30 I) überfehene bibliographifche
Material hinaus eine Anzahl von Drucken neu feftzuftellen. An erfter
Stelle im Buche fteht die niederdeutfche Ausgabe von 1523 von Rhegius',
Erklärung des Apoftolikums. Ift es nachweisbar in diefer Form Schulbuch
gewefen? Nicht leicht war es, die Texte des LofTius wiederzu- 1
geben, da Loffius die Art hatte, eine Mehrzahl katechetifcher Einzelar-
beiten in den Auflagen feines katechetifchen Lehrbuchs verfchieden zu
gruppieren und auszuwählen. Mir fcheint Reu durchaus zweckmäßig
in der Auswahl der drei reproduzierten katechetifchen Einzelarbeiten
verfahren zu fein. Bei Mörlin hat Luther aus dem von Knoke nach-
gewiefenen Nürnberger Nachdruck des verfchollenen Urdrucks von
1547 wenigftens anmerkungsweife den Anfangsabfchnitt mitgeteilt, im
Übrigen einen fpäteren Druck benutzt. Wir wollen nicht unbefcheiden
fein und uns freuen, wenigftens diefe Probe der Urform zu genießen.
Wolffhart, der in vieler Hinficht die Brücke bildet zwifchen Mörlin
einerfeits und Hojer und Aumann andrerfeits, ift nach dem Text von
1562 wiedergegeben, Hier wäre Berückfichtigung des Textes von 1566
erwünfeht gewefen, weil diefer gerade mit feinen Änderungen gegen 1562
Hojer und Aumann beeinflußt hat (befonders in der Eingangsffage:
Was bift du?). Die literarifche Abhängigkeit Hojers und Aumanns
von Wolffhart und Mörlin, für die jetzt das Material fchon fo angenehm
bei einander ift, wäre dann noch fchlagender zu überfchauen.

Bei aller auf die Wiedergabe des Textes verwandten
Sorgfalt find doch Hörende Druckfehler nicht ganz ausgeblieben
, zumal Reu das Lefen der Korrekturen anderen
überlaflen hat. Am ftörendften ift, daß ftatt Mörlin
im Titel feines Buches, in der größeren Hälfte der Seiten-
überfchriften und im Regifter „Wörlin" gedruckt ift.
In Mörlins Katechismusnachwort fcheint das „Sewinckel"
(S. 893, Z. 37) ein Druckfehler ftatt „Sew winckel" zu
fein; oder follte der Druck von 1566, den Reu wiedergibt,
wirklich fo lefen ftatt des „Sew winckel" der Ausgabe
von 1562?

Göttingen. J. Meyer.

Schriften Theophrafts von Hohenheim genannt Paracelfus. Ausgewählt
und herausgegeben von Hans Kayfer.
(Der Dom. Bücher der deutfehen Myftik) (559 S.)
gr. 8°. Leipzig, Infel Verlag 1921. M. 20 —

