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Ausgabe:

1922 Nr. 10

Spalte:

225-226

Autor/Hrsg.:

Sanders, E. K.

Titel/Untertitel:

Sainte Chantal 1572-1641 1922

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 10.

226

Darfteilung als zu ausführlich bezeichnen dürfte. Eher
kann man geneigt fein, in der breiten Behandlung und
Nachprüfung aller, auch der törichteften Lutherlegenden
ein Zuviel zu erblicken: aber der Erfolg hat gezeigt,
daß auch diefe Arbeit notwendig war. Freilich weder
vom ftreng wiffenfchaftlichen noch vom literarifchen
Standpunkt aus — da wäre größere Kürze ein Vorzug
gewefen — aber angefichts der noch in weiten Kreifen
verbreiteten Vorurteile. Die dritte Auflage bringt nur
geringe Änderungen im Text, reichlichere Zutaten in den
Anmerkungen. Hier ift befonders neue Literatur be-
rückfichtigt, beim letzten Kapitel auch in höflichfter
Form das grobe Buch AV. Müllers.
Jena. Hans Lietzmann.

Jahresbericht für 1920 der Gefellfchaft zur Herausgabe des
Corpus Catholicorum. (12 S.) gr. 8°. Münfter i. W.,
Afchendorff 1921.

Diefer für die Teilnehmer an der Gefellfchaft erftattete
Bericht wird das Intereffe aller erregen, die fich der
Reformationsgefchichte zugewandt haben. Der Vorfitzende,
Profeffor Ehrhard in Bonn, hat ihn erftattet und richtet
an die Mitglieder der Gefellfchaft, die in den erften Jahren
ihres Beftehens viele Verlufte durch Todesfall erlitten
nat, die Aufforderung, dem Unternehmen Treue zu halten
und neue Mitglieder zu werben. Ein Blick auf die bereits
eingelieferten oder in Ausficht geftellten Veröffentlichungen
zeigt, wie reich das Material für die weitere Arbeit ift
(vgl. die Anzeige von Heft 3 des CC in N 23/24 der Tb..
Lit.Z. 1921 über Cochlaeus, Adversus cucullatum Mino-
taurum Wittebergensem). Aus der an die Spitze geftellten
Überficht der Entwicklung der Gefellfchaft ergibt fich,
daß die aus dem Nachlaffe des Gründers Profeffor Greving
übernommene Bibliothek in der Meckenheimer Straße 68
in Bonn aufgeftellt worden ift. In der Berichtszeit hat
Prälat Ehfes den Vorfitz der Gefellfchaft geführt. Er
hatte Hand gelegt an die Ausarbeitung eines Gefamt-
Nomenclators der herzuftellenden Neuausgaben, auf Grund
deffen das C.C. planmäßig ausgebaut werden follte.
Leider erklärt er fich jetzt außer Stande, die Arbeit
weiter zu führen; man hat fie dem Sekretär der Gefellfchaft
, der nicht genannt wird, übertragen.

Königsberg. Benrath.

Sanders, E. K.: Sainte Chantal 1572—1641. A Study in
Vocation. (Ecclesiastical Biographies.) (316S.) 8°. London
, S. P. C. K. 1918. sh 10/6
Diefes Buch fcheint mir eine Lücke in der myftifch-
afketifchen Literatur auszufüllen; denn foviel ich weiß,
gibt es wenigftens in deutfcher Sprache eine zufammen-
faffende Monographie über Frau von Chantal noch nicht,
eine Monographie, die aus den Quellen, namentlich den
Briefen, gefchöpft ift und ihr Seelenleben in feinen innerften
' Regungen und Wandlungen zu erfaffen verfucht. Doch
'»cht nur dies wird in dem vorliegenden Buche geboten,
fondern auch eine eingehende Darftellung des äußeren
Lebens und der Tätigkeit der Heiligen als Gründerin
und Leiterin der Vifitantinnen und des fich um fie gruppierenden
oder mit ihr in Verbindung tretenden reli-
giöfen Lebens in Frankreich in der erften Hälfte des
l7- Jhs., wodurch zugleich ein Bild der religiöfen Kräfte
<!er Gegenreformation in einem beftimmten Gebiete gegeben
wird. Der Verf. hat fich nicht die Aufgabe gebellt
, eine .Heilige' zu fchildern, fo fehr er auch von
feinem Gegenftande ergriffen ift; mitunter fcheint er mir
fogar der englifchen Nüchternheit zu weit entgegengekommen
zu fein 'und die Glut, die in Frau von Chantal
lebte, gedämpft zu haben; aber er hat die Selbftändig-
keit einer eigenartigen Perfönlichkeit herauszuftellen gewußt
und gezeigt, daß fie keineswegs als ein Echo des
Franz von Sales aufzufaffen ift, fondern jedenfalls mitunter
kraftvoller, ja man kann fagen, männlicher erfcheint
als er. Man wird diefes Bild edler aufopfernder demütiger
katholifcher Frömmigkeit gern auf fich wirken laffen,
mit ihrem Streben fich ganz auf Gott zu gründen, aber
man wird an diefem Leben auch leicht den Gegenfatz
zu der evangelifchen Frömmigkeit bemerken, die dem
chriftlichen Gedanken mehr gerecht wird.
Kiel. G. Ficker.

