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Ausgabe:

1922

Spalte:

223

Autor/Hrsg.:

Stutz, Ulrich

Titel/Untertitel:

Reims und Mainz in der Königswahl des zehnten und zu Beginn des elften Jahrhunderts 1922

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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gefchichte und dem der Seelforge und kirchlichen Verwaltung
Paderborns. In diefer Hinficht hat Tenckhoff
feine Aufgabe aufgefaßt. Unter Zugrundelegung des
Caffeler Codex und der von Pertz für die Folioreihe der
Monumenta Germaniae Historica beforgten Drucklegung
gibt der neue Bearbeiter hier die handliche Oktavausgabe,
in deren Vorrede alles über den Verfaffer und die Ab-
faffungszeit, die Quellen, Kompofition und Tendenz des
Werkes getagt ift, was notwendig erfcheint, und in deren
Apparat und Regifter das reiche ortsgefchichtliche und
namenkundliche Material ausgefchöpft wird. Mit Ausnahme
der Kapitel 31—129 wird das Buch nun auch dem
nicht lokalgefchichtlich Intereffierten gut benutzbar fein.
Wolfenbüttel. Otto Lerche.

Stutz, Ulrich: Reims und Mainz in der Königswahl des

zehnten und zu Beginn des elften Jahrhunderts. Sitzungsberichte
d. Preuß. Akad. d. Wiffenfchaften XXIX

(1921) (20S.) gr. 8°. 1,--1- 300°/o

In diefer durch die gewohnte umfaffende Quellen-
und Literaturkenntnis ausgezeichneten Abhandlung wird
bewiefen, daß die Wahl Heinrichs II. in der Gefchichte
des deutfchen Königswahlrechts Epoche macht, indem
hier zum erften Male das Wahlrecht der Geiftlichen und
das Erftftimmrecht des Mainzer Erzbilchofs erfcheint.
Es wird gezeigt, wie Willigis unter Anfchluß an das franzö-
fdche Vorbild, die Wahl Hugo Capets 987, bei der Adalbero
von Reims in gleicher Weife die erfte Stimme an
der Spitze der hohen Geiftlichkeit abgibt, diefe Erweiterung
der Rechte der Geiftlichen, die fich im deutfchen Reiche
behauptete, erreichen konnte. Ich möchte die Abhandlung
auch als ein Mufter methodifcher fchöpferifcher
Quellenkritik empfehlen.
Kiel. G. Ficker.

Heuberger, Prof. Dr. Richard: Allgemeine Urkundenlehre
für Deutichland und Italien. (Grundriß der Gefchichts-
wiffenfchaft. Hrsg. v. Aloys Meifter, Reihe I, Ablg.
2a) (VI, 67 S.) gr. 8°. Leipzig, B. G. Teubner 1921.

M. 15 —

Dies Heft ift beftimmt, den Beitrag H. Steinackers
zur 1. A. des ,Grundriffes' ,die Lehre von den nichtköniglichen
(Privat-) Urkunden vornehmlich des deutfchen Mittelalters
(1906, Grdr. I, 1 S. 231—66)' zu erfetzen. Schon
die Veränderung des Titels ift bedeutungsvoll. Sie bricht
mit der herkömmlichen Einteilung der Urkunden in
Königs-, Papft- und fogen. Privaturkunden — unter
letzteren ,birgt fich der wirre Haufe aller übrigen Urkundengruppen
', ,es gibt nur eine allgemeine Urkundenlehre, die
eine genauere Würdigung der Königs- und der Papft-
urkunden der Sonderdarftellung überlaffen mag' (ihre Bearbeitung
in 2. A. durch die alten Vf. ift vorangegangen).
Steinackers Neubearbeitung war durch eingehende Erörterung
des griechifch-römifchen Urkundenwefens über
den Rahmen des Grundriffes hinausgewachfen zu einem
felbftändigen, noch nicht erfchienenen Buche, das als
.Beiträge zur antiken und frühmittelalterlichen Urkundenlehre
' angeführt wird. Nun bietet fein Schüler, der
Tiroler Heuberger, eine völlig neue, dem heutigen
Stande der Forfchung entfprechende Darfteilung, welche
das römifche Urkundenwefen in Anlehnung an Steinackers
künftiges Buch fchildert und auch weiterhin
feinem Beifpiele folgend .näher als fonft üblich auf die
Rechtsgefchichte der Urkunde eingeht'. H. bekennt fich
(S. 4) zu dem Satze, daß heute ,die Forfchung der Ge-
famtentwicklung des Urkundenwefens im Rahmen von
Erdräumen und Zeitaltern gilt, dem Verhältnis von Form
und Inhalt der Urkunden und all den reichen Beziehungen
derfelben zu Recht, Schrifttum, zum geiftigen und materiellen
Leben ihrer Zeit'. H. dehnt feine Darftellung bis
auf die Gegenwart aus. Man erkennt, wie ftark der Reiz
folcher Behandlung fein kann — für weite wiffenfchaft-
liche Kreife, während II. in erfter Linie den angehenden

