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Ausgabe:

1921 Nr. 2

Spalte:

293

Autor/Hrsg.:

Dimmler, Emil

Titel/Untertitel:

Franz von Assisi 1921

Rezensent:

Lempp, Eduard

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293

Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 23/24.

294

Ochino (1919 S. 209 ff.) Wertvoll find namentlich auch die Buchbe-
fprechungen und die genauen Regifter am Schluß der Jahrgänge.
Stuttgart. Ed. Lempp.

Dimmler,Emil: Franz von AITiA. (Eine Sammlung v. Zeit- u. Lebensbildern
. 1. Bd.) (72 S. m. 2 Kartenfkizzen.) 8". M. Gladbach, Volksvereins
-Verlag 1920. M, 2.40
Die Sammlung von Zeit- und Lebensbildern, welche der rührige
Volksvereinsverlag in M. Gladbach ausgehenläßt, um Führer des Volks
zu gewinnen, wird eröffnet durch ein Lebensbild von Franz von Affifi. Über
dielen Heiligen i(t ja freilich jetzt kaum mehr etwas zu fagen, was nicht
fchon von andern gefagt wäre. Das Büchlein erhebt wohl auch nicht
den Anfpruch, neue wiffenfehaftliche Erkenntniffe zu bringen: es fußt
ganz auf den neuern katholifchen Arbeiten, befonders denen von Schnürer
und Jürgenfen, ohne aber in das Romanhafte der letzteren zu fallen.
Der Zweck liegt darin, dem modernen Menfchen den Heiligen des 13. Jahrhunderts
nahe zu bringen und ihn als einen der betten .Führer des Volks'
aufzuzeigen. Es wird daher das, was dem modernen Menfchen anftößig
oder ungenießbar iß, befonders die Wunder, möglichft bei Seite gelaffcn,
dagegen die Kämpfe der Entwicklung — natürlich vom katholifchen Standpunkt
aus — nicht verfchwiegen, fondern erklärt Ob Franz fclbft mit
dem einvet(landen gewefen wäre, was hier befonders über feine Auffaf-
fung der Armut und feine Stellung zu ihr gefagt iß, kann bezweifelt
werden. Aber das Büchlein iß gefchickt gefchrieben und wird gewiß
feinem Zweck entfprechen.

Stuttgart. Ed. Lempp.

Legenden, Märchen, Gefchichten, Parabeln und Fabeln des Mittelalters
aus den Geßa Romanorum ausgew. u. in deutfeher Übertr. mit Einl.
u. Anm. hrsg. von Prof. Dr. O. Hell inghaus. (XV, 237 S.) kl. 8".
Regensburg, G. J. Manz 1921. M. 12—; geb. M. 18 —

Neben dem prächtigen Neudruck der vollßändigen überfetzung
von Grüße, womit uns der Infelverlag vor kurzem erfreute, wird auch diefe
kleine, zunächß aus kulturgefchichtlichem Gefichtspunkt getroffene Auswahl
aus den Geßa Romanorum ihren Weg machen. H. hat Gräffes Arbeit
zugrunde gelegt, aber vielfach an der Hand des Urtextes Verbeffert, Längen
und Moralifationen befeitigt und bei alledem den fchlichten und doch fo
eindringlichen Ton des Werkes glücklich gewahrt. Auch feine Auswahl iß
im ganzen gut zu heißen; ein Stück wie Nr. 86, dem heutigen Lefcr fchlecht-
weg unverdaulich, mag immerhin die Gedankenbahnen mal. Frömmigkeit
verdeutlichen. Sehr erwünfeht, auch für den Forfcher, iß die kurze
Einleitung über Gefchichte und Verfafferfrage, Quellen, Überlieferung
und Bedeutung der Geßa, fowie die knappen, aber zuverläffigen Anmerkungen
zu einzelnen Stellen, die von der ausgebreiteten Bclefenhcit
und gründlichen Sachkenntnis des Bearbeiters zeugen. Bisweilen find
fie freilich durch ihre Knappheit mißverßändlich, z. B. auf S. 5. Wenn
der Vater des h. Alexius ihm in feinem Haufe .einen befonderen Platz'
anweiß, ihm Speife von feiner Tafel und einen eigenen Diener dazu
gibt, fo iß eben nicht der Platz .unter einer Treppe' gemeint, wie in
andern, befonders poetifchen Bearbeitungen der Legende!

