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Ausgabe:

1922 Nr. 13

Spalte:

297-298

Autor/Hrsg.:

Goetz, K. G.

Titel/Untertitel:

Das Abendmahl - eine Diatheke Jesu oder sein letztes Gleichnis? 1922

Rezensent:

Dibelius, Martin

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297

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 13.

298

Gunkel, Hermann: Wilhelm Boulfet. Gedächtnisrede ge-
halt. in der Univerfität Gießen am 9. V. 1920. (S.-Dr.
aus Evangel. Freiheit 1920, H. 5/6). (28 S. m. 1 Bildnis
B.) gr. 8n. Tübingen, J. C. B. Mohr 1920. M. 2—
+T.-Z.

Gunkels Gedächtnisrede habe ich, als fie erfchien,
mit lebhafter Zuftimmung gelefen; leider ift die alsbaldige
Anzeige unterblieben. Bei erneuter Lektüre und
beim Überdenken meines langjährigen freundfchaftlichen
Verkehrs mit W. Bouffet kann ich nur bei meinem erften
Eindruck bleiben, daß das Bild feines Strebens und feiner
Art, wie es Gs. Meifterhand gezeichnet hat, im Wefent-
lichen treu ift. Vielleicht hätte neben der mit Recht
ftark betonten Stetigkeit feines wiffenfchaftlichen und
religiöfen Strebens die Wandlung feiner Anfchauungen,
veranlaßt durch dauernde lebhafte Empfänglichkeit für
neue Eindrücke, etwas mehr hervorgehoben werden
können. Sehr fchwer ift es, bei einer Gedächtnisrede
andern in vollem Maße Gerechtigkeit widerfahren zu
laffen. Aus perfönlicher Erinnerung darf ich bemerken,
daß, was der Vortrag über Ritfehl und Schürer andeutet
nicht ausreicht, um Bouffets Verhältnis zu diefen Männern,
denen gegenüber er aufrichtige Dankbarkeit empfand, ausreichend
zu charakterifieren. Auch fei zur Steuer der
Wahrheit bemerkt, daß es nicht an der Göttinger Fakultät
gelegen hat, wenn Bouffet nicht zum Ordinariat in
ihrem Kreife gelangt ift. Gunkels Vortrag erweitert fich
der Natur der Sache nach über den Rahmen eines Lebensbildes
hinaus zur Charakteriftik der „religionsgefchicht-
lichen Schule", ihrer Entftehung, ihrer Grundüberzeugungen
und Ziele und verlangt auch in diefer Beziehung alle
Beachtung. Beigegeben ift ein von Aug. Deil zufammen-
geftelltes Verzeichnis von Bouffets Schriften.

Berlin. Titius.

Goetz, K. G.: Das Abendmahl — eine Diatheke Jefu oder
fein letztes Gleichnis? Eine neuteftamentlich-theolog.
Unterfuchung. (Unterfuchungen zum Neuen Teftament.
Heft 8) (89 S.) 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs M. 25.60
Die — mir Ende vorigen Jahres zugegangene —
Schrift richtet fich gegen die Thefe, daß öia&rjxr/ auch
in den Abendmahlsworten .Teftament' bedeute. Der
Verf. fetzt fich mit Behm und Lohmeyer auseinander und
polemifiert befonders gegen Franz Dibelius. Sein Ver-
ftändnis des bei Paulus überlieferten Abendmahlberichtes
beruht auf folgenden Theten: 1) .brechen'fteht für fegnen
oder weihen — alfo handelt es fich bei PI. 1. Kor. vor
allem um eineOpferdarbringung; 2) ccöiua ift i.Kor. il der
geiftige Leib Chrifti, der alle Gläubigen als feine Glieder
in fich trägt, alfo blickt auch in 1. Kor. 11, 24 h die xoi-
vcovla von 1. Kor. 10, 16f. durch; 3) 1. Kor. II, 24jft
to vjceq vf/töv xXcö/Jevo» zu lefen und dies mit xovxo
zu verbinden: .Dies für euch Geweihte ift mein Leib'.—
Von diefen Sätzen fcheint mir nur die erfte Hälfte des
erften richtig. Opfer ift das Abendmahl in der Frühzeit
nur, fofern aller Kultus der Chriften als Opfererfatz gewertet
wird (f. Sp. 176 des Jahrgangs 1921 diefer Zeit-
fchrift). Und die von G. angeftrebte Verbindung von
i- Kor 11 mit I. Kor. 10 ift weder unbedingt notwendig
noch ficher vollziehbar, weil PI. I. Kor. 11 an eine ihm
gewordene Tradition erinnert; 1. Kor. 10 dagegen eigene,
in feinen Gemeinden bekannte .Kommunions'-Gedanken
vorträgt.

Der letzte Teil der Schrift ift dem Nachweis gewidmet
, daß öiaOrjxt) mit den urfprünglichen Abend-
mahlsworten nichts zu tun hat, und daß dem Abendmahl
Jefu gleichnisartige Bedeutung zukommt. Daß die Ausdrücke
mit öia)j]xri bereits Deutung enthalten, ift aus
mancherlei Gründen wahrfcheinlich. Nur würde ich mich
dafür nicht auf Juftins wohl aus praktifchen Gründen vereinfachten
Wortlaut berufen. Und erft recht nicht für
den Gleichnisgehalt des urfprünglichen Abendmahls auf
die Didache, als ob die Worte Did. io3 Tjfilv de Ixctoloco

