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Ausgabe:

1921

Spalte:

15

Autor/Hrsg.:

Riehl, Alois

Titel/Untertitel:

Friedrich Nietzsche. Der Künstler und der Denker. 6. Aufl 1921

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 1/2.

Ifj

Zufammenbruch und Auferftehung gelegt. Stellen aus
Briefen und Schriften find reichlich beigegeben. Etwas
mehr Ordnung und Syftem hätte ich dem Ganzen wohl
gewünfcht. Jedenfalls aber ift ein Buch gefchaffen, das
auch den einfachen Lefer von Fichtes Geifte einen Hauch
verfpüren läßt', und dem man Verbreitung von Herzen
wünfcht. Hinter aller Anfpruchslofigkeit verbirgt fich
eine umfaffende Belefenheit in Fichtes Werken, und diejenigen
Winke für ein tieferes Fichteverftändnis, die innerhalb
der gedeckten Ziele möglich waren, find mit feinem
Gefühle gegeben.

Das zweite Heft Engelhardts ift auch für die Fichteforfchung
beachtlich. Engelhardt druckt dort S. 6-31 die pädagogifchen Tagebücher
, die Kunze, Neue Fichtefunde 1919 S. 80—105 veröffentlicht !
hat, unabhängig von Runze (deffen Veröffentlichung ihm entgangen ift)
aus den Handfchriften. Seine Lefungen weichen an zahlreichen Stellen
von denen Kunzes ab. Recht und Unrecht verteilen lieh zu etwa gleichen
Teilen. Wer den richtigen Text gewinnen will, muß ihn fich aus beiden
Veröffentlichungen zufammenfuchen und darf dabei nicht überfehen, daß
Engelhardt an mehreren Stellen (S. 23 f, 29 t) Sätze oder Worte bietet,
die Runze, ich weiß nicht warum, weggelaffen hat.

Bonn. E. Hirfch.

Windelband, Wilhelm: Piaton. (Frommanns Klaffiker der
Philofophie IX.) 6. Aufl. (VIII, 182 S.) 8°. Stuttgart,
F. Frommann 1920. M. 12—; geb. 16 —

Riehl, Alois: Friedrich Nietzfche. Der Künftler und der J
Denker. (Frommanns Klaffiker der Philolophie VI.) ■
6. Aufl. (VIII, 171 S. m. Bild) 8°. Stuttgart, F. Frommann
1920. M. 12—; geb. 16 —
Wolfgang Windelband gibt einen unveränderten
Abdruck vom Werk feines Vaters. Die Berückfichtigung
der neueren Piatonphilologie, die Auseinanderfetzung mit
H. Maier, Pohlenz, Wilamowitz u. d. A. würde das Buch
völlig umgeftalten. Es will ja aber auch keine Einführung
in den Stand der Forfchung geben fondern nur des Ver-
faffers Anfchauung von Piatons Perfönlichkeit als Menfch,
Künftler uud Denker. — Riehl läßt feinen Text bis auf
einzelne kurze Zufätze unverändert. Seine Erweiterung
durch eine Charakteriftik des ,Ecc homo' und eine kri-
tifche Sichtung des Materials zu dem Umwertungswerke
hätte die Form eines Effays aufgelöft. Die Schrift ift
1911 ins Ruffifche, 1912 ins Italienifche überfetzt.
Hannover-Kleefeld. Schufter.

Helfen, D. Dr. Johs.: Die Religionsphilofophie des Neukantianismus
. Dargeftellt u. gewürdigt. (Freiburger theol.
Studien. 23. Heft.) (IX, 94 S.) gr. 8°. Freiburg i. B.,
Herder 1919. M. 6.80

Die klar gefchriebene Unterfuchung befteht aus
einem referierenden und einem kritifchen Teil. Der referierende
Teil behandelt (1) die Marburger Schule (Cohen
und Natorp), (2) die Badifche Schule (Windelband, Rickert,
Mehlis, Münch, Jonas Cohn). Die Darfteilung ift nicht
tief, aber zuverläffig und klar. Die Kritik wendet fich
fchärfer gegen die Marburger als gegen die Badener, das
heißt, fie vertritt die Pofitionen der Religionsphilofophie
gegenüber der Philofophenreligion der Marburger
Denker, die fich mit ihrer deduktiven Methode den Zugang,
mit der Aufhebung des religiöfen Transfzendenzanfpruches
die Einficht in das Wefen der Religion verbauen. Auffallend
ift, daß Natorp fchärfer als Cohen behandelt wird.
Unftreitig ift Cohen (wie fich aus feiner nachgelaffenen
/Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums'
ergibt) die ftärkere religiöfe Potenz; aber die fchöne Ge-
fühlsanalyfe Natorps hätte wohl ein Wort der Anerkennung
verdient. In feiner humanifierten Religion wird
eine Religion von Charakter freilich bei aller Anerkennung
eines edlen Bemühens nur ihre Säkularifierung erblicken
können. — Die Badener find der Sache fchon näher, z. T.
beträchtlich näher gekommen, wenn es fich gleich
auch bei ihnen zeigt, ,daß fie zu fehr als Philofophen an
die Religion herantreten' (S. 93).