Hamburg. Robert Petfch.

Seeberg, Reinhold: Lehrbuch der Dogmengefchichte. 2. u. 3.

durchweg neu ausgearb. Auflage, gr. 8°. 3. Band (XX,
6715.) M. 66 — ; 4. Band, 1. Abt. (XII, 393 S.) M. 10.50;
4. Band, 2. Abt. (608 S.) M. 60—. Leipzig, A.
Deichert.

Seebergs Dogmengefchichte liegt jetzt in einer neuen,
gründlich durchgearbeiteten Auflage vor. Den Aufriß
diefes umfangreichen Werkes hier vorzuführen ift ebenlo
wenig möglich wie zu Einzelheiten der Abfchnitte Stellung
zu nehmen. Nicht Anzeigen werden dem unermüdlichen
Verfaffer den Dank für feine Arbeit bringen, fondern die
gewiffenhafte Befchäftigung mit feinem Werk, das in der
Gefchichte der deutfehen Dogmengefchichtsfchreibung ftets
mit Ehren genannt werden wird; auch dann, wenn die
Spezialforfchung von den Ergebniffen fleh entfernt, die
Seeberg vorgelegt hat. Ich könnte zu manchen Punkten,
die nicht bloß das gelehrte Spezialiftentum berühren,
meine Fragezeichen machen und fahe gern manches
anders dargeftellt, glaube auch, gute Gründe für foiche
Wünfche zu haben. Es widerftrebt mir aber, gegenüber
einer fo gefchloffenen Gefamtleiftung.wieSeebergsDogmengefchichte
es ift, mit Rezenfentenbemerkungen hervorzutreten
. Auch zu feiner Anfchauung von der Aufgabe
und dem Ziel der Dogmengefchichte brauche ich nicht
das Wort zu nehmen. Das ift vor Jahren ausführlich in
einem Auffatz der Theologifchen Rundfchau über Still-
ftand und Fortichritte der neueren Dogmengefchichtsfchreibung
gefchehen. Was ich damals ausgeführt habe,
könnte ich heute nur wiederholen. Räumt man aber

Seeberg die Vorausfetzung ein, fo darf man feftftellen,
daß die Ausführung gefchloffen und lebendig zugleich
ift. Der Verfaffer verliert fleh nicht in Einzelheiten, fo
groß auch die Fülle des Einzelnen ift, fondern hält die
Fäden, wie er fie gefunden hat, feft in der Hand und
führt auf plaftifch gefchaute Grundtatfachen des religiöfen
Lebens und feiner Verknüpfung mit der gefchichtlichen
Umwelt hin.

Darum liebt es Seeberg auch, die Notwendigkeit des
dogmengefchichtlichen Verlaufs zu betonen. Natürlich
weiß er, daß die Notwendigkeit, die er glaubt feftftellen
zu müffen, weder eine logifch zwingende noch eine gleichkam
naturgefetzliche Notwendigkeit ift. Aber fo feft gegründet
ift doch feine Überzeugung von der Notwendigkeit
innerhalb der dogmengefchichtlichen Entwicklung,
daß er gern die Aufmerkfamkeit darauf lenkt. Auch in
der Charakteriftik der Konkordienformel fpricht er davon.
Ich glaube kaum, daß eine der vorhandenen Darftellungen
der DG diefen Gefichtspunkt fo ftark hervorhebt. Er
wurzelt in Seebergs Anfchauung von dem, was die Grundlage
der DG ift: die Anfchauung von der erlöfenden
Gottesherrfchaft oder der Gedankenkomplex der Buße
mit der in ihm enthaltenen Fülle von Problemen und der
theologifche Gefichtspunkt des Reiches Gottes mit den
in ihm befchloffenen Fragen. Da beides mit einer be-
ftimmten gefchichtlichen Umwelt in Verbindung tritt, fo
gibt es keine zufällig oder willkürlich in der DG aufgeworfenen
Probleme. Sie wachfen mit innerer Notwendigkeit
aus dem Wefen der chriftlichen Religion fowie
aus der Art und den Bedürfniffen des menfehlichen Geiftes'
heraus.

Plier liegt auch, glaube ich, die Erklärung für die
nicht wenigen befremdliche Anfchauung, die Entwicklung
auf feelifche Anlagen eines Volkes oder einer Raffe zurückzuführen
, fo wenