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Ausgabe: | 1922 Nr. 11 |
Spalte: | 244 |
Autor/Hrsg.: | Hertel, Johannes |
Titel/Untertitel: | Die Weisheit der Upanischaden 1922 |
Rezensent: | Franke, R. Otto |
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243 Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 11. 244
gefühle1 gehören. Daher eben mit aller Religion ein
,Verpflichtungsbewußtfein' oder ,Normbewußtfein' und
ein ,Seligkeitsftreben' verbunden ift. Abgelehnt wird
dagegen ein Umbildungs- und Fortbildungsverfuch, wie
er beifpielsweife von Natorp unternommen worden ift.
Außerdem wird bereits hier eine kurze Befprechung der
Myftik unter befonderer Bezugnahme auf Eckehart, Ter-
fteegen und natürlich auch Heiler mit eingeflochten.
,Das Wefen der Religion und die Vielheit der Religionen
' heißt endlich das Thema, das im letzten Kapitel
zur Sprache kommt. Verfaffer unterfcheidet zwei Hauptgruppen
von Religionen: ,Vielheitsreligionen' und ,Ein-
heitsreligionen'. Diefe beiden Gruppen differenzieren fich
aber wieder, je nachdem in ihnen eine mehr ,ethifche'
oder eine mehr ,myftifche' Tendenz vorherrfcht, fo daß
vier Arten von Religionen einander gegenüber zu ftellen
find: 1) Vorwiegend ethifche Vielheitsreligionen; zum
Beifpiel, Volksreligionen; 2) vorwiegend myftifche Vielheitsreligionen
; zum Beifpiel, gewiffe primitive Religionen;
3) vorwiegend ethifche Einheitsreligionen; zum Beifpiel,
Gefetzesreligionen; und 4) vorwiegend myftifche Einheitsreligionen
. Zu diefen gehören die ,kontemplativen
Erlöfungsreligionen', von denen Buddhismus, Pantheismus
und Myftik befondere Formen find. Das gibt Anlaß
zu einer eingehenderen Unterfuchung des Pantheismus
und noch einmal der Myftik. Dabei wird unter-
fchieden zwifchen .Myftifchem', das wohl in allen Religionen
als normaler Beftandteil vorkommt, und eigentlicher
,Myftik', die am Ende doch als eine mehr oder
weniger krankhafte Erfcheinung (S. 294) zu bezeichnen
fei. Der fpezielle ,Ort' aber des Chriftentums innerhalb
des Gefamtbildes der Religionen foll erft fpäter beftimmt
werden.
Zum Schluß noch eine Auseinanderfetzung mit der
,Chriftian science' und der Theo- und Anthropofophie,
die wohl noch als religiöfe Größen, jedoch als fehr unreine
, mit magifchen Elementen verfetzte religiöfe Größen
beurteilt werden müffen.
Das hiermit abgefchloffene Referat gibt allerdings,
wie ausdrücklich hervorgehoben werden muß, nur ein
fehr unvollkommenes Bild von der mannigfachen Anregung
und Belehrung, die das befprochene Buch zu bieten vermag
. Als einen befonderen Vorzug des Werks möchte
ich gerade in der Gegenwart geltend machen, daß der
Verfaffer an bereits gegebene wertvolle Errungen-
fchaften anzuknüpfen verfteht und nicht den Anfpruch
erhebt, fchlechthin Neues und nur Neues zu fagen: ein
Anfpruch, der gewöhnlich, wo er erhoben wird, auf Undankbarkeit
und Selbfttäufchung beruht, die Kontinuität
der Forfchung ftört und eben damit auch die wiffenfchaft-
liche Verftändigung erfchwert. Von dem gleichzeitig er-
fchienenen religionsphilofophifchen Buche H. Scholz' unterfcheidet
fich das vorliegende weiter vorteilhaft unter anderem
dadurch, daß die in Betracht gezogene Religion nicht etwa,
wie bei Scholz, ein Mittelding ift zwifchen der empiriichen
Religion und einer extra könftruierten Normalreligion, fondern
lediglich die Religion, wie fie tatfächlich gegeben
ift. Deshalb find auch die eingeftreuten gefchichtlichen
Belege mannigfaltiger und reicher bei Wobbermin als
bei Scholz, und die myftifchen Dokumente werden erfreulicherweife
nicht in dem Maße bevorzugt wie von
diefem; was nicht ausfchließt, daß der Autor fich der unerquicklichen
, aber verdienftvollen Mühe unterzieht, felbft
auf Erfcheinungen wie die Anthropofophie Steiners und
Verwandter prüfend einzugehen.
Die Sprache ift klar und verftändlich; und Erklärungen,
wie fie leider innerhalb der Religionsphilofophie heute
wohl auch vorkommen, die auf bloße Tautologien hinauslaufen
, weil fie immer nur ein Wort durch ein anderes
fynonymes erfetzen, werden bewußt und expressis verbis
abgelehnt.