Gefchichtsforfchern dienen will. Er ftellt an fie mit feiner
überaus knappen Faffung hohe Anforderungen, aber die
ftarke Hingebung des vorher fchon in Einzelarbeiten bewährten
Verfaffers hat ein Buch gefchaffen, deffen Studium
lohnt. Durch gleichmäßige Gliederung aller Ab-
fchnitte wird die Überficht erleichtert. Dem 1. Hauptteil
.Vorausfetzungen und Grundbegriffe' folgen zwei weitere,
das Urkundenwefen Italiens und Deutfchlands vom 6.
bis z. 12. Jht bezw. vom 12. bis z. 18. Jht. Diefe beiden
Hauptteile werden eingerahmt von einem kürzeren
Kapitel über das altrömifche Urkundenwefen und einem
Ausblick auf das Urkundenwefen der Gegenwart. Sehr
ausgiebige Bibliographien und das Sachverzeichnis (S.
64—67) erhöhen den Wert des trefflichen Bändchens.
Marburg. Karl Wenck.

Scheel, Prof. D. Dr. Otto: Martin Luther. Vom Katholizismus
zur Reformation. Erfter Band. Auf der
Schule und Univerfität. Mit 13 Abbildungen. Dritte
durchgefehene Auflage. (VIII, 340 S.) gr. 8°. Tübingen
, J. C. B. Mohr 1921. M. 60—; geb. M. 75 —
Der erfte Band von Scheels Luther ift 1910 zuerft
erfchienen: im Jubiläumsjahre des Wormfer Reichstages
ift diefe dritte Auflage ans Licht getreten. Daß fie
nötig war, zeugt gleichmäßig für das Bedürfnis nach
Belehrung über Luther wie für die Brauchbarkeit des
Scheel'fchen Buches. Es ift in der Tat überrafchend
fchnell in der theologifchen Welt eingebürgert und hat
fich weit über deren Grenzen hinaus Freunde geworben.
Unermüdliche Kleinarbeit ift Jahrzehnt auf Jahrzehnt auf
dem Gebiet der Lutherforfchung geleiftet worden: aber
es fehlte eine alles mit eigenem Urteil und auf Grund
eigener Arbeit und Frageftellung neuformende und
nachprüfende Zufammenfaflung. Die hat Scheel für die
Zeit bis 1513 geliefert: der erfte Band reicht bis zum
Eintritt ins Klofter 1505. Freilich, hätte Scheel fich begnügt
, die allzu wenigen pofitiven Quellenausfagen über
Luthers Jugend zu diskutieren und in der üblichen
Weife zu einer Darftellung auszuwalzen, fo wäre kaum
Neues und Förderndes herausgekommen. Was Sch.'s
Arbeit charakterifiert, ift die Verwertung indirekter
Quellen, die fich automatifch aus dem Streben ergibt,
die Umgebung des heranwachsenden Luther mit aller
erreichbaren Genauigkeit zu fchildern und von ihr aus
Verftändnis für die meift zufammehhanglos oder tendenziös
überlieferten Einzeldaten zu gewinnen. So baut
fich das Ganze auf denkbar breitefter Grundlage auf
und bietet ineinander Verfehlungen Gefchichte der
Lutherftädte, ihrer wirtfehaftlichen und geiftigen Kultur, *
des Unterrichtswefens von dem der niederen Schulen
bis zur Univerfität, vor allem eine ausgiebige Darftellung
des wiffenfehaftlichen Betriebes in Erfurt in der artifti-
fchen, theologifchen und juriftifchen Fakultät. Die Erörterung
der ,Kataftrophe', die Luther ins Klofter trieb,
und die Form feines Eintritts werden durch forgfältige
Benutzung der Konftitutionen des Auguftinerordens
unterbaut. Man kann vom rein literarifch-künftlerifchen
Standpunkt freilich einwenden, daß auf diefe Weife der
Rahmen erheblich breiter geworden fei als das Bild,
aber man wird fich auch der Tatfache nicht verfchließen
dürfen, daß dies überhaupt die einzige Möglichkeit ift,
der vergangenen Wirklichkeit nahe zu kommen. Daß
nur fo eine wirklich fruchtbare Diskuffion der kärglichen
Nachrichten über Luthers Entwickelung möglich
ift, dürfte zum minderten feit Denifles Lutherbuch auch
dem ferner Stehenden klargeworden fein: wir müffen jeweils
die allgemeine Norm herftellen, von der aus dann
der Sonderfall Luther fein Licht erhält. Daß über die
kritifche Entfcheidung vielfach das Urteil Schwankend
bleiben wird, mindert das Verdienft Scheels nicht, mit
diefer Methode gründlich Flrnft gemacht zu haben: und
die Zuftände um 1500 find wahrhaftig nicht fo allgemein
und fo genau bekannt, daß man Scheels eingehende