Eine gerechte Würdigung des Paracelfus flößt nicht
nur auf jene inneren Schwierigkeiten, welche die notwendige
geiftige Umftellung des zu moderner Wiffenfchaft-
lichkeit erzogenen oder unter ihrem Einfluß flehenden
Lefers mit fleh bringt; fie wird faft unmöglich gemacht
durch die ungeheure Zahl und Form (oder Formlofig-
keit) feiner Schriften, deren eine die andere erklären hilft
und helfen muß; vor allem aber find diefe Schriften
fchwer zu benutzen. Ein großer Teil der theologifchen
Schriften z. B. ift noch ungedruckt und foll uns erft durch
die große Ausgabe Sudhoffs zugänglich gemacht werden,
deren Veröffentlichung und Abfchluß unter heutigen Ver-
hältniffen trotz forgfältigfter Vorbereitung lange genug
auf fich warten laffen wird; die alte Quartausgabe von
Hüfer aber (l589) ift nicht allgemein zugänglich. Unter
den neueren Ausgaben ragen diejenigen des Paragranum
und Paramirum von Strunz hervor (Jena, Diederichs 1903
und 04), die aber der ausführlichen Erläuterung entbehren
und in ihrer Vereinzelung auch wieder kein reines
und vollftändiges Bild der Perfönlichkeit und der Lehre
des großen Arztes und Myftikers geben können. Auch
die Auswahl von Freudenberg, die wir f. Z. hier anzeigten
(1919), kann wiffenfehaftlichen Anfprüchen nicht
genügen, fo dankenswert fie war1. Kayfer will zunächft
nicht okkulten Intereffen dienen, fondern das Lebenswerk
des Paracelfus nach allen Seiten (nur unter Zurückftellung
feiner eigentlich medizinifch-fachlichen Schriftftellerei) in
gut gewählten, überfichtlich angeordneten und durch
Einleitungen und Wörterbuch ausgibig erläuterten Proben
vorführen. Seine Arbeit ift eine Programmfchrift, ein
Kampfruf gegen falfche Auffaffungen der Myftik und
der geiftigen Art feines Helden, vor allem aber gegen
die moderne Wiffenfchaft. Für K. hat P. als Myftiker,
wie als Arzt einen mehr als hiftorifchen, einen überzeitlichen
Wert, den er denn nicht ohne Ausfälle nach den
verfchiedenften Seiten unterftreicht. Auch wer feinen
wiffenfehaftlichen Standpunkt nicht teilen kann, wird aber
feiner Arbeit Dank wiffen, obwohl fie natürlich auch nur
einen Schritt auf dem Wege zu befferer Erkenntnis des
P. bedeuten kann.

Aus der Einleitung fei hervorgehoben, daß K. gegenüber der Auf-
faffung von Strunz (P. als Renaiffancemenfch) den Gotiker in feinem
Helden hervorhebt, den Myftiker, deffen Wefen die Sehnfucht nach
Einheit ift, der aber über die Dynamik in Gegenfätzen nicht bis zum
harmonifchen Ausgleich der diesfeitigen Lebensformen vordringt. Vor-
fichtig äußert fich K. über die „Herkunft" (d. h. die Grundlage) der
P.ifchen Schriften und weift gegenüber allzu fchnell fertigen Ableitungs-
verfuchen auf die Gleichförmigkeit der myftifchen Ausdrucksweife hin,
mit der ja auch der Kommentator von Goethes „Fauft" auf Schritt und
Tritt rechnen muß. Der Wahrheitsgehalt der Aftrologie wird im An-
fchluß an Boll und Uezold ftark unterftrichen, ihre hohe Bedeutung für
das Lebensgefühl des Menfchen der Wendezeit eindrucksvoll betont
(„unfer Bedürfnis, uns hin und wieder in eine Brucknerfche Symphonie
oder ein Beethovenfehes Streichquaitett zu verrenken, treibt den mal.
Aftrologen hinaus in die Nacht" ufw. S. 48). Kühne Verteidigung des
„Anthropomorphismus" S. 49 fr. Einzelheiten werden in den „Einführungen
in die einzelnen Abfchnitte der Auswahl" nachgetragen; die
Theologie des P. aber wird mit Recht als „heute noch nicht fpruch-
reif" erklärt. — Die ausgewählten Abfchnitte, über deren Stellen (in
der Huferfchen Ausgabe) ein genaues Verzeichnis erwünfehte Auskunft
gibt, zerfallen in die Abfchnitte: „Vom Menfchen", „Vom Geift und
Wefen und von der Dauer der Dinge", „Von der Alchimey", „Makro-
und Mikrokosmus", „Aus der Philofophia Sagax" (die K. vor der üblichen
Unterfchätzung zu retten fucht und für deren philologifche Behandlung
er eine gute Grundlage bietet), „Vom Glauben". Zugrunde
gelegt ift natürlich der Huferfche Text, der ja nur zum Teil von der
eigenen Hand des P. herrührt oder von ihm felbft diktiert worden ift.
Daß gerade bei der Art der Überlieferung und der ungeheuren Schwie-

1) In der Sammlung, der fie angehörte („Geheimwiffenfchaftcn",
Verlag Hermann Barsdorf, Leipzig), ift übrigens (als Band X-XIV)
auch eine Überfetzung der magifchen Werke des Agrippa von Nettesheim
und anderer geiftesverwandter Schriftfteller des Mittelalters und
der Renaiffance erfchienen, die jedenfalls als Materialfammlung gute
Dienfte tun kann.