Mit den Gefamtergebniffen, fpeziell auch mit den kri-
tifchen, kann ich mich im wefentlichen durchaus einverftan-
den erklären, wenn ich gleich manches etwas anders ausdrücken
und — namentlich, was die Überficht über die ver-
fchiedenen Religionen betrifft — etwas anders einordnen
würde. Um jedoch noch eine einzige Einzelheit herauszugreifen
, möchte ich fragen, ob es richtig und nötig ift,
in der Religion das Beziehungsverhältnis zu Gott dem Abhängigkeitsgefühl
nicht nurlogifch, fondern, wenn ich recht
verftehe, auch zeitlich voraufgehen zu laffen. Meines Erachtens
wird bereits durch das Erlebnis des fchlechthinigen
Abhängigkeitsgefühls ein Beziehungsverhältnis zu Gott her-
geftellt, das dann nur, wofern es fich um wirkliche Religion
handelt, durch noch andere Beziehungsverhältniffe
ergänzt wird. Deutet man den Sachverhalt anders, fo
nähert man fich in bedenklicher Weife den Anfchauungen
H. Scholz' oder gar M. Schelers, nach denen das Beziehungsverhältnis
zu Gott zunächft und primär hergeftellt
wird durch eine Art ,Schau' Gottes; worauf fich dann
erft das abfolute Abhängigkeitsgefühl einftellt —: eine
Auffaffung, der Unterzeichneter, zum minderten fo ohne
weiteres, nicht zuzuftimmen vermag, und der auch Wobbermin
augenfcheinlich und erfreulicherweife nicht fchlecht-
weg zuftimmt.
Gießen. E. W. Mayer (Straßburg).
Hertel, Johannes: Die Weisheit der Upanifchaden. Eine
Auswahl aus den alterten Texten. Aus dem Sanskrit
überfetzt und erläutert. (VIII, 181 S.)-kl. 8°. München,
C. H. Beck 1921. M. 16—; in Javapap. M. 21 —
Voll tiefer Philofophie über das All-Eine ift jene den
meiften ihrer wichtigsten Werke nach vorbuddhiftifche
Schicht der altindifchen Literatur, die als die Literatur-
fchicht der Upanisaden bekannt ift. H's Überfetzung
der ausgewählten Partien ift, wie man nicht anders
erwartet, mit feltenen Ausnahmen treffend. Es find
meift nur Kleinigkeiten, die man vom philologifchen
Gefichtspunkt aus oder (befonders) dem philofophifchen
Gedanken zuliebe geändert fehen möchte. Einige Beifpiele:
Käthaka-Up.: 1,20 (Hertel S. 50) ,Die Menfchen flehen zweifelnd vor
der Leiche. 'Er lebt' fagt der; der andre ftreitet's ab' flatt etwa: ,Was
den Zweifel betreffs des abgefchiedenen Menfchen betrifft, daß nämlich
die einen behaupten: er exiftiert fort' ,die andern aber: 'nein'1 . . .
I,2i (S. 50) ,ein winzig Ding' (anur esa dharmah als Bezeichnung der
eben erwähnten Streitfrage) ft. ,diefe feine', d. h. fubtile, .Frage'. In
der Anm. dazu bringt H. ja felbft das Wort ,fubtil' richtig vor, warum
nicht im Text? 11,2 (S. 52) ,fein Gut zu wahren wählt die Lull
der Tor' zu erfetzen durch ,das Liebere zieht der Tor dem wahren
Heile vor' (preyo mando yogaksemäd vrnite). In der buddhift.
Literatur ift das entfprechende Wort yogakkhema im Sinne ,höchftes
Heil, Nirväna' ganz geläufig. 11,5 ,für Gelehrte' (Hertel 53) zu erfetzen
durch ,für klug'. 11,7 nicht ,Ein Wunder der Verkünder, klug der
Hörer, Ein Wunder, wer es kennt, klug, wer es lernt' (S. 53), fondern:
.Etwas Seltenes, (daß fich) ein Verkiinder und ein gefchickter Hörer,
etwas Seltenes, (daß fich) ein von einem Gefchicktcn belehrter Erkenner
(rindet)'. 11,12 nicht; ,Der Weife fieht im Unfichtbar-Verborgenen, geheimnisvoll
Verdeckten nur den Gott, . . ., ftreift Freude ab und Leid1
(S. 54), fond.: ,Der Weife, der das fchwer zu Erblickende, im Verborgenen
Befindliche, tief Verdeckte als Gott erkennt, . . . ,ftreift Freude und Leid
ab'. 11,20 nicht ,des Winz'gen Winzigftes, (S. 55), fond. ,Was feiner
ift als fein' (anor aniyän). III, 17 nicht ,dies Höchfte . ., das geheim
zu halten' (S. 60), fond. ,das Höchfte Geheime.'
Chändogya-Up. V, 1,12 nicht ,fei du der Trefflichfte unter uns! Du
bift es' (S. 73), fond. .Komm! Du bift der Befte von uns' (ehi, tvam
na srestho 'si). 13L nicht ,Wenn ich [bisher] der Befte bin fo bift
[hinfort]'du der Befte' (S. 73), fond. .Soweit ich als Befter in Betracht
käme, bift [vielmehr] du der Befte.' V, 9,1 nicht ,zehn oder neun Monate'
(S. 79), fond. nur ,zehn Monate.'
Brhadäranyaka-Up. II, 4,14 nicht .alle Beftandteile des Einzcl-
wefens zum Ich geworden' (S. 114), fond. .alles zum Selbft geworden.'
S. 118 ff.: Die Überf. .Kaifer' für samräj .Allherrfcher' ift zu modern.
S. 123 Anm. nicht ,§ 21' fond. ,§ 20.' IV, 4,20 vijara nicht ,rein'
(S. 135), fond. .nicht alternd.' IV, 4, 22 nicht ,im Begehren nach einer
Welt' (S. 136), fond.: ,ihn (den Atman)'als ihre Welt wünfchend' ufw.
Königsberg i.P. R. Otto Franke.
Die BhagavadgTtä. Aus dem Sanskrit überfetzt. Mit
einer Einleitung über ihre urfprüngliche Geftalt, ihre
Lehren und ihr Alter von Richard Garbe. 2., verb.
Aufl. (171 S.) 8°. Leipzig, H. Haeffel 1921.
M. 18—; geb. M. 21 —