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Ausgabe:

1921

Spalte:

305-306

Autor/Hrsg.:

Meyer, Wilh. Gust. Adolf

Titel/Untertitel:

Gedanken und Bemerkungen zum Heidelberger Katechismus. Ein Hilfsbuch für den Unterricht 1921

Rezensent:

Smend, Julius

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30S

Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 23/24.

306

Recht, daß mit dem perfonalen Walten Gottes das Wunder
gegeben ift. Die Ausführungen würden gewonnen haben,
wenn fie mehr erkenntnistheoretifch als metaphyfifch angelegt
wären. Die Gefetzmäßigkeit der Welt erfcheint
bei G. als ein Ideal, das bis jetzt noch nicht erreicht ift,
aber durch Wunderhilfen Gottes erreicht werden foll.
Dann aber tritt als höchftes Ziel die dem gefetzlichen
Handeln überlegene Freiheit der Kinder Gottes auf. Richtiger
hätte die erkenntnistheoretifche Betrachtung von vornherein
zeigen follen, daß in allem Einmaligen, Perfönlichen,
Befonderen fchon die philofophifche Betrachtung einen
Faktor fehen muß, der fich gefetzlich nicht faffen läßt.
Damit ift ein Analogon zu dem rein religiös zu begründenden
Glauben an das irrationale, dem Weltgefchehen
überlegene Walten Gottes gegeben.

Bafel. J. Wendland.

Weltsch, Felix: Gnade und Freiheit. Untersuchgn. zum
Problem des schöpferischen Willens in Religion und
Ethik. (157 S.) gr. 8°. München. K. Wolff Verlag
1920. M. 12—; geb. M. 16—

Weltsch will an die Stelle der Religion der Gnade
die Religion der fchöpferifchen Freiheit fetzen. Er meint,
daß der Glaube an Gottes Gnade konfequent zum Quietis-
mus führe. Ja er überfpannt die Kritik der Gnadenreligion
fogar dahin: bei ihr gebe es eigentlich gar kein
Werden, weil in Gott bereits alle Ziele der Welt verwirklicht
feien. An die Stelle der transcendenten Gnade
Gottes fetzt er den Vorgang, auf den der Menfch sich
durch angespanntes Wollen vorbereiten kann, wie die
katholifche Theologie auf den Empfang der Gnade: im
Unterbewußtfein Angefammeltes bricht mehr oder weniger
plötzlich in vollfter Wirklichkeit hervor. Aber ob diefer
Vorgang eintritt, ift niemals ficher. W. rühmt bei feiner
Auffaffung: die volle Verantwortung, ob das Weltziel erreicht
wird, wird dem Menschen aufgebürdet, der fomit
die Stelle der Vorfehung einnimmt und den in feiner
Seele unbewußt fchlummernden Gotterlöfer nun zum
vollendeten Gott des Zieles ausgeftalten foll. Die Kritik
diefer Religion fleht im Grunde in dem Buche felbft:
,Der Freiheitsgläubige aber kennt keine Ruhe, keinen
Frieden, keine Sicherheit. Er weiß nie, ob es gelingen
wird.' (S. 115.) Hier tritt die denkbar ftärkfte anthro-
pozentrifche Religion auf, die alles Transcendente erft durch
die Kraft des Glaubens geschaffen werden läßt. Die Stärke
von W. liegt in pfyfchologischen Erörterungen. Aber die
durchgängige Pfychologifierung der Religion hebt trotz
einiger feiner Bemerkungen die Religion felber auf. W.,
der felber im Judentum wurzelt, findet im Talmud und
bei jüdifchen Denkern feinen Freiheitsglauben begründet.
Naturgemäß hat er mehr Sympathie mit katholifchen
Theologen als mit den Reformatoren. Daß die vollendete
Religion der Gnade die fchöpferifche Freiheit nicht aufhebt
fondern herftellt, dies Myfterium der Religion bleibt
ihm verborgen.
Bafel. J. Wendland.

b ö r r i b s, Beruh., Paft. D.: Erklärung des kleinen Katechismus D. Martin

Luthers. Ein Beitrag z. Reform d. Katechismusunterrichts. 2. Tl.:
Der Glaube. 6. neubearb. Aufl. (II, 278 S.) gr. 8°. Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht 1920. M. 15—; geb. M. 21 —

Die zunehmende Zahl der Auflagen beweift beffer als jedes empfehlende
Wort den Wert und die Bedeutung diefes Buches. Viele
Pfarrer und Lehrer haben von dem Verfaffer dankbar gelernt. Ich
kann mich hier auf einen kurzen Hinweis befchrünken. Wie ich grundsätzlich
den kleinen Katechismus Luthers beurteile, habe ich zufammen-
faffend in meinem Beitrag zur .Harnack-Ehrung' (S. 268—280) dargelegt,
die praktil'chen Folgerungen, in denen ich mich zum Teil mit Dörries
eins weiß, hoffe ich demnächft einheitlieh darftellen zu können.
Frankfurt a. Main. W. Bornemann.

