Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1921

Spalte:

295

Autor/Hrsg.:

Falb, Alfred

Titel/Untertitel:

Luther und die Juden 1921

Rezensent:

Köhler, Walther

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

295

296

man in erfter Linie an die Verbindung mit Einrichtungen
und VorHellungen, die in den germanifchen Reichen be-
ftanden. Es kann fogar die Frage offen gelaffen werden,
ob es fich um fpezififch germanifche Elemente handelt.
Man begnügt fich mit der Feftftellung der Tatfache, daß
auf germanifchem Boden diefe neue Verbindung beobachtet
werden kann, alfo mit der Feftftellung einer .zufälligen
' Tatfache der Gefchichte. In diefer Befchränkung
würde auch ich von einer Germanifierung fprechen können.
Was jedoch darüber hinausgeht, erfcheint mir in einem
reichlich dämmerigen Licht. Vor allem wage ich nicht,
mit jener Beftimmtheit und Ausfchließlichkeit, die Seebergs
DG kennzeichnet, die Reformation mit der germanifchen
Seelenftellung zu verknüpfen. Doch ich unterdrücke
die nicht wenigen Einwände, die gemacht werden
könnten. Sie würden fchon deswegen hier nicht am Platze
cl fein, weil fie fchließlich einer Gefamt^uffaffung von großen
Ideenkomplexen mit ihren Schöpfern und Trägern gegen-
überftehen würden. Und Gefamtanfchauüngen können
nicht durch kritifche Bemerkungen einer Anzeige widerlegt
oder erfchüttert werden. Mir liegt darum hier nur
daran, einer in der Literatur fchon vorhandenen Mißdeutung
der Annahme Seebergs entgegenzutreten, und auf ihren
Zufammenhang mit feiner Gefamtanfchauung hinzuweifen.
Ich für meine Perlon würde weniger oft und weniger
beftimmt von ,Notwendigkeiten' reden. Ich würde auch
nicht mit der Sicherheit Seebergs diefer oder jener Völkerwelt
die charakteriftifchen Aufgaben religiöfer Typenbildung
zuweifen. Ich fürchte auch, daß Seebergs An-
fchauung von der Notwendigkeit der Entwicklung und
Feftftellungen trotz den Einfchränkungen, die er felbft
macht, dazu verleiten könnte, den Ergebniffen mehr .innere
Vernunft' und darum auch Geltung zuzuerkennen' als die
nun einmal mit allerlei .Zufälligkeiten' belaftete Gefchichte
zuläßt. Wenn auch Seeberg vom Pofitivismus weit genug
entfernt ift, und wenn auch die von ihm angenommene
Notwendigkeit fchließlich relativ bleibt, gemeffen fein will
an den jeweilig vorhandenen Zuftänden und den unter
ihnen handelnden Menfchen, fo ift doch die Gefahr einer
Mißdeutung nicht gering. Und ich möchte fogar meinen,
daß Seeberg felbft die innere Logik ftärker herausarbeitet
als der Gegenftand verträgt. Ich verkenne aber nicht,
daß er mit feinem Verfahren der gefchichtlichen Darfteilung
die Objektivität, der Entwicklung die aus der Lage
herauswachfende Würdigung fichern und fie davor bewahren
will, dogmatifch oder fubjektiv gemeiftert zu
werden.

Tübingen. Otto Scheel.

Doktor Martin Luther. Schlichte Bilder aus einem großen Leben. Zum
18. April 1921 dem Jubeltage von Worms, dem deutfeh-evang. Volke
gewidmet von Generalfup. D. Hans Schöttler. (32 S.) l6°. Berlin, L.
Simion Nil. 1920. M. 1.25 —

Die kleine Schrift hat manche Vorzüge vor ihresgleichen. Nicht
nur Erwähnung fonft weniger bekannter Einzelheiten, nicht nur knappe
und bündige Form, fondern vor allem die kurze aber rechte Würdigung
der einzelnen Momente für Luthers Werdegang und ihre ungezwungene
Beziehungfetzung zur Gegenwart. Damit foll nicht gefagt fein, daß nun
jeder der knappen Überfchriften ohne weiteres zuzuflimmen wäre;
auch foll nicht verfchwiegen fein, daß die Auslaffung mancher Einzelheit
(S. 12 und 17) der ganzen Haltung des Büchleins nur genützt hätte.
Warum ift die Romreife nicht gewürdigt worden?

Alfeld. Schornbaum.

Falb, Dr. Alfred-. Luther und die Juden. (Deutfchlands führende
Männer u. das Judentum, Bd. IV.) (87 S.) 8°. München, Deutfcher
Volksverlag 1921. M. 6—

Eine antifemitifche politifche Tendcnzfchrift, die mit der theolo-
gifchen Wiffenfchaft nichts zu fchaften hat. Luther wird ganz tendenziös
ausgcfchlachtet, der Ablaßhandel als Wertpapierhandel foll jüdifchen
Urfprungs, Jefus ein Arier fein und dgl. mehr. Darüber ift kein Wort
zu verlieren (wer fich für Näheres intereffiert, lefe W. Walther in der
Allgem. luth. Kirchenzeitung 1921 Nr. 9 ff.)
Zürich. W. Kohl er.

