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Ausgabe:

1922

Spalte:

9-10

Autor/Hrsg.:

Braithwaite, William C.

Titel/Untertitel:

The Second Period of Quakerism 1922

Rezensent:

Krüger, Gustav

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9

Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 1.

to

Braithwaite, William C, B. A., LLB., Präsident of the
Woodbrooke Settlement: The Second Period of Quake-

rism. (XLVII, 668 S.) London, Macmillan and Co. 1919.
15 sh.

Jones, M. A., D. Litt, Professor of Philosophy, Haverford
College, U. S. A.: Spiritual Reformers in 16 th and 17 th
Centuries. (LI, 362 S.). London, Macmillan 1914.
10 sh. 6d.

Der erfte Band der in Ausführung eines Vermächt-
niffes von John W. Rowntree unternommenen weitfchich-
tigen Gefchichte des Quäkertums von Braithwaite und
und Jones erfchien 1912 unter dem Titel The beginnings
of Quakerism. Er ift auch bei uns nicht unbeachtet geblieben
, wie u. a. feine Benutzung in Kattenbufchs großem
Artikel über die Seekers in der RE, in Müllers Kirchen-
gefchichte und in Sippeis Vorgefchichte des Quäkertums
zeigt. Aber er verdient es wohl, daß in Verbindung mit
dem zweiten, nunmehr ausgegebenen Bande noch einmal
nachdrücklich auf ihn als auf eine fehr gründliche und
belehrende Arbeit hingewiefen wird. Der zweite Band,
der die Gefchichte der Quäker feit der Reftauration bis etwa
1725 umfaßt, rückt ihm würdig an die Seite. Er ift auch
ausgezeichnet durch eine gefunde Kritik, die der Verfaffer
an einer gewiffen Erfchlaffung der quäkerfchen Haltung
in diefer „Setzungsperiode" (Georg Whitehead) übt. Lehrreich
ift dabei befonders auch die ausführliche Betrachtung
von Barclays Theologie, die Jones in feiner lefcnswerten
Einleitung zuBraithwaitesDarftellungfogarinziemlichfcharfe
Beleuchtung rückt. Der Band zerfällt in drei größere Ab-
fchnitte. Zuletzt wird der Kampf um die religiöfe Freiheit
dargelegt. The Reftoration Settlement — Perfecution
— The fecond Conventicle Act — The later Days of
Perfecution — The Dawn of Toleration — The Toleration
Act (hier manche feine Bemerkung von allgemeiner Bedeutung
) — The Aftermath of Toleration. Das zweite Buch
macht uns mit der inneren Gefchichte der Bewegung (Or-
ganifationsfragen, Kirchenleitung, Stellung zum Bekenntnis,
Kolonifation) bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts bekannt
und berichtet über die letzten Zeiten der großen
Führer (Fox, Barclay, Dewsbury, Penn und andere u. a.)
mit gelungenen Chrakteriftiken. Das dritte Buch gibt
unter dem Titel Pofition and Outlook at clofe of the
Century eine Art Querdurchfchnitt durch die Grundfätze
des Quäkertums diefer zweiten Periode: The clofing Years
of the Century — The Quaker Way of Life — Problems
of Education and the Miniftry — The Church and Social
Queftions — Church and State — The Church and the Kingdom
of God. Der dritte Band foll die Gefchichte bis in die
Gegenwart fortführen. Er ift Jones anvertraut und möglicherweife
, während diefe Anzeige gefchrieben wird, bereits
erfchienen l.

Das an zweiter Stelle genannte Buch von Jones ftehe
ich nicht an, für ein kleines Meifterwerk zu erklären. Wie
das Schlußwort zeigt, fieht der Verfaffer in den „Spiritual
Reformers" des 16. und 17.Jahrhunderts die Vorläufer
der Quäker und in diefen felbft die höchfte Blüte
derjenigen Religiofität, die er gerne als firft hand expe-
rience bezeichnet. Nun, darüber ließe fich natürlich eine
Debatte eröffnen, zu der hier nicht Raum noch Zeit ift.
Um fo nachdrücklicher darf ich auf die ausgezeichneten
Charakteriftiken verweifen, die die Spiritualiften von
Hans Denk und den bei uns meift ftiefmütterlich behandelten
Bünderlin und Entfelder bis zu den englifchen Plato-
niften erfahren. Sie können fo nur von einem Hiftoriker
entworfen werden, der leines Stoffes bis in alle Einzelheiten
Herr ift. Wirklich hat fich Jones in feine Helden
tief verfenkt. Nirgends arbeitet er aus zweiter Hand, zeigt
vielmehr eine ficher auch bei deutfchen Forfchern ungewöhnliche
Kenntnis der originalen Literatur, die er außerdem
mit tadellofer Sauberkeit nach den erften Ausgaben

1) Anmerkung bei der Korrektur. Inzwifchen erlchicn R. M. Jones,
The Later Periods of Quakerism. 2 vols (576; 468 S.). London, Macmillan
, iQ2i 30 sh.

anzuführen nicht unterläßt. Wären unfre Verhältniffe nicht
fo jämmerlich, fo würde ich raten, diefes Buch ins Deutfche
zu übertragen. So kann ich es nur zu eindringlicher Lektüre
empfehlen.