Meyer, Wilh. Guft. Adolf: Gedanken u. Bemerkungen zum
Heidelberger Katechismus. Ein Hilfsbuch f. d. Unterricht.
(247 S.) gr. 8°. Gießen, v. Münchows Univ.-Druckerei
1921. M. 40 —

Das Niebergall gewidmeteBuch behandelt den Heidelb.
Kat. refolut vom Standpunkte modern kritifcher Theologie,
fcheidet aus, was heute unannehmbar, und deutet um,
was relativ brauchbar fcheint. Gleichwohl werden alle
Bedenken gegen die Verwendung des Katechismus als
populären Syftems chriftlicher Lehre kurzerhand abge-
wiefen. Der Verf. möchte wohl denen, die unter dem
Zwange kirchl. Vorfchrift flehen, durch eine reiche Bei-
fteuer aus dem Schatze unfrer Dichter und Denker bis
hin zu Schopenhauer, Börne, Seume willkommene Hilfe
leiden. Die frommen alten Herren von 1563 nehmen fich
aber in diefer Gefellfchaft etwas unglücklich aus. Über
diefen Eindruck helfen uns auch Meyers vortreffliche
Winke und-Ratfchläge, felbd die im Anfchluß an bede
Autoritäten gegebenen biographifchen Beiträge, leider
nicht hinweg.

Münder i. W. J. Smend.

Thoma, Hans: Biblische Geschichten in alemannischer Mundart erzählt
. (57 S. m. 7 Vollbildern v. H. Thoma.) kl. 8°. Gotha,
F.A.Perthes [1920]. M. 12 —

Hans Thoma fchenkt uns mit diefem Büchlein feine Bibel, die
Gefchichten, aus denen fleh feine Seele genährt, die er immer wieder
angefchaut, durchdacht, durchlebt, gemalt hat. Er erzählt fie fo —
genau fo, wie fie fich in feinem Geift gefpiegelt, in feinem Auge gefärbt
, in feinem Mund fprachlich geformt haben. Wer Thoma je fprechen
gehört hat, der vernimmt feine Stimme, feine Sprechweife in jedem Satz
diefer biblifchen Gefchichten. Naiv und treuherzig — Charaktereigen-
fchaften alemannifcher Mundart — erzählt der Meifter, wie wenn er
Kinder vor fich hätte. Meift ichließt er fich eng der biblifchen Erzählung
an; aber ähnlich wie Hebel geflaltet er zuweilen auch ganz frei
und flicht dann und wann Bemerkungen ein, in denen feine fromme,
tieffinnige, künftlerifche Lebens- und Weltbetrachtung zum Ausdruck
kommt. Wir nehmen diele Gabe mit herzlichem Dank aus den Händen
des greifen Meifters.

Heidelberg. Otto Frommel.

Jahrbuch des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht.

II. Jahrgang (219 S. und 1 Tafel) Lex. 8°. Berlin,
E. S. Mittler & Sohn 1920. M. 18.—; geb. M. 23.—
Das Jahrbuch' ftellt die Fortfetzung des Jahrbuchs
der Preußifchen Auskunftsftelle für Schulwefen' dar, das
kurz vor Ausbruch des Krieges erfchien. Inzwifchen ift
(am 21. III. 1915) das Zentral-Inftitut für Erziehung und
Unterricht ins Leben getreten, das mit der Auskunftsftelle
in Arbeitsgemeinfchaft feeht und daher auch das Jahrbuch
' übernommen hat.

Der hier vorliegende, gut ausgeftattete und forgfältig
redigierte Band enthält zunächft den fehr intereffanten
und für die Berliner Bildungsgefchichte wertvollen
Arbeitsbericht des Zentral-Inftituts von 1915—1918. Wir
hören von der Begründung, dem Ausbau und der Tätigkeit
des Zentral - Inftituts nach den verfchiedenen
Richtungen (Pädagogifche Abteilung; Ausftellungs-Abteilung
; Bildftelle; Zentrale für Volksbücherei; Auskunftsabteilung
; Hauptftelle für den naturwiffenfehaftlichen
Unterricht). Es folgt ein Auffatz aus der Feder von
Profeffor Rudolf Lehmann (Breslau) über die pädagogifche
Bewegung im Beginn des 20. Jahrhunderts, in
dem die Individual-Pädagogik, die Probleme der Sozial-
und Moral-Pädagogik, die Probleme der ftaatsbürgerlichen
Erziehung, der Arbeitsfchule in knappen Zügen treffend
charakterifiert werden. Die Betrachtung fchließt mit
Ausführungen über das Verhältnis von Pädagogik und
Pfychologie und die Einheitsfchule. Sachfe berichtet fo-
dann über den bisherigen Aufbau der Schulbehörden in
den deutfehen Bundesftaaten, wobei mancherlei wertvolles
Material im einzelnen geboten wird, allerdings alles nach
dem Stande der Dinge im Oktober 1918. So ift denn
freilich vieles veraltet. Menzel (Minifterialrat in Berlin)
fchreibt über die gegenwärtige Lage des Volksfchul-
wefens in Deutfchland. Das Manufkript ift imDezember 1919
abgefchloffen. So kann Menzel manche Ergänzung und
Berichtigung zu Sachfens Darlegungen bringen. Ziert-
mann (Landesgewerberat in Berlin) hat die Berichte der
früher ins Ausland entfandten deutfehen Stipendiaten und