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Ausgabe: | 1922 |
Spalte: | 221 |
Autor/Hrsg.: | Poole, Reginald Lane |
Titel/Untertitel: | Illustrations of the history of medieval Thought and Learning 1922 |
Rezensent: | Scheel, Otto |
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find fie aber durchaus nicht venialia, da fonft ihre Unter-
fcheidung von der dritten Gruppe zwecklos wäre. ,Wir
haben alfo in der zweiten Gruppe Sünden vor uns, die
einerfeits keine venialia, folglich crimina find, andererfeits
doch nicht der Exkommunikationsbuße unterftellt werden,
fondern quibusdarn correptionum medicainentis zu heilen
find'. Mir will diefe Deutung nicht notwendig erfcheinen.
Auguftin fpricht in diefer .ldaffifchen'Stelle nur von folchen
Sünden, die der kirchlichen Bube fchlechthin unterliegen
— das find die an erfter Stelle genannten Sünden — und
von folchen Sünden,, die nicht unter die Kirchenbube
fallen. Das find die an zweiter und dritter Stelle genannten
Sünden. Sie alfo gehören nicht in den Bereich der
kirchlichen Schlüffelgewalt. Wir haben keine Dreiteilung,
fondern, foweit die Kirchenbube in Betracht kommt, nur
eine Zweiteilung vor uns: Sünden, die unter die Verpflichtung
zu einer Kirchenbube fallen, wobei offen bleibt,
ob diefe Bube öffentlich oder .halböffentlich' ift, und Sünden,
um deren willen ein kirchliches Bubverfahren nicht braucht
eingeleitet zu werden. Die von Adam angenommene
.Mittelftellung' und die daraus gezogene Folgerung Icheint
mir darum eine Eintragung zu fein, die der Text nicht
rechtfertigt. Ob alfo wirklich de fid. et op. 26,48 eine 1
.klaffifche' Beweisftelle für die Exiftenz einer geheimen
Kirchenbube in Hippo ift? Ich würde es nicht zu behaupten
wagen. Wenn Pofchmann die correptio, die für
die an zweiter Stelle genannten Sünden verlangt wird, j
auf die .brüderliche' Zurechtweifung befchränkt, fo ift das
freilich falfch. Auch der Bifchof konnte eine folche correptio
vornehmen. Er handelte in diefem Fall aber nicht
als Inhaber der kirchlichen Schlüffelgewalt, fondern an
Stelle des Bruders. Dadurch dab der Bifchof die correptio
vollzog, wurde fie nicht zu einer .Kirchenbube'.
Tübingen. Scheel.
Jeden, Hans. Die Wirkungen der augultinilchen Gelchichts-
philofophie auf die Weftanfchauung und Gefchichtsfchrei-
bung Liudprands von Cremona. (63 S.) 8". Greifs-
wald, Ratsbuchhandlg. L. Bamberg 1921. M. 10 —
Jeffen weift nach, daß Liudprands Weftanfchauung
in ihren Grundzügen mit der Gefchichtsphilofophie
Auguftins übereinftimmt. Aus Auguftins Schrift de civi-
tate dei hat Liudprand freilich nicht feine auguftinifchen
gefchichtsphilofophifchen Ideen gewonnen. Denn diefe
Schrift hat er nicht gelefen. Der Vermittler der Gedanken
Auguftins war ihm Gregor der Grobe, deffen Kommentar
zum Buche Hiob, die fog. moralia, Luidprand
beftimmt haben. Sein Gefchichtswerk Antapodofis fteht
ganz unter dem Einfluß der moralia. Die Schemata
Auguftins werden an Perfonen und Gefchehniffe gelegt.
Sie werden alfo gleichfam Masken der Ideen und Typen.
Die Charakteriftik wächft nicht aus der Individualität heraus.
Die Geftalten L.'s entfprechen vielmehr der auguftinifchen
Typologie. Seine Haupttendenz ift es, die göttliche Gerechtigkeit
in der Gefchichte zu erweifen und die Menschen
nach ihrer Stellung zu Gott zu beurteilen, bezw.
zu den Völkern Gottes und den Völkern des Teufels.
Tübingen. O. Scheel.
poole, Reginald Lane: Jllustrations of the history of me-
dieval Thought and Learning. (327 S.) 8U. London,
S. P. C. K. 1920. '4 sh. 6 d.
Die erfte Auflage erfchien vor 36 Jahren. Die neue
Auflage ift keine vollftändig neue Bearbeitung des Ge-
gcnftandes, wozu die inzwifchen erfchienene Literatur
hätte anleiten können. Im Grundbeftand und in den
meiften Einzelheiten ift es bei dem Entwurf der erften
Auflage geblieben. In Kapitel 4 und 5 (Schule von
Chartres und Abälard) find größere Änderungen vorgenommen
worden.
Tübingen. O. Scheel.
