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Ausgabe:

1921 Nr. 2

Spalte:

326-327

Autor/Hrsg.:

Rosenzweig, Franz

Titel/Untertitel:

Hegel und der Staat. I. Bd.: Lebensstationen. II. Bd.: Weltepochen 1921

Rezensent:

Scholz, Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 25/26.

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der Staatsgehalte der rheinifchen evangelifchen Pfarreien'.
Der allgemeinen Darftellung find ausführliche Einzelnachweife
beigegeben, die auch, abgefehen von der Bedeutung
für ihren nächften Zweck, gefchichtlich wertvoll find. Von
den übrigen Arbeiten mögen genannt werden der Aufiatz
des Wimpfener Stadtpfarrers Scriba über den Maler
Heinrich Vogtherr (1490—1556), dem die Wimpfener
Stadtkirche ihren Gemäldefchmuck verdankt, der fich aber
auch als Schriftfteller und Dichter betätigt hat, und die
Abhandlung von Herrmann über Maximilian Ludwig Proli,
jenen wunderlichen Schwärmer, der von 1822—31 in
Offenbach lebte, von feinen katholifchen und evangelifchen
Plausgenoffen und auswärtigen Anhängern gefeiert als
der Gefalbte Gottes aus dem Stamme Juda und der
Wurzel Jeffe. Die .Heffifchen Biographien' endlich bringen
kürzere oder längere Lebensabriffe von bisher etwa 200
im öffentlichen Leben Heffens hervorgetretenen Perfön-
lichkeiten, darunter viele Kirchenmänner und Theologen,
wie die Mainzer Bifchöfe Burg, Humann und Ketteier,
die Profefforen Credner, Knobel, Rettig, Leopold Schmid
und Johann Schmid, die Pfarrer Klingelhöffer, Moufang,
Simon u. a. Befonderer Wert ift auf vollftändige und
bibliographifch zuverläffige Aufzählung der Arbeiten
gelegt.

Gießen. G. Krüger.

Rofenkranz, Pfarrer Lic. A.: Gefchichte der deutfchen
evangel. Kirche zu Liverpool. (Schriften d. Dtfch. Aus-
land-Inftituts, A. Kulturhift. Reihe, Bd. 3.) (VIII,
224 S.) gr. 8°. Stuttgart, Ausland u. Heimat Ver-
lags-A.-G. 1921. M. 12 —

So fehr die Bitterkeiten des Krieges unfer früheres
Intereffe gefchmälert haben, das wir an den Kulturbe-
wegungen anderer Völker zu nehmen pflegten, fo fehr
hat fleh andererfeits unfere Anteilnahme gefteigert für
unfere Landsleute, die in den uns feindlich gewordenen
Staaten lebten und dort im Kriege Schweres erdulden
mußten. Darum wird das feflelnde Bild, das der letzte
deutfehe Pfarrer der evangelifchen Kirche in Liverpool
im vorliegenden Buche entwirft, aufmerkfame Teilnahme
wecken auch über die Kreife hinaus, die zunächft an
diefer gefchichtlichen Rückfchau intereffiert find. Ein
wertvolles Stück deutfeher Kirchengefchichte, wie
es im Ausland fich abfpielte, zieht an unferen Blicken
vorüber.

Nach einer kurzen Überficht über die Gefchichte
Liverpools, die uns bereits vor etwa hundert Jahren das
Zuftrömen zahlreicher Deutfeher in diefe große englifche
Häfenftadt erkennen läßt, werden forgfam die Fäden
verfolgt, die dort feit 1839 zur Begründung der erften
deutfchen Gottesdienfte führten, an denen auch viele der
Liverpool berührenden deutlchen Seeleute und Auswanderer
teilgenommen haben. Nach nicht geringen An-
fangsfehwierigkeiten wurde für die auf etwa 2000 Seelen
gefchätzte deutfehe Kolonie durch einen Pfarrer der eng-
lifchen Staatskirche unter großen perfönlichen Geldopfern
ein regelmäßiger deutfeher Gottesdienft eingerichtet, an
dem fich allerdings nur die Arbeiterkreife beteiligten.
Von hier aus war es nicht mehr weit zur Gründung einer
eigenen Kirche, die am 27. Dezember 1846 erfolgte, als
jener Pfarrer eine geeignete Perfönlichkeit gefunden hatte,
die die Leitung der Gemeinde übernehmen konnte. Auf
längere Zeit blieb fo die Liverpooler Gemeinde ein Zweig
der englifchen Staatskirche, was auch in ihrer gottesdienft-
lichen Ordnung zutage trat. Das Erftarken der Gemeinde,
um die fich mehr und mehr nun auch die deutfchen
Kaufmannskreife der Stadt bekümmerten, führte mit der
Zeit zu ihrer Loslöfung von der englifchen Staatskirche
und zur immer ftärkeren Betonung ihrer deutfchen Eigenart
, zu deren Kräftigung die Begründung einer regelmäßigen
deutfchen Tagesfchule nicht wenig beitrug.