Der Grundfehler des Neukantianismus (befonders in
feiner Marburger Ausprägung) ift das idealiftifche (ratio-

naliftifche) Grundprinzip, das nur Vernunftgewißheiten und
Vernunftfetzungen kennt, folglich den Zugang zu einer
Religion, die aus Gründen ihres Wefens die Vernunft
transfzendiert, nicht erfchließen kann.

Ich bemerke noch, daß die Dogmatik des Katholizismus
fich an keiner Stelle der vorliegenden Erörterung
Hörend oder gar aufdringlich bemerkbar macht.
Kiel. Heinrich Scholz.

Grützmacher, Prof. D. R. H.: Textbuch zur fyftematifchen
Theologie und ihrer Gefchichte. (Sammlung Theolog.
Lehrbücher.) (VIII, 208 S.) gr. Sn. Leipzig, A. Deichert
1919. M. 9—; geb. M. 10.80

Gr. gibt 14 Abfchnitte: die altluth. Theologie, Schleiermacher
, Hegel und feine Schüler (Biedermann, Strauß,
Baur, Bauer, Feuerbach), Rothe, Schelling, die Erlanger
(Hofmann, Thomafius, Frank, Ihmels), Konfeffionell-luth.
Theologie (Kliefoth, Philippi, Vilmar, Stahl), Pofitive Vermittlungstheologie
(Weiße, Dorner, J. Müller), Biblifche
Theologie (Beck, Cremer, Kähler), Pofitive-Theologie der
Gegenwart (Schlatter, Schaeder, Lemme, Stange, Mandel),
das Wiederaufleben Kants und des Neukantianismus (Kant,
F. A. Lange, Vaihinger), Ritfehl und feine Schule (Herrmann
, Bender, J. Kaftan, Harnack), Heim, Neuprot. und
religionsgefch. Theologie (Lang, Lagarde, Dilthey,Troeltfch,
Gunkel, Bouffet, Greßmann). Die einen erhalten viele
Seiten, andere nur ganz knappen Raum. Ein ausführliches
Sachregifter hilft, den Stoff auch fyftematifch zu gruppieren.

— Der Gedanke, die Vorlefungen über Gefchichte der
prot. Theologie durch einen Quellenauszug zu unterbauen,
ift an fich gut und fo hat das Buch fein Verdienft. Vor allem
Anfängern (unter Dozenten und Studenten) wird es an
vielen Stellen zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit werden
können. Allein ich zweifle, daß es im übrigen weit über
die Kreife der Hörer oder wenigftens der Gefinnungsge-
noffen Gr.s hinausdringen wird. Wollte es allgemeinere

— und fachlich noch beffere — Dienfte leiften, fo müßte
es fich im wefentlichen auf die Vergangenheit befchränken,
die fchon einigermaßen objektiv gewürdigt werden kann,
d. h. auf die Theologie des Altproteftantismus, des Pietismus
und der Aufklärung (die keinesfalls ganz fehlen
dürften), dann weiter etwa bis zu Ritfehl, dem .letzten
Kirchenvater'. Wegbleiben follten die Großen, alfo Schleiermacher
und Kant, die doch in ihren Hauptwerken felbft
ftudiert werden müffen (ihre Einreihung hier ift Herab-
drückung und Efelsbrücke), vor allem aber die Gegenwart
, die zu verhängnisvoller Subjektivität verlockt; Gr.
wird keinen anders Gerichteten überzeugen, daß er all
die Genannten heranziehen mußte, aber nicht — um nur
Beifpiele zu nennen — Häring oder Otto, und daß er
die Religionspfychologie allein an Mandel (in der ,pofit.
Theologie der Gegenwart'!) veranfehaulichen mußte, aber
nicht an Wobbermin u. a. Bei einem folchen Textbuch
zeigt gerade die Befchränkung den Meifter; und zwar
heute, wo nur wenige Bücher gedruckt werden können,
alfo jedes möglichft Vielen helfen follte, mehr noch als
früher.

Marburg i. H. Stephan.

Hör Tch, John: Infant Baptism. Its origin among Proteftants and the
arguments advanced for and againft it. Scottdale, Penns., the Author

1917. (157S.) 8». 40 c; geb. 75 c.

Der Inhalt diefes Büchleins ift ein Teil einer Niedcrfchrift über
die Gefchichte der Wiedertäufer. Sie felbft liegt noch nicht vor. Sie
zu fchreiben ift allerdings heute, wo noch ein gut Teil der Quellen der
Herausgabe harrt, noch nicht möglich. In der vorliegenden Schrift
glaubt H. nachgewiefen zu haben, daß Luther und Zwin<di anfänglich Behauptungen
aulftellten, die mit ihrer fpäteren Verteidigung der Kindertaufe
nicht vereinigt werden können. Die lutherifchen Reformatoren haben
in ihrer erften Periode das Freiwilligkeitsprinzip verfochten. Die Sakramente
gelten als signs and seals wich do nothing of themfelves. Nach
wenigen Jahren übernahmen Luther und feine Freunde die Lehre von
der Wiedergeburt durch die Taufe. Sie glaubten, daß die ungetauften
Kinder verloren gingen, und traten darum für die Kindertaufe ein.
Zwingli wendet fich zunächft gegen den römifch-katholifchen Brauch der
Kindertaufe. Als er aber merkte, daß die Praxis der Krwachfenen-