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Ausgabe:

1922

Spalte:

286-287

Autor/Hrsg.:

Lehmensick, Fritz

Titel/Untertitel:

Gott, 1. Artikel und Vaterunser 1922

Rezensent:

Niebergall, Friedrich

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28s

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 12.

286

Hoff mann, Prof. Dr. Jakob: Der katholifche Akademiker und die
neue Zeit. Geleitsbrief f. Studierende z. Fahrt an die Hochlchule.
(VI, 117 S.) kl. Freiburg i. B., Herder 1920.

M. 4.40; geb. 6.60

Gründet, Hans: Deutlchlands Wiederaufbau und die akademifche
Jugend. Gedanken zur Reform des akad. Lebens. (271 S.) 8U.
Kempten, J. Köfel 1920. M.
Hoffmann gibt dem angehenden Studenten Ratfchläge für Welt-
anfchauungs- und Charakterbildung, Berufswahl und Allgemeinbildung
ufw., ernft, aber weder formal anziehend noch inhaltlich bedeutend.
Denen, die keinen inneren Beruf zum Priefter in fich fühlen, rät er vom
thcologifchen Studium mit erfreulicher Entlchiedenheit ab. Als ,die
große katholifche Partei' bezeichnet er offen das Zentrum (zutreffend,
aber wie oft hat die Partei ihren konfeffionellen Charakter bertritten!).
Vor künftiger Mifchehe warnt er die Studenten ftreng. Ganz anders ift
Grundei. Er redet nicht als Mentor, fondern fpricht mit der ganzen
Begeiflernng der Tugend zu Jugendgenoffen. 1913 hatte er eine lefens-
werte kleine Schrift, .Student und Vinzenzverein' gefchrieben, im Inter-
eflfe fozialcr Arbeit der Studenten. Aus dem Kriege ift er mit ver-
ftärktem Eifer für die alten Ideale znrückgekehrt Aufgefchloffenheit
für das moderne Leben, ehrliche Begeifterung für wirkliche Volks-
gemeinfchaft und wahre Völkervcrlöhnung, fcharfe Kritik an unfozialen
Erfcheinungen in Feld und Heimat, rückfichtslofer Kampf gegen die
alte Bierburfchenherrlichkeit, tiefer Ernft im Streben nach Kcufchheit,
entfchloffener Wille, der katholifchen Kirche zu dienen, find für ihn bezeichnend
. Und er fchreibt oft glänzend, um fo wirkfamer, als er ftets,
wenn er tadelt, zuerft fragt: .inwieweit haben wir katholifchen deut-
fchen Akademiker felbft fchuld?' Dabei ift er flrenger Katholik wie
Hoffmann. Er fühlt zwar Sympathie mit Flex und Wurche. Aber
wenn er von Ed. Heimann und anderen, die ohne religiiife Begründung
nach fittlicher Reinheit ftreben, fich gefchieden fühlt, weil diele Modernen
fchließlich immer das Ich fuchen, fo lautet fein Gegenfatz nicht:
.aber wir Chriften dienen den Brüdern und Schweftern', fondern: .drüben
hat man menfchliche Ideale, aber wir Katholiken haben den Gottmenfchen.'
So kommt ihm vom Proteftantismus anfcheinend nur die Orthodoxie
in betracht, deren Anhängerfcbaft aber abnehme. Die politifche Betätigung
des katholifchen Volksteils, die foziale Arbeit kalholifcher
Akademiker muß nach Grundeis Überzeugung flärker religiös unterbaut
werden. So verlangt er von allen katholifchen Korporationen offiziellen
fonntäglichen Kirchgang. Wenn Theob. Ziegler und andere gegen kon-
feffionelle Korporationen find, die den Studenten auf eine Weltan-
fchauung feftlegen und infofern dem Gcift freien Forfchens fchädlich
feien, io meint G. vielmehr, an unferen Hochfchulen würden ohnehin
alle anderen Weltanfchauungen, befonders der Atheismus, begünftigt; als
ecclesia pressa müßten die Katholiken fich zufammenfchließen. Leife
angedeutet ift das Problem dann doch (S. 252 f.) Er verwirft zunächft
die unkatholifche Meinung, ,es gelte, zu ftudieren, um eine Weltan-
fchauung zu gewinnen, und nicht eine zu haben, um diefe zu ftudieren
und mittels des Studiums zum ureigenften Befitz zu machen.' Aber
danach bekämpft er doch diejenigen, die einen Zwang auf den jungen
Menfchen ausüben wollen, ,die katholifche Weltanfchauung unbedingt,
kritiklos, ohne eigene perfönlichfte Arbeitsleistung als bindend für fein
ganzes weiteres Leben anzunehmen.'

Kiel. Mulert.

Althaus, Prof. D. Paul: Der Heilige. Roftocker Predigten
. (112 S.) kl. 8°. Gütersloh, C. Bertelsmann 1921.