Auf den folgenden Blättern des Buches wird in
fpannender Weife an der Hand der urkundlichen Belege

die weitere äußere und innere Entwicklung der Gemeinde
durch die Jahrzehnte hindurch verfolgt, die auch mit den
anderen deutfchen Gemeinden Großbritanniens in manche
Beziehungen trat, bis der Blitzftrahl des Krieges jene
ftarke deutfehe Eiche, die auf fremdem Auslandsboden
erwachfen war, zerfchmetterte. Aber noch lebenskräftig
blieben ftarke Wurzeln im Boden haften. Daß aus ihnen
ein neues Reis erfprieße, das die alte rühmliche Gefchichte
der Liverpooler deutfchen Kirche für eine beffere Zukunft
weiterführe, ift die ftarke und begründete Hoffnung,
die die Lektüre des intereffanten Buches hinterläßt.
Dortmund. H. Goetz.

Reden zweig, Franz: Hegel und der Staat. I. Bd.: Lebens-
ftationen. II. Bd.: Weltepochen. Gedruckt m. Unterftützg.
d. Heidelb. Akad. d. Wiff. (XVI, 252 und VI, 260 S.) 8«.
München, R. Oldenburg 1920. M. 24—; geb. M. 28 —
Ein ungewöhnlich wertvolles Werk. Eine Arbeit, die
unmittelbar neben Diltheys ,Hegel' geftellt werden darf.
Der Titel müßte eigentlich lauten: Hegel als politifcher
Denker, entwicklungsgefchichtlich dargeftellt auf Grund
einer lückenlofen Verwertung des ganzen gedruckten und
ungedruckten Materials.

Durch ftrenge Konzentration auf fein Thema hat fich
der Verfaffer in die Lage verfetzt, feinen Gegenftand wie
einen Organismus aufwachfen zu laffen und die Hegelfche
Staatslehre von den erften Anfängen bis zur Vollendung
durch alle erreichbaren Stufen zu verfolgen. Es ift aus
diefer fchönen und notwendigen Arbeit eine vollftändige
Lebensgefchichte Hegels geworden — eine Lebensgefchich-
te, die, trotz ihrer eindrucksvollen Befchränkung auf das
im Titel hervorgehobene politifche Gebiet, nicht nur die
älteren grundlegenden Werke von Rofenkranz und Haym
überholt, fondern auch über Dilthey hinausführt. Der
Vorzug vor Rofenkranz und Haym beruht aul der Verbreiterung
und Vertiefung der analytifchen Grundlagen,
fowie auf der mufterhaften Anwendung der von Friedrich
Meinecke für diefes ganze Gebiet gefchaffenen fynoptifchen
Methode. Vor Dilthey hat diefe Arbeit voraus, daß fie
erftens den ganzen Hegel ableuchtet und zweitens an
einem neuen charakteriftifchen Leitfaden fortfehreitet.

Die Analyfe der Rechtsphilofophie bildet den Höhepunkt
des Werkes. Sie ift ein Mufter befchreibender und
erklärender Interpretation. Keine Paraphrafe, die über
die leichtverftändlichen Stücke berichtet und die fchwie-
rigen Partien durch Zitate umgeht, fondern eine gründliche
und eindringende Zergliederung, die ihr Objekt in
einen Inbegriff von Beziehungen verwandelt. Plato und
Ariftoteles, Montesquieu und Rouffeau, Kant und Fichte,
Savigny und Schleiermacher, römifches und germanifches
Recht, das preußifche Landrecht und der Code Napoleon
werden zur Verdeutlichung des Hegelfchen Standpunktes
aufgeboten. Und zwar nicht etwa im ornamentalen, fondern
im ftreng organifchen Sinne, das heißt auf Grund
ihres pofitiven und negativen Anteils am Aufbau der Hegelfchen
Staatsmetaphyfik. Das Ergebnis ift eine Charak-
teriftik des Hegelfchen Staates, die an Sachkenntnis und
Genauigkeit alle früheren übertrifft und die Hegelfche
Andacht zum Staat in einem wefentlich neuen Lichte er-
fcheinen läßt.

Durch diefe Vorzüge ift das Werk fo wichtig geworden,
daß hinfort jeder, der irgend eine Seite an Hegel erforfcht
oder darzuftellen hat, auf diefe Arbeit wird Bezug nehmen
müffen; denn es handelt fich hier um nichts Geringeres als
um ein neues Standwerk der Hegelforfchung, das vierte
nach Rofenkranz, Haym und Dilthey. Der Theologe und
Religionsphilofoph wird faft in jedem Kapitel Dinge finden,
die ihn im engeren Sinne angehen, vor allem die grundlegenden
Auffchlüffe über das allmähliche Werden des erft nach
langen inneren Kämpfen und Auseinanderfetzungen hervortretenden
Bekenntnifles zur Abfolutheit des Chriften-
tums. Sehr lehrreich und wichtig find auch die Mittei-