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Ausgabe:

1922 Nr. 9

Spalte:

196-197

Autor/Hrsg.:

Feder, Alfred

Titel/Untertitel:

Lehrbuch der historischen Methodik. 2. Aufl 1922

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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195 Theologifche Literaturzeitung 1922 Nr. 9. 196

glaubens, fondern ein Theologumenon ift. Auch daß diefem
ein orientalifcher Mythos zugrunde liege, fcheint mir B.
mit Recht zu behaupten gegenüber Schmidt, der fowohl
X. Pt 3,19 wie die Zeugniffe der Thomasakten und der
Oden Salomos nicht zu ihrem Recht kommen läßt. Endlich
wird B. darin Recht haben, daß fchon in vor chriftli eher
Zeit der Mythos von der Hadesfahrt als der Abftieg einer
Erlöfergottheit aus himmlichen Sphären auf die Erde
gedeutet wurde, wie es in der chriftlichen Gnofis und
wohl auch fchon bei Paulus (1. Kr 2, 6—8; Kl 2, 14h) der
Fall ift. Über den urfprünglichen Charakter des Mythos,
feine Herkunft wie feine Gefchichte, feine Differenzierungen
wie feine Kombinationen, wie endlich über fein Eindringen
in die chriftliche Tradition fcheinen mir (wie auch B. andeutet
) noch offene Fragen zu beliehen, in denen Reitzen-
fteins neuefte Veröffentlichungen weiterführen.

W. Hadorn verfucht (S. 67—72) feine früher (Beitr.
z. Förd. chriftl. Theologie XXIV 3/4, 1919) verfochtene
Thefe von der Abfaffung der Theffalonicherbriefe
auf der dritten Miffionsreife des Paulus durch den
Hinweis auf Marcion zu ftützen, in deffen Kanon die
genannten Briefe hinter Gl 1. 2. Kr Rm geftanden haben.
Das fei — abgefehen von der Anfetzung nach Rml —
die gefchichtliche Reihenfolge, für die bei Marcion deffen
hiftorifches Urteil, aber vielleicht auch eine alte Überlieferung
maßgebend gewefen fei. — In keinem Falle handelt
es fich hier um ein neues Argument für H.'s Thefe, vielmehr
nur um eine Beleuchtung des Kanons Marcions von
diefer Thefe aus.

A. Kurfeß hält(S. 72—81) wie wohl die überwiegende
Zahl der Forfcher an der Echtheit der RedeKonftantins
an den ovXXoyog rcöv ayieov feit, die Eufebius im Anhang
der Vita Conltantini überliefert hat. Er bemüht fich
gegen Pfättifch zu zeigen, daß dem griechifchen,Bearbeiter'
der urfprünglich lateinifch abgefaßten Rede kein erheblicher
Anteil zukomme. Zwar erkennt K. Pfättifchs Nachweis
der Benutzung von Piatons Timaios durch die Rede an; |
aber benutzt fei nicht das Original, fondern die Über-
fetzung Ciceros.

H. Koch zeigt (S. 81—85), daß der monarchifche
Episkopat ,auch nachdem er fich aus dem Kollegium
der Presbyter-Episkopen herausgefchält hatte, noch geraume
Zeit gewiffen Ausnahmen und Schwankungen unterlag
'. ,Der Grundfatz Itand feit, aber in Notfällen, wie
z. B. wo es galt, einen greifen Bifchof zu entlalten und
eine geordnete Nachfolge zu fichern oder aus einem
Schisma wieder zur Einheit überzuleiten, wurden immer
noch Ausnahmen gemacht'. Ausgangspunkt der Unter-
fuchung ift Epiph. haer. 68,7; Belege find Eufeb. h. e.
VI 8,7; 11,1 ff; VII 21; Photius, interrog. decem c. 9;
Auguftin ep. 31,4; 213,4; Poffidius vit. Aug. c. 8; ferner
Kanon 8 von Nicaea und Kanon 10 der Synode von
Karthago 418.

Auf einen intereffanten Typus der Kreuzesdarftellung
in der .chriftlichen Antike' weift L. von Sybel (S. 85—91)
hin: die Darfteilung des Kreuzes als gvXov £,co?jg, d. h.
als lebend, als Blätter und Blüten treibend. Er fchließt
mit der Frage: ,Vielleicht kann ein Theologe in der alt-
chriftlichen Literatur Stellen nachweifen, die das Sinnbild
des Blätter treibenden Kreuzes verwenden'. Ich wüßte
vorläufig nur auf Ignatius ad Trall. 11 zu verweifen.

K. Köhler ift in einer Miszelle zu Mt 5,22 (S..91—
95) der Meinung, daß die in der handfehriftlichen Überlieferung
erhaltene Faffung des Verfes interpoliert fei,
und er will auf Grund der Zitate bezw. Anfpielungen bei
Irenäus, Tertullian und Cyprian als urfprüngliche Faffung
herftellen: iycb dt Xtyco vfj.lv ort

nag ö öoyiC,öp.tvog trö adsjtpiö uvzov %*o%Og eaxai zg xpiati
xal dg uv ei'ng TW «SeX<p5> avzov paxd, iVo/oj l'azai tig zo nvp.

