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Ausgabe:

1921

Spalte:

59-60

Autor/Hrsg.:

Preuß, Hans

Titel/Untertitel:

Der Wandel des Lebensideals im Spiegel der Kunst vom Augange des Mittelalters bis zur Gegenwart 1921

Rezensent:

Stuhlfauth, Georg

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Seite 1

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59 Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 5/6. 60

Da Schiner fehr unleferlich fchreibt, auch nicht das hefte Latein,
find die Texte nicht immer in Ordnung. Ich notiere: S. 7 Z. 2 lies:
invenique, S. 12 Z. 6 expeditur, S. 18 Z. 10 quoscunque, S. 36 Z. 5 v.
u G. Fintier, S. 43 Z. 9 traditam, S. 130 Z. 13S. Sixti(?) S. 139 Z. 11
contulit, S, 307 Z. 12 commendatissimos, S. 308 Z. 6 v. u. percipiuntur,
S. 351 Z 12 tarnen. Übrigens wären Zeileuzähler dringend erwünfcht.

Zürich. W. Köhler.

Beiträge zur fächiiTchon Kirchengefchichte. hrsg.von F. Di b eli u s

U.H.Böhmer. 33. Heft (1919): Albert Hauck. Ein
Charakterbild von H.Böhmer. (78S.)gr. 8°. Leipzig,
J. A. Barth 1920. M.7.20
Diefes Charakterbild zu zeichnen war kaum jemand
berufener als Heinrich Böhmer. Denn kaum jemand wird
über diefe intime Kenntnis der Lebensgefchichte, der
Lebensleiftungen Haucks als Profeffors und Gelehrten und
Schriftftellers und feiner Lebensgewohnheiten verfügen.
Nur eines wird man vielleicht vermiffen: eine Darftellung
vonHaucks innerem, feinem religiöfenLeben. Dasiftjedoch
nicht die Schuld des Biographen, fondern fozufagen die
Schuld Haucks felber, der von Natur verfchloffen und kühl
war und andern nur feiten Einblicke in fein Innenleben
gewährte. Wir Studenten vor 25, 30 Jahren haben es
beklagt, daß unfer fchwärmerifch verehrter Lehrer nur
fo feiten mit feiner Glaubensüberzeugung hervortrat. Es
gab unter uns welche, die infolgedeffen und infolge der
Neigung Haucks zu fpöttifcher Ironie ihn für einen bloßen
Gewohnheits-und Kirchenchriften, ja für einen Scheinchriften,
der inWirlichkeit ein Skeptiker und ungläubigerThomas wäre,
hielten. Später ift Hauck mehr aus fich herausgegangen,
befonders in Anfprachen und Vorträgen in der deutfch-chrift-
lichen Studentenvereinigung. Eine Sammlung diefer Vorträge
unter dem Thema Jefus' wird nächftens im Verlage von
J. C. Hinrichs erfcheinen. Die Lücke, die jetzt noch in dem
Charakterbild des berühmten Kirchenhiftorikers klafft, wird
dadurch wohl einigermaßen ausgefüllt werden.

Das Schwergewicht der Arbeit Böhmer's (die, wie
alles, was von diefem kommt, höchft geiftreich und glänzend
gefchrieben ift) liegt in einer eindringenden Würdigung
der .Kirchengefchichte Deutfchlands' und in der
Einrangierung ihres Verfaffers unter die deutfchenHiftoriker.
Mit Recht werden als die Hauptvorzüge jenes Werks
gerühmt die gewiffenhafte, mit einem gewaltigen Aufwand
von fittlicher Energie und entfagendem Fleiß geleiftete
Quellenbenutzung, die trefffichere aus der Quellenüberlieferung
gefchöpfte, zugleich aber auf einem intuitiven
Erkennen ihres Wefens beruhende Schilderung der Per-
fönlichkeiten, die ebenfalls blitzartige Erfaffung des Wefent-
lichen in den Ereigniffen, die meifterhaften Zuftandsbilder,
der Refpekt vor den in der Gefchichte waltenden über-
perlonlichen, irrationellen Kräften und Tendenzen, die Bändigung
einer koloffalen Stofffülle, die Scheidung in Darftellung
und Unterfuchung, die Überfichtlichkeit und durchfichtige
Klarheit in der Darftellung. Ebenfo richtig wird Hauck
hineingeftellt ,in den Kreis, den Ranke feine Familie zu
nennen pflegte, und zwar darf er wohl als dasjenige
Familienglied bezeichnet werden, in dem fleh die geiftige
PLigenart des Familienhauptes am getreueften fpiegelt'.
Nur die Ausfpielung Haucks gegen Karl Lamprecht
als Abfchluß des Charakterbildes war wohl nicht nötig.
Zwickau i. S. O. Clemen.