Gießen. Guftav Krüger.

Peterlen, Peter: Gefchichte der ariftoteliichen Philolophie
im proteftantifchen Deutfchland. (Habilitationsfchrift z.
Erlangg. d. Lehrberechtigg. bei der philof. Fakultät
der Hamburgifchen Univerfität.) (XII, 542 S.) gr. 8°.
Leipzig, F. Meiner 1921.

M. 100 — ; geb. M. 120 —
Der Verf. diefes in hohem Grade verdienftlichen
Werkes ftellt S. 219 feft, daß ,in den deutfchen Schriften
über die deutfche Philolophie' des 16. und des 17. Jahrhunderts
,den Forfchungen franzöfifcher und englischer
Philofophen noch immer die erfte Stellung eingeräumt'
werde und daß es daher noch ,keine Gefchichte der
deutfchen Philofophie von Luther bis auf Kant' gebe.
Wer über die altproteftantifche Theologie gearbeitet hat,
wird das Vorhandenfein diefes Mangels nur beftätigen
können und dem Verf. überaus dankbar fein, daß er erfolgreich
begonnen hat, durch eine fehr gründliche, forg-
fältige und relativ weit umfaffende Monographie jene gewaltige
Lücke ausfüllen zu helfen. Er felbft weift darauf
hin, daß es ,bezeichnenderweife' nur Theologen, nämlich
Ernft Troeltfch, Emil (nicht Ernft, wie S. VII und
S. 333 Anm. 3 zu lefen ift) Weber und Paul Althaus
(jun.) feien, die als Vorgänger feines großen Unternehmens
einige Wege durch jenes Neuland gefchlagen haben.
Indem er felbft aber feine Unterfuchungen auf die Gefchichte
des Ariftotelismus in der deutfchen Philofophie
feit der Reformation konzentriert hat, behandelt er deren
eigentliches Kernftück in ihrer Entwicklung von Melanch-
thon bis auf die dem Stagiriten auffäffige Aufklärung.

In der von dem Verf. verfolgten Gefchichte des
geiftigen Lebens und der höheren Bildung war grundlegend
die Rückkehr Melanchthons zu Ariftoteles und
feine Arbeit zur Zufammenfaffung eines auf deffen Philofophie
beruhenden Wiffens, das ihm geeignet erfchien,
der reformatorifchen Auffaffung der chriftlichen Offenbarung
als wiffenfehaftliche Ergänzung und Stütze zu
dienen. Unter völliger Beherrfchung nicht nur des phi-
lofophifchen, fondern auch des theologifchen Stoffs zeigt
der Verf. eingehend wie Melanchthon, in vielem auch
von Cicero abhängig (S. 102, 106), aus biblifchen und
ariftotelifchen Elementen das Weltbild und den wiffen-
fchaftlichen Arbeitsbetrieb des alten Proteftantismus ge-
ftaltet hat. Diefe unter Melanchthons überragendem
Einfluß die proteftantifche Schulbildung beftimmende
Denkrichtung behauptete fich in der Auseinanderfetzung
mit dem Ramismus und ficherte gegen deffen rhetori-
fierende Dialektik das Übergewicht der logifchen und
erkenntnistheoretifchen Intereffen. Die Berechtigung und
Verbindlichkeit der Logik, auch für die Theologie, fetzte
fleh ferner durch im Gegenfatz zu Daniel Hofmann und
feinen Anhängern, die unter Berufung auf Luther für
den Satz von der doppelten Wahrheit eintraten und den
Gebrauch der Philofophie in der Theologie überhaupt
ablehnten. Im Zufammenhange mit diefem Streit fleht
die Entwicklung, in welcher feit der Wende des 16. Jahrhunderts
die auch wieder an Ariftoteles fleh anlehnende
eigentliche Metaphyfik der bisher vorherrfchenden Logik
den Vorrang abgewann. Der Verf. ftellt feft, daß fchon,
bevor in diefer Richtung Italiener wie Zabarella und
Spanier wie Suarez auf die deutfche Philofophie zu wirken
begannen, in deren Kreife ein ftarkes Bedürfnis nach
metaphyfifcher Betrachtungsweife vorhanden war, und
lehrt als den erften hervorragenden deutfchen Metaphy-
fiker von diefer Richtung den in Altdorf wirkenden Nikolaus
Taurellus (1547—1606) näher kennen. Und bevor
dann freilich Suarez, der wefentlich auf Thomas von
Aquino zurückging, auch für die deutfchen Proteftanten