Mvsvfiaxixrjv XQO(pr)v xa jcoxbv xai gew/p almviov öia xov
jtaidöq Oov den Urfinn des Abendmahls verbürgen könnten,
während diefe Gebetstexte doch zweifellos von jüdifchen
Tifchgebeten abhängig und in ihren Formulierungen bedingt
find. Schließlich gelangt G. zu der Annahme, daß Jefus im
Abendmahl mit den Worten .Fleifch und Blut' fein
menfehliches Wefen als Speife und Trank für die Jünger
bezeichnet habe. Daß G. dabei auf eine gewiffe Ver-
wandtfehaft mit der altkirchlichen Abendmahlslehre hinweifen
kann (er zitiert Bafilius ep. VIII c. 4), fcheint mir
darum wenig von Belang, weil jene Lehre von der grie-
chifchen Heilsauffaflung und von der entfprechenden
Wertung der evavr)Qc6jtrjOig beeinflußt ift. Mit weit mehr
Recht verweift er darauf, daß Didache 9. 10 vom Tod
Jefu überhaupt nichts gefagt wird. Aber auch hierfür
gibt es andere Löfungsmöglichkeiten als jene parabolifche
Auffaffung.

Auch der Lefer, dem die Hauptthefen der Schrift
nicht einleuchten, wird mancherlei wertvolle Hinweife
und Problemftellungen in ihr finden. Vermindert wird
der Wert des Ganzen durch den polemifchen, dem
Gegenftand nicht gerade entfprechenden Ton, der fich
nicht nur gegen die Autoren von heute, fondern (S. 34.
43 ganz unverkennbar) auch gegen deren .neulutherifche
Brille' richtet. Über diefe rabies theologorum füllten wir
in der wiffenfchaftlichen Debatte eigentlich hinaus fein.
Heidelberg. Martin Dibelius.

Alto, Prof. Le P. E-B.: Saint Jean L'Apocalypse. (Etudes
Bibliques.) (CCLXV1II u. 375 S.) gr. 8°. Paris, J.
Gabalda 1921. fr. 45 —

Das umfangreiche Buch trägt die beziehungsreiche
Widmung: . . . Desiderio Cardinali Mercier archiepiscopo
Mechlinensi . . optimarum artium duci et patrono defen-
sori civitatis expositam hanc Iohannis prophetiam de
dracone constanter devicto et de agno nunc et in
aeternum vincente . . .' Der Erklärung, die 334 Seiten umfaßt
, geht eine Einleitung von nicht weniger als 268
Seiten vorauf, in der in breiter, wiederholungsreicher
Darfteilung alle die Form und den Inhalt der Apokalypfe
betreffenden Fragen ausführlichft, aber in einer nicht
immer glücklichen Anordnung behandelt werden. Aut
diefer Einleitung und den zu ihr gehörenden zahlreichen
Exkurfen, die in die Erklärung eingeftreut find, ruht der
Nachdruck des Ganzen.

Nach einer kurzen Befchreibung der religiöfen Umgebung und des
Zweckes (Kap. I), der perfönlichen Eigenart und der Theologie (Kap. II),
des Leferkreifes der Apokalypfe (Kap. III: die Kirchen Afiens, ja der
Welt), werden ausführlich die apokalypt. Form, das Material an Symbolen
und ihr Urlprung, das Verhältnis der Joh.-Apok. in diefem
Punkt zu der apokryphen apokalyptifchen Tradition, zum A. und
N. T. erörtert (Kap. IV und V). Nachdem das Problem der Mannigfaltigkeit
und Verfchiedenartigkeit der apokalypt. Bilder und Scenen
(literarkritifches Problem!) befprochen und die Gefetze des fchriftfteller-
ifchen Verfahrens, wie der Verf. fie zu entdecken meint, dargelegt find
(Kap. VI u. VII), wird in Kap. VIII ein genaues, kunftvoll gegliedertes
Schema des Aufbaues und des Inhalts entworfen: l Teil, i,q—3,
Offenbarung an die 7 Gemeinden Afiens über ihren geifiTichen Zuftand
(a eloh) — II. Teil, 4—21,8, profetifche Offenbarung über die ganze
Zukunft der Welt und der Kirche von der Verklärung Chrifti bis zum
jüngften Gericht (a ittV.et ytvto&ai Litxa xavxa), und zwar in 2 Sektionen
: 6,1—n,8 Ausführungen der Dekrete des versiegelten Buches
(fie betreffen das Ganze der Welt) und rr,g—21 18 Ausführung der Dekrete
des offenen kleinen Buches (noch einmal die ganze menfehliche
Gefchichte, aber inbezug auf die Kirche) — III. Teil, 21,19—22-5, das
himmlifche Jerufalem die Braut des Lammes. In Kap. IX wird die
Efchatologie des Buches mit der des i brigen N. T. verglichen: fie bedeutet
, vollkommen mit ihr übereinftimmend, ihre Vollendung und genauere
Ausführung. Kap. X bringt eine ausführliche Unterfuchung
von Sprache und Stil: ce barbare ecrivain est dans son genre un
artiste conscient et surtout un auteur de genie. Nachdem die ablolute
Einheit der Schrift noch einmal feftgeltellt ift (Kap. XI), wird die Frage
nach der Tatfächlichkeit der mitgeteilten Vifionen bejaht, womit fich
die Tatfache fehr energifcher, wohl überlegter fchriftftelleri<cher Arbeit
durchaus vereinigen laffe; Quellen find nicht benutzt. Erft jetzt wird
(Kap. XIII) fehr eingehend, und zwar wefentlii h in der herkömmlichen
Weife, der Verfuch unternommen, die Einheit des Verfaffers von Evang.
u. Apokal. zu beweifen: Johannes der Apoftcl hat beide Schriften
verfaßt, die Apokal. fchrieb er aut Patmos in den beiden letzten Jahren