PreuB, Prof. D. Dr. Hans: Der Wandel des Lebensideals
im Spiegel der Kunlt vom Ausgange d. Mittelalt. bis j
z. Gegenwart. Eine Skizze. (31 5.) 8°. Nürnberg,
Zeitbücherverl. J. Koezle (1920). M. 1.50

Zum erften weiß ich nicht recht, warum diefer Vortrag
hat gedruckt werden müffen, der doch nicht bloß
Skizze, fondern auch Torfo ift. Und zum zweiten habe
ich feiten fo nahe zufammen fo viele fchiefe und unhalt- ',
bare Gefchichtsurteile gelefen wie auf diefen paar Blättern. :
Soll ich diefe Wertung der P.fchen Schrift begründen?

Ich möchte es unterlaffen, um Tie nicht wichtiger zu machen, als
fie ift. Dennoch glaube ich um der Sache willen die hauptfächlicbften

Punkte anführen zu follen und zwar in der Folge, wie fie der Vortrag
bietet. Die Renaiffance foll das klaffifche. allgemein Giltige vertreten
wollen, fie liebe nicht das Individuelle, fondern das Gefetz, die Regel,
das Mall, die Ruhe, indes der gotifche Mensch das Individuelle, Mannigfaltige
, nur ein Mal fo Vorhandene u.f.w. liebe (S. 6'ff.)! Am Ausgange
der Gotik flehe ,das gewaltige Werk des größten Gotikers aller Zeiten,
Albrecht Dürers Folioblätter der Apokalypfe' (7f.): war D. fonft nichts?
Luther habe in die gotifche Unruhe die Ruhe gebracht (9): hat nicht
umgekehrt Luthers Auftreten in ,dic gotifche Ruhe' der Malte und der
Kirche die evangelifche Unruhe des aus dem Schlaf erweckten Gewiffens
gebracht? Dürers Apokalypfe wird als Produkt ,gotifcher Angft' vor-
geftellt (10): ift fie nicht vielmehr ein — vorreformatorifcher — Akt des Angriffes
auf ,die gotifche Ruhe'? Geht nicht mit der Unruhe der Apokalypfe
die, doch wohl fchon vor Luthers Auftreten gelchaffene, ach fo ruhige
Idylle des Marienlebens zufammen? Auch dem kann man nicht bei-
ftimmen, wenn P. ebenda fagt: .Dürers ganze religiöfe Kunft ift eine
Parallele zu Luthers reformatorifcher Frömmigkeit', wenigftens nicht in
diefer übertreibenden und noch unterftrichenen Allgemeinheit. — S. 12
hören wir, die Graphik fei in ihrer Beweglichkeit das echtelte Ausdrucksmittel
der Gotik, der Renaiffance liege fie nichtI — S. 13 find
Reformation und Renaiffance beide einig ,in ihrem Zur Ruhekommen',
,nur kommt diele zur Ruhe in Gott, jene in der Welt' I — Wir erfahren
ebenda: ,Auf deutfehem Boden bildet fich [im Gefolge der Renaiffance,
die ihrerfeits es mit der Ruhe, dem allgemein Giltigen hält] die Wiffen-
fchaft zur Gelehrfamkeit aus. Das [I] alles bedeutete den Tod der
deutfehen Kunft1: fonft nichts? — Wir erfahren, dem Barock auf roma-
nifebem Boden gehe, sans phrase, parallel die Myftik aut germanifchem
Boden (Rembrandt) und beide Lebensideale feien gleicherweife die Ab-
löfung der Renaiffance. (14)I — Wir erfahren, daß Renaiffance und
Barock ,bei mancherlei Ähnlichkeit in einzelnen Phrafen' doch .weltenweit
' von einander unterfchieden feien (16): Wohin fetzt P. Michelangelo?
— S. 17 hören wir vom 30 jähr. Kriege ,als jener barocken Groteske
im großen Stile'. — Wir erfahren: Jeder fl) Stil geht zuletzt in Rokoko
über, d. h. in das geziert Puppenhafte, Preziöfe'; Beweis für die Gotik :
fo mancher Altarfchrein des 15. Jhs. und die zierlich gekrümmten Finger,
,die Schongauer felbft feinen böfen Geiftern gibt' (18)! — .So geht auch',
heißt es unmittelbar darauf, ,die Entwicklungslinie Renaiffance-Barock
fchließlich in Puppenherrlichkeit auf1. Entwicklungslinie Renaiffance-
Barock: war nicht einige Sekunden zuvor (16) die weltweite Kluft zwifchen
Renaiffance und Barock behauptet worden? — Wie reimt es fich, daß
die deutfehe Aufklärung nach üblicher Manier abgetan wird, wenn dann
doch gefagt werden muß, daß diefelbe Aufklärung in der Mufik unübertreffliche
Ewigkeitswerte hervorgebracht (19 ff), daß fie im Dichten
und Denken Höchftes, Unvergänglichftcs geleiftet hat (23 f.)? — Läßt
fich der Expreffionismus — den ich wahrhaftig nicht Ichön finde —
als Zeichen der Zeit nicht doch auch fehr viel anders verliehen denn
als Schlußftein chaotifcher Willkür? Hat P. überhaupt auch daran
gedacht und darüber nachgedacht, daß die Kunft oft genug nicht bloß
Spiegel ihres Zeitalters, fondern auch Prophetin einer neuen Lebensan-
fchauung ift?