M. 12 —

Der junge Roftocker Syftematiker hat fehr nachdrückliches
Intereffe für die praktifche kirchliche Arbeit. Als
Feldgeiftlicher hat er diefes Intereffe während des Krieges
in Polen betätigt; jetzt ift er zugleich Univerfitäts-
prediger. Der letzteren Wirkfamkeit entflammen die hier
vereinigten 6 Predigten über frei gewählte Texte. Darunter
ift die tief eingreifende Predigt im Feftgottesdienft
der Roftocker Studentenfchaft am 18. Januar 1921 über
Pf. 77, 14, die wohl auch den Titel der Sammlung be-
ftimmt hat. A. ift in der Gedankenbildung wie in der
Formgeftaltung ganz modern. Dogmatifche Formulierungen
liegen weit von feinem Predigtweg; und zwar auch
dann, wenn er in einer ganzen Predigt ,die Königsfrage'
Qoh. 18, 33—19,6) erörtert. Er fpricht durchaus die
Sprache unferer Zeit; eine gehobene, edle, aber immer
allgemein verftändliche Sprache. Probleme des Denkens
behandelt er nicht, vielmehr Fragen des innerften Lebens
. Vielleicht ift die Eigenart feiner Predigt dadurch
gekennzeichnet, daß fie das GewifTen in der Tiefe zu
packen und die Seele mit dem heiligen Gott in Berührung
zu bringen fucht. Ohne daß feine Art einen neuen
Typus darfteilte, darf man fie zu den charakteriftifchen
Erfcheinungen der modernen Predigt rechnen; gerade die
Weife, wie A. von Chriftus fpricht, ift in diefem Sinn
bemerkenswert. Ein Nachteil fcheint es mir zu fein, daß

die Predigten reichlich lang find (durchfehnittlich 4500
Worte); Kürzung wäre möglich, weil nicht feiten eine
gewiffe rednerifche Fülle fich bemerkbar macht.

Gießen- M. Schian.

Alt mann, Ulrich u. Dr. Georg Blümel, Paftoren: Stille
zu Gott. Ein Buch von d. fchweigenden Andacht.
(VI, 108 S.) 8°. Breslau, Trewendt & Granier 1921.

M. 12 —

Die Breslauer Paftoren Altmann und Blümel halten
feit einiger Zeit in ihren Kirchen Wochenfchlußandach-
ten rein liturgifcher Art. Beftandteile find: Fängangslied,
drei Schriftlefungen, dazwifchen Liederverfe; ftilles Gebet
; Vaterunfer; Segen; Schlußlied. 30 Beifpiele folcher
Andachten bietet diefes Heft. Man fieht, wie die Verf.
fich mühen, Lieder und Schriftlefungen zu einem einheitlichen
Ganzen zu geftalten. Die Schriftlefungen (die
Dreizahl nach Rom 7, 24—25: Schuld, Erlöfung, Dank)
bringen nicht einheitliche Stärke, fie find ohne Rückficht
auf den gefchichtlichen Zufammenhang der Stellen aus
den verfchiedenften Büchern der Bibel zufammengeftellt;
eine einzige wohl einmal aus 12 verfchiedenen Sprüchen
(S. 32). Dagegen kann man auch aus anderen als theo-
logifch-gefchichtlichen Gründen Bedenken geltend machen
; die Fülle der Gedanken, die doch keine fortlaufende
Folge ift, muß zuweilen erdrückend wirken. Eine längere
Einführung begründet die Art diefer Feiern; dabei wird
namentlich das Stillgebet betont, mit dem ein .myftifches
Moment in den Kultus der evangelifchen Gemeinde' eingeführt
werde. Mag man dem Stillgebet Raum geben,
(eine völlige Neuerung ift es gar nicht; Württemberg hat
es im Sonntagsgottesdienft) — diefe Würdigung als
,myftifches Moment' ift fehr anfechtbar, und zweifellos
wird es von den Verf. gegenüber dem .mündlichen' Gebet
zu hoch gewertet. Da in der Wertung des Stillgebets
die Verf. der hochkirchlichen Kultusform nahe
kommen, fei mit befonderer Freude feftgeltellt, daß bei
ihnen keinerlei katholifierende Neigung zu finden ift.
Ein Anhang gibt Entwürfe zu einer Chriftvefper, einer
Paffionsfeier, einer Öfter- und einer Pfingftmette. Nr. 1,
2 und 3 haben eine Anfprache; im Mittelpunkt der zweiten
flehen zwei Vorträge über das Kreuz Chrifti im Kranz
der Sagen und in der Kunft; viel verwendet wird Einzeigefang
; auch Einzeigefang zur Laute kommt vor. Es ift
nicht möglich, dazu hier im Einzelnen Stellung zu nehmen
. Das Ganze ift ein Beitrag zur Umgeftaltung unferer
Gottesdienfte oder eigentlich (da die Verf. den
Hauptgottesdienft nicht ändern wollen) zur Herausbildung
neuer gottesdienftlicher Formen, der nur in größerem
Zufammenhang gewürdigt werden kann. Ich felbft liehe
zu manchem Vorfchlag kritifch, begrüße aber die Ver-
fuche als Ganzes und meine, daß fie in der Erörterung
der Reformfrage forgfältig beachtet werden follten.
Gießen. M. Schian.

Lehmenlick, Sem. Oberl., Prof. Fritz: Gott, 1, Artikel und

Vaterunfer. Anfchaulicher Katechismusunterricht. (VII,
149 S.) gr. 8°. (Koehlers Lehrerbibliothek) Leipzig,
K. F. Koehler 1920. M. 20—; geb. M. 27 —

L. vertritt eine ausgeprägte Stellung in der modernen
Catechetik: er macht Ernft mit der Durchführung
der Anfchaulichkeit für den Unterricht in Katechismus
und Gefangbuch; und zwar gibt er der Grundlage gern
eine anziehende und feffelnde dramatifche Geftalt. So er-
fitrebt er einen Unterricht, der alles andere eher als langweilig
, oft vielleicht — im erklärlichen Rückfchlag gegen
Pedanterie und Trockenheit — allzubunt und verwirrend
wirkt. Die Behandlung des erften Artikels fagt mir mehr
zu als die des Unfervaters. Gründlich und breit bereitet
er mit der Gelchichte von Max, mit gefchickter Verwendung
des Schöpfungfegen ulw. Satz für Satz der erften Urkunde
vor; ich hätte nur etwas mehr realiftifche Zufätze
zu dem Glaubensoptimismus von Luther zumal für un-