Cochlaeus, Johannes, Adversus cucullatum Minotaurum
Wittenbergenfem. De facramentorum gratia Herum.

Hrsg. v. D. Dr. Jofeph Schweizer. (Corpus Catho-
licorum. 3.) (VII, 66 S.) Lex, 8°. Münfter, Afchen-
dorf 1920. M. 10— Subfkr.-Preis M. 8.—

Für die Veröffentlichungen des Corpus Catholicorum
ift von vornherein eine Lifte von außergewöhnlich großer
Ausdehnung aufgeftellt worden. Die erfte Publikation
erfchien noch unter dem Namen des verftorbenen Begründers
, die dritte ift die obige. Ihr Verfaffer hat fich
als forgfältiger Arbeiter auf dem Gebiete, dem auch die
jetzige Schrift angehört, durch die Schrift über Lancelotto
Politi 1910 bekannt gemacht. Hier legt er eine
frühe aber minder bekannte Streitfchrift des Cochlaeus
gegen Luther vor und verfieht fie mit erklärenden Anmerkungen
, die freilich manche Frage ungelöft laffen,
z. B. ob in dem cucullatus' eine Anfpielung auf den
Kuckuck (wozu Schweizer zu neigen fcheint) oder aut
die Mönchstracht, wie fie Luther damals noch trug, zu
fuchen ift. Dem Wortlaut der beiden alten Ausgaben,
der Koelner und Straßburg-Tübingen, ift Rechnung getragen
durch Collation unter dem Text. Derartige zu-
verläffige Neudrucke zahlreichei Schriften von Gegnern
Luthers find es, die wir nötig haben, um den literarifchen
Kampf der Zeit in feinem Umfange zu würdigen.
Königsberg. Benrath.

Köhler, Walter: Huldrych Zwingiis Bibliothek. (Neujahrsblatt
zum Bellen des Waifenhaufes Zürich.) (34 und
51 S. und 1 Abb.) Lex. 8°. Zürich, Beer & Co. in
Komm. 1921. Fr. 4.80

Im Anfchluß an die von dem allzufrüh (1890) verftorbenen
J. M. Ufteri veranHalteten und in einer überaus
verdienftvollen umfangreichen Abhandlung ,Initia Zwingiii'
veröffentlichten Forfchungen hat der um die Zwingli-
forfchung in jüngfter Zeit fehr erfolgreich bemühte Züricher
Kirchenhiftoriker der Nachforfchung über die von
Zwingli gekauften, benutzten ufw. Bücher feine ganz be-
fondere Aufmerkfamkeit zugewendet und veröffentlicht nun
in dem für die allgemeine Kenntnisnahme in Zürich be-
ltimmten Blatt das Ergebnis feiner fehr eingehenden
Unterfuchungen. Die Schrift zerfällt in zwei Teile, deren
erfter in fortlaufendem Text eine umfaffende Darftellung
diefes Ergebniffes, deren zweiter einen Katalog von Zwingiis
Bibliothek enthält und zwar 1. der Schriften, ,die Zwingli
nachweislich gekannt und benutzt hat' (Nr. 1—323), 2.
der Schriften, ,von denen Zwingli Kenntnis hat, deren
Ifinfichtnahme durch ihn aber nicht nachweisbar ist'
(Nr. 324—410), 3. der Manulkripte, die ,Zwingli zugefandt
worden find und die er benutzte' (Nr. 411—438), 4.
von Schriften, die Zwingli nachweislich nicht gekannt hat
(Nr. 439—443) und .Exemplare dem Reformator bebekannter
Schriften, die nicht aus feinem Befitz Hammen'
(Nr. 444—447), wozu noch ein Anhang kommt über
Bücher aus den Bibliotheken der IVeunde Zwinglis und
,über von Zwingli verliehene oder verfchenkte Bücher und
Schriften'.

Köhlers Arbeit gewährt fo nicht bloß einen klaren
und überaus forgfältig und mühevoll ausgearbeiteten
Einblick in die Bibliothek Zwinglis, fondern verbindet mit
diefer Einführung in die Kenntnis der von Zwingli gekannten
und benutzten Literatur auch eine ganz befonders
dankenswerte Darflellung des Betriebes im Buchgewerbe
im Beginn der Reformationszeit nach feinen verfchiedenen
Seiten bis auf die HerHellung der Bucheinbände hinaus.
So hat die Schrift eine über die Perfönlichkeit des Reformators
und fein Werk weit ausgreifende kulturhiHorifche
Bedeutung, die unfere befondere Anerkennung verdient.

Im Einzelnen mochte ich folgendes bemerken:

1. Zu S. 11 Anm. 12: Meine Äußerung, daß für Zwingli das fcho-
laftifchc Studium nur ein pathologifches Intereffe gehabt habe, fchließt,
wie ich in meiner Theologie Zwinglis ausdrücklich dargeftellt habe, nicht
aus, daß fich Zwingli fehr eingehend mit Thomas von Aquins und Duns
Scotus befchäftigt hat, fondern betrifft nur fein .Schlußurteil über die
Scholaftik,

2. Zu S. u Anm. 18: Das Lrteil Ufteris über die Bedeutung der