Aber das ift es überhaupt, was ich an dem Vortrag
vermiffe, daß er zu wenig in die Tiefe geht, daß er zu
fehr an der Oberfläche bleibt. P. fchützt fich zwar gegen
fchärfere Kritik dadurch, daß er erklärt (5), er wolle nur
Skizze, nur Anregung geben; aber auch eine wiffenfehaft-
liche Skizze foll exakt gehalten fein und foll als Anregung
nicht nur den Widerfjpruch übrig laffen. Und ich mochte
P. raten, in das ,große' Thema (5), das zu behandeln fich
wahrlich immer lohnt, erft noch ganz anders fich zu
verfenken und Tatfachen und Probleme noch ganz anders
erft kennen zu lernen und zu ergründen, ehe er die Er-
gebniffe wieder in die weitere Öffentlichkeit und vor das
Forum der Wiffenfchaft bringt.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Buchberger, Dr. M.: Die Kulturarbeit der katholifchen
Kirche in Bayern. Auffätze üb. d. kulturelle, foz. u.
caritat. Wirken d. Kirche i. Bay. In Vbdg. m. Fachgelehrten
hrsg. (294S.) 8°. Regensburg, Verl.-Anft. vorm.
G. J. Manz 1920. geb. M. 18 —

Die meiften Abhandlungen diefes Buches find ftoff-
reich (wie fogleich die erfte: Kirche und Pflege der
Wiffenfchaften von Otto Hartig) und mit manchen felbftän-
digen Beobachtungen durchfetzt; befonders inbaltvoll find
außer der eingehenden Darftellung des Herausgebers
über Kirche und Caritas in neuerer Zeit die Auffätze von
Mitterwiefer (.Kirche und Caritas in vergangenen Zeiten')
und L. Fifcher (.Kirche und Volksleben'). Die gefchicht-
liche Betrachtung tritt ftark hervor. Aber faft allenthalben,
wo in diefem Buche von Gefchichte gefprochen wird, fühlt
man die Beziehung auf die Gegenwart in einem Maße,
daß das Werk auch in feinen gefchichtlichen Teilen vor