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Ausgabe:

1921

Spalte:

61-62

Autor/Hrsg.:

Briefs, Goetz

Titel/Untertitel:

Untergang des Abendlandes. Christentum und Sozialismus 1921

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 5/6.

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Bericht zu erftatten. Da der Ref. aus verfchiedenen Gründen
fich dazu nicht entfchließen konnte, fo hält er es
jetzt für das Richtigfte, das Erfcheinen des 2. abfchlie-
ßenden Bandes abzuwarten. Es follen aber einige durch
das Buch angeregte Arbeiten hier zur Anzeige gebracht
werden. Liebfcher gibt nicht eine Kritik des Werkes,
fondern ftellt ihm die Thefe entgegen: ,Nur eine große, neue,
gewaltige Geiftesbewegung, die unfer Volk und von unterem
Volk aus die heutige alte Welt erfchüttert, vermag
uns neuen Auffchwung und Aufftieg zu fichern'. Gerechtigkeit
ftatt Liebe, das ift die Lofung des künftigen daubens,
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Die griechifche und die meint er. Im Grunde find es doch die fittlichen Ideale
römilche Welt. Auf Grund d. aufbehalt, handfchr. eines undogmatifch verftandenen Chriftentums, von denen

allem doch einen Beitrag bietet zur Kennzeichnung des
fo außerordentlich rührigen bayerifchen Katholizismus
unterer Tage. Diefer Sammelband verrät etwas von dem
zwangvoll-kräftigen Geilte der Zufammenfaffung,' der die
Stärke des Katholizismus ausmacht. Je weniger es wahr-
fcheinlich ift, daß der Herausgeber im Einzelnen gelenkt
und geleitet hat, defto mehr muß man die bewußte oder
unbewußte Unterordnung der Mitarbeiter bewundern, ihre
disziplinierte Einfügung in die Gedanken des Ganzen.
Gießen. F. Vigener.

Materials neu hrsg. v. Georg Laffon. (G.W.F. Hegel.
Vorlesgn. üb. d. Philofophie d. Weltgefch.. III. Bd,
Der philof. Bibl. Bd. 171c) (VI, S. 527 — 753) 8«.

er unfere Erneuerung erwartet. Die populäre Schrift
wird den Kreifen, für die fie berechnet ift (es ift eine Vor-
lefung, gehalten im Wirtfchaftskartell Werdau und in der

Leipzig, F. Meiner 1920. M.9—; geb. 12— Handwerker-Vereinigung Leipzig) ein Gegengewicht gegen

Der Aulbau der griechifch-römifchen Welt hat ftets
als das Meifterftück des darfteilenden Teiles der Hegel-
fchen Gefchichtsphilofophie gegolten. Laffons ausdauernde
Regfamkeit hat auch für dielen wichtigen Teil eine Fülle

den Skeptizismus gegeben haben.

Emmel wendet fich nach einer Darlegung der Grundgedanken
Spenglers gegen feinen Relativismus, feine Auf-
iäffung vom Wefen des Organismus, feinen Analogismus,
von Baufteinen zufammengetragen, che bisher nicht be- j feinen Hiftorizismus. Er urteilt:,O.Spengler ift kein großer
nutzt worden find. Eine Vergleichung mit der Ree- fchöpferifcher Denker. Noch weniger ein Prophet. Aber
lam-Ausgabe ergibt, daß kaum ein Abfchnitt unvermehrt er ift ein Hiftoriker von Format. Vor meinem geiftigen
geblieben ift. Viele Abfchnitte find ganz neu hinzugekommen
. Ich hebe als einen folchen von befonderer Wichtigkeit
den Paffus über die Tragödie des Socrates S. 645 fr.
hervor. Was Hegel in feiner großartigen Denkweife an
dem Untergang des Socrates als das Tragifche empfunden
hat, tritt erft jetzt fo eindringlich und bedeutfam hervor,
wie es auf die Hörer gewirkt haben muß. Keine Spur
moderner Sentimentalität, die Mitfchuld des Socrates als
eine in der Idee des Tragifchen liegende Mitvorausfetzung
ausgefprochen, und doch eine Wärme des Mitgefühls, wie
nur ein großer Menfch es befitzt.

Auge flehen Ranke, Mommfen und Lamprecht, und ich
läge dennoch: O. Sprengler ift der größte intuitive Hiftoriker
des Abendlandes'. Esiftfchade, daß diegenannten Hiftoriker
nicht haben von ihm lernen können.