An K/s textkritifchen Argumenten hege ich lebhafte
Zweifel. Jedenfalls darf m. E. Mt 5,21—22 nur im Zu-
fammenhang mit den anderen Gefetzesantithefen Mt 5,21 —
48 beurteilt werden und nur unter Berückfichtigung der

Formgefchichte. Aus folchen Erwägungen bin ich in
meiner Gefchichte der fynoptifchen Tradition S. 81 f. auch
zur Ausfcheidung eines fekundären Elements in Mt 5,22
gekommen, glaube aber, daß die Bearbeitung in das Stadium
der vorevangelifchen Tradition zurückgeht.

Zwei Überfetzungsfehler im Text der Evangelien
fucht Perles (S. 96) nachzuweifen. Mt 8,22 müffe
es heißen: ,laß die Toten ihrem Totengräber' — wenig
überzeugend. Dagegen leuchtet feine Vermutung ein,
daß Lk 14,35 m lefen fei: ,es taugt nicht zum Würzen
(Xtanb, von b3F, das mit ban verwechfelt wurde) und
nicht zum Düngen'.

Marburg Bultmann.

Feder, Prof. Alfred, S. J.: Lehrbuch der hiftorifchen Methodik
. 2. Auflage. (XII, 307 S.) gr. 8°. Regensburg,
J. Köfel & F. Puftet. M. 24—; geb. M. 31 —

Bauer, Prof. Dr. Wilhelm: Einführung in das Studium der
Gefchichte. (XI, 395 S.) Lex. 8°. Tübingen, J. C. B.
Mohr 1921. M. 96—; geb. M. 114—

Beide Bücher behandeln die gleiche Aufgabe wie

E. Bernheim's Lehrbuch der hiftorifchen Methode. Was

haben fie gegenüber dem älteren Buche Eigentümliches

zu bieten?

Feder herzlich wenig. Die Abhängigkeit von Bernheim
, auf die Feder im Vorwort übrigens hinweift, geht
in vielen Stücken des Buchs über das Maß des Erlaubten
eigentlich hinaus, und ihre Nachweifung im einzelnen
wäre ein dankbares Schulbeifpiel zur Einübung literari-
fcher Quellenkritik. Die Eigentümlichkeit Feder's be-
fteht in folgenden Punkten: 1. Die katholifche Weltan-
fchauung hat zur Einarbeitung von Stücken über Autoritätsglaube
und Wunder gezwungen. 2. Die Beifpiele
find mehr aus der alten Kirchengefchichte genommen,
ftatt aus dem Mittelalter. 3. Die Literaturnachweife bevorzugen
katholifche und jefuitifche Autoren und find
völlig ungeeignet, den Zugang zur allgemeinen hiftorifchen
Forfchung zu erfchließen. 4. Überhaupt aber treten
Beifpiele und Literatur ftark zurück gegenüber dem
Lehrfatz. Es ift ein Lehrbuch der hiftorifchen Methode
in fcholaftifchem Gewände, was fo zuftande gekommen
ift.

Ich halte jeden der vier Punkte für einen Rückfehritt, auch den
zweiten: Die Kunft der Quellenbehandlunc; wird nirgends fo r;ut gelernt
werden können, wie im Mittelalter. Der ftärkfte Mangel ift freilich der
vierte. Anfchauung und Beifpiel find in der Gefchichte alles, und ein
Gefpinft abftrakter Lehrfätze wird niemals Vermittler einer Kunft werden
können. Schlimm ift auch, daß die Beifpiele, wenn fie gegeben
werden, oft Beifpiele find, wie man den betreffenden Lehrfatz apologe-
tifch mißbrauchen könnte, z. B. in § 188. — Das Werk gibt fich auf
dem Titelblatt als 2. Aufl. Es ift dazu zu bemerken, daß die erfte
Auflage ein weit kürzerer Privatdruck mit anderem Titel und für
Schulzwecke gewefen ift.

Bau er's Eigentümlichkeit ift durch den Titel hinreichend
gekennzeichnet. Er ift ganz auf die gegenwärtigen
Fragen der Wiffenfchaft und die gegenwärtig noch
brauchbare Literatur eingeftellt; man vermag alfo aus
ihm für die Gefchichte der Gefchichtswiffenfchaft und
Gefchichtsphilofophie viel weniger zu lernen als aus
Bernheim. Die Quellenkritik, die bei Bernheim das
Herz des Buches ausmacht, ift auf etwa 40 Seiten fkiz-
ziert. Dafür ift auf eine anlchauliche Schilderung der
verfchiedenen Gefchichtsquellen (befonders derer zur
Neuzeit), fowie auf umfangreiche Mitteilung der biblio-
graphifchen Hilfsmittel ein ganz befonderer Nachdruck
gelegt; an diefen beiden Punkten wird Bernheim ohne
Frage übertroffen. So ift in der Tat ein — noch dazu
fehr lebendig gefchriebenes — nützliches Einführungsund
NachfchTagebuch für angehende Hiftoriker entftan-
den. Dem Einführungszweck angepaßt find auch die
erften Kapitel des Buchs über die Eigenart des ge-
fchichtlichen Werdens, Verftehens, Erkennens; fie vermitteln
dem Studenten eine Bekanntfchaft mit den
grundfatzlichen Fragen des Fachs, geben allerdings auch