Grupp, Georg: Kulturgelchichte des Mittelalters. Erfter
Band. Dritte, ftark verbefferte und vermehrte Auflage
. Mit 47 Illuftrationen. (VIII, 369 S.) gr. 8°.
Paderborn, F. Schöningh 1921. M. 22--- T-Z.
Dab fchon nach 14 Jahren eine Neuauflage des erften
Bandes diefer Kulturgefchichte (der 1. Band der 2. Aufl.
erfchien 1907) nötig geworden ift, darf gewiß als ein
Zeichen dafür angefehen werden, dab das Verlangen,
das Mittelalter kennen zu lernen, ftärker geworden ift!
Ich möchte es freilich bedauern, dab nicht zuerft die 2. Auflage
zu Ende geführt und es durch gute eingehende
Regifter ermöglicht worden ift, den reichen Inhalt des
Werkes ausfchöpfen zu können. Aber auch fo ift der
neue Band zu begrüben; denn er enthält vieles, was in
den Darftellungen der Profan- und Kirchengefchichte
nicht zu finden ift. Anordnung, Charakter, Auffaffung
find im Wefentlichen die gleichen geblieben; vieles ift
gekürzt, vieles ift hinzugefügt worden; was nicht ftreng
genommen für die Sitten- und Sozialgefchichte von Belang
ift, wurde möglichft ausgefchieden unddamitPlatzgewonnen
für neuen fittengefchichtlichen Stoff. In der Mitteilung
charakteriftifcher Einzelzüge fcheint mir der Hauptwert
des Werkes zu liegen. Der vorliegende Band reicht von
der Völkerwanderung bis zum 8. Jahrhundert.
Kiel. G. Ficker.
Weltlake, H. F.: The Parish Gilds of Mediaeval England.
(VI, 242 S.) gr. 8°. London, S. P. C. K. 1919. sh 15/ —
In folcher Vollftändigkeit und Gründlichkeit ift über
die englifchen Gilden im Mittelalter, foweit fie rein religiöskirchlich
find oder wenigftens in erfter Linie religiös-kirchliche
Zwecke verfolgen, noch nicht gehandelt worden. Es
handelt fich nicht um Handelsgilden, die ja der Art des
Mittelalters entfprechend, immer ein kirchliches Element, fo
z. B. Patronat eines Heiligen und feine Verehrung in fich
tragen, fondern um Pfarrgilden, die Kerzen für die Altäre,
Meffen für die Toten, Bezahlung von Meßprieftern ftifteten,
für Ausftattung der Begräbniffe von Mitgliedern, oder
auch für Hebung der chriftlichen Liebestätigkeit und
Frömmigkeit im Allgemeinen forgen wollten. Auf Grund
eines reichhaltigen, natürlich nicht für alle Zeiten gleich
reichhaltigen, und vorzüglichen Materials (fo die offiziellen
Berichte von 1389 im Public Record Office, die erftattet
find infolge einer ftaatlichen Erhebung über die Gilden)
wird die Gefchichte diefer Gilden im Allgemeinen vom
10. bis zum iö.Jahrhundert und einzelner befonderstypifcher
vorgeführt, ihr Charakter gekennzeichnet, auch die mitunter
vorkommende Abwandlung ihrer urfprünglichen
Ziele und auch der grobe Einfluß aufgezeigt, den einige
zu Zeiten auf die lokalen Gewalten infolge ihres Reichtums
gehabt haben. Sachgemäß wird die nicht einfache
und nicht lösbare Frage nach ihrem Urfprung behandelt;
einen Tvinfchnitt bildet der fchwarze Tod von 1349 mu-
feinen gewaltigen fozialen und ökonomifchen Folgen;
feitdem datiert ein neuer Auffchwung, bis fie zum größten
Teile den Stürmen des 16. Jahrhunderts zum Opfer fallen.
Ein alphabetifches, mit reichen hiftorifchen Angaben ver-
fehenes Verzeichnis der für 1389 bezeugten Gilden bildet
den 2. Teil des Bandes. Es ift keine Frage, dab wir es
mit einem für die Kultur- und Kirchengefchichte des englifchen
Mittelalters bedeutfamen Werke zu tun haben,
Kiel. G. Ficker.
---w--,--
Vita Meinwecri, deutfch: Das Leben des Bilchofs Meinwerk
von Paderborn, hrsg. v. Franz Tenckhoff. (Scriptores
Rerum Germanicarum.) (XXVIII, 180S.) 8°. Hannover,
Hahnfche Buchhandlung 1921. M. 24_
Meinwerk von Paderborn ift eine der liebenswürdigflen
Bifchofsgeftalten des deutfchen Mittelalters; auf kirchen-
politifchem und reichspolitifchem Gebiete freilich war er
ohne Bedeutung und ohne Einfluß, wenn auch Könige
undFürften ihm eine ffeundfchaftlicheGefinnungbewahrten.
Meinwerks Bedeutung liegt auf dem Gebiete der Lokal-