Briefs hat es mit Spenglers Auffaffung des Sozialismus
zu tun. In einem mehr als merkwürdigen Deutfch
(ich hebe einiges hervor: S. 81: Zeiten wie die unfere
find hochgetürmte Aufgaben; S. 102: Abendlandverwur-
zeltheit des Nietzfchefchen Denkens; S. 103: Spenglers
Unverhalten zur Karitas; dazu eine Fülle von Fremdworten,
die felbft für einen fcholaftifchen Theologen ftaunenswert

In der Entwicklung des Wefens des Chriftentums j wäre) zeigt er, was ich für richtig halte, daß Spenglers

ift mir eine kleine Einfchaltung aufgefallen, in der das j Begriff vom Sozialismus einfeitig ift. Seinen ganzen Zorn

Chriftentum mit Bezug auf die Idee der Gnade (wohlver- entlädt er aber über den in Spenglers Schrift Sozialismus

ltanden: nicht überhaupt; dazu fah Hegel das Chriften- I und Preußentum niedergelegten Begriff vom Preußentum,

tum zu groß) als Hindeutung auf den unendlichen Wert über das Volk und Gefchichte ihren Spruch gefällt haben

der Menfchenfeele charakterifiert wird (S. 738 ff.) ,Es ift (S. 58). Ich fürchte, daß er das Wefen des preußifchen

darin (nämlich in der Forderung der Selbftüberwindung — Staates viel weniger erfaßt hat als Spengler. Das Buch

ich darf hinzufügen: indirekt) ausgefprochen, daß das vom Untergange des Abendlandes charakterifiert er als

Subjekt an fich einen unendlichen Wert hat, weil das Buch,,das alle neue Heidnifchkeit'(prachtvolles Wort!)

es Gegenftand der göttlichen Gnade ift'. Ich möchte bei 1 ,zur Welt- und Gefchichts- und Lebensanfchauung erhebt

diefer Gelegenheit überhaupt fehr raten, fich das Hegel- j und zufammenfaßt; das erfte diefer Art'! Er urteilt: ,Die

fche ,Wefen des Chriftentums' in dem konzentrierten Ge- j chriftliche Gedankenwelt gibt Struktur und Typus des

mälde feiner Gefchichtsphilofophie einmal genauer anzu- j abendländifchen Bewußtleins' ftiuch bei Franzofen, Itali-

fehen. Es ift von überragender Größe und Mächtigkeit. I enern, Engländern??). Daß das Sozialproblem eine fi'ttliche

Schließlich ift noch zu bemerken, daß die für Hegel Seite hat, geben viele zu; aber den Zufammenhang zwifchen

ftets fo bedeutfame Gliederung des Gedankenganges in j chriftlichen Gedanken und Marxismus, wie B. ihn faßt,

der neuen Redaktion viel reicher und treffender ausge- werden viele nicht für richtig halten. Dankenswert find

fallen ift, als in den früheren Rezenfionen. die Nachweifungen der Herkunft mancher Gedanken Speng-

Kiel. Heinrich Scholz. lers. Ich glaube nicht, daß Spengler fich als durch B.

widerlegt, anfleht.

Kiel. G. Ficker.

Spengler, Oswald: Der Untergang des Abendlandes. Uniriffe
e. Morphologie der Weltgefchichte. 1. Bd. Geftalt
u.Wirklichkeit. (XVI, 639 S). gr. 8°. Wien, W. Brau- Sohlelermacher, Friedrich: über die Religion. Reden an die Ge-
müller I918. M. 20.90 Verächtern. In ihr. urfpr. Geftalt m. fortl.

Briefs, ProfV Goetz: Untergang des Abendlandes. Chriften- ^^^tt^^T^^ ^Äsi

tum und Sozialimus. Eine Auseinanderfetzg mit Oswald j 8«. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1920 ' m Sco

Spengler. (III S). kl. 8°. Freiburg i. B., Herder I92O. j Diele Ausgabe der .Reden', ausgezeichnet durch genaue Wiedergäbe

M. 7.50 : t" ur'prunghchen Geftalt, durch fortlaufende kritifche Überficht''des

Emmel, Felix: Der Tod des Abendlandes. Gegen Oswald ! SSSX^ynJZj^^f^T* *m£?ff*,g Tä fine

C.™änWe fl-pnt Philr.fnr.hi,» (A-r Q ™- 80 TWin U T? ! fula.mmen,i)!lenae wurd gung am Schluß, erfchien zuetft bei der hundert-

Spenglerslkept.FtUlolophie. (22 S). gl. 8". Berlin H.R. jahrigen Wiederkehr 1899, in 2. Aufl. mit neuer Einleitung 1906, in

Engelmann 1919. M. 1.20

Liebfcher, Hermann. Der Aufftieg des Abendlandes. Die

Zukunft Europas als religiöfes Problem. (26 S). 8".

Leipzig, Reitzenhainer Str. 151, H. Liebfcher. M. 4.50
Von Spenglers Untergang des Abendlandes ift dem
Referenten fchon die erfte Auflage zugegangen und es
wäre wohl Pflicht gewefen, den Lefern diefer Zeitfchrift
über diefes Buch, das foviel Auffehen gemacht hat, fofort

3. Auflage mit einer Beigabe von de Wette, aus der man die Wirkung
der Reden erfleht, und einem Regifter der wichtigften Ausdrücke 1913.
Jetzt ericheint die durchgefehene 4. Auflage. Einer Empfehlung bedarf
fic nicht, es fei denn, daß fie auch heute noch dem Studenten erfchwing-
lich ift.

Hannover-Kleefeld. Schufter.