Stutz, Ulrich: KurfürTt Johann Sigismund von Brandenburg
und das Reformationsrecht. (Sitzungsberichte der
Preußifchen Akademie der Wiffenfchaften zu Berlin

1922 II. S. 4 — 38). In Kommiffion bei der Vereinigung
wiffenfch. Verleger, Berlin. M. 2 —■ -f- 300°/,,

An diefer Studie darf der Kirchenhiftoriker nicht
vorübergehen. Sie wirft auf das Entliehen der branden-
burgifch-preußifchen Toleranz und darüber hinaus auf
die reichsrechtliche Stellung der Konfeffionen helles Licht.
Ihre in genauer Einzeldarfteilung errungenen Ergebniffe
find in Kürze folgende: 1. Johann Sigismund ift nicht aus
politifchen Erwägungen, fondern aus Herzensüberzeugung
zum reformierten Glauben übergetreten. 2. Es ift Johann
Sigismunds Abficht gewefen, fein Land ganz entfprechend
dem Pfälzer Vorbild nach fich zu ziehen zur reformierten
Konfeffion. Er hat in diefer Abficht auch einige ernft-
liche Schritte getan. 3. Diefe Abficht ift daran gefcheitert,
daß die kurbrandenburgifchen Stände gelegentlich der
Steuerbewilligung 1615 einen Revers dem Kurfürften abgerungen
haben, der einen zugunften der reformierten
Konfeffion ausgeübten Einfluß des Kurfürften auf die
brandenburgifchen Kirchen und Pfarreien, fogar foweit
fie kurfürftlichen Patronats waren, abriegelte, und daß
der Kurfürft durch feinen Schlagfluß von 1616 in feiner
perfönlichen Tatkraft lahmgelegt wurde, und darum irgendwelchen
nachhaltigen mittelbaren Druck auf feine Untertanen
nicht mehr ausübte. 4. Bis zum weftfälifchen Frieden
hatte die reformierte Konfeffion keine geficherte reichsrechtliche
Exiftenz. Das Reformationsrecht der Stände
bezog fich de jure auf die lutherifche Konfeffion. 5. Der
im weftfälifchen Frieden zwifchen den beiden evangelifchen
Bekenntniffen gefchaffene Rechtszuftand ift eine Übertragung
der 1615 in Brandenburg entftandenen Lage auf
das Reich. Zu verdanken ift das dem großen Kurfürften,
dem die feinem Großvater abgerungene Gewiffensfreiheit
eine Sache der Überzeugung geworden war.

Die entfcheidenden Triefen find die zweite und dritte.
Mich hat Stutz überzeugt. Ein Stück Gefchichtslegende
fällt damit hin. Aber die Geftalt Johann Sigismunde ift
damit menfchlich nur gewachfen. Der Mann, der fich
den Verzicht darauf, in einer ihm am Herzen liegenden
Sache feinen Willen durchzufetzen, abringen läßt, obwohl
er die Machtmittel letztlich doch bcfitzt, ift gewiß ehrwürdiger
als der aus Indifferenz tolerante Politiker.

Es bewahrt fich angefichts der Studie von Stutz wieder aufler-
ordentlich der Scharfblick Karl Müller's. Karl Müller hat (Kirchen-
gefchichte II 2. S. 588 ff.) in den wefentlichen Punkten diejenige Auf-
faffung vorweggenommen, die von Stutz jetzt im einzelnen dargelegt
und begründet wird.

Die Studie Stutz' ift auch deshalb genußreich zu lefen, weil fie
in der Befprechung der früheren Forfchung den Zufammenhang zwifchen
hiftorifchem Urteil und perfönlicher Stellung anfehaulich herausftellt.

Güttingen. E. HIrfch.

Des hl. Ignatius von Loyola, Stifters der Gefellfchaft Jefu,
Chriftliche Briefe und Unterweifungen. Gefammelt und
ins Deutfche übertragen v. Otto Karrer, S I. Mit
einem Titelbild (VIII, 298 S.) kl. 8°. Freiburg, Herder
& Co. 1922. M. 34—; geb. M. 42 —

(Bücher f. Seelenkultur).
Der Titel: Des hl. Ignatius ufw. Briefe ift irreführend.
Er läßt erwarten alle Briefe; aber wie der Verfaffer felbft
fagt (Einleitung 2), hat er aus den mehr als 6500 bis jetzt
gefammelten Briefen und Schriftftücken des Ignatius nur
die ,bedeutfamften' und ,bezeichnendften' (im ganzen 641)
zufammengeftellt. Hinzukommen kleine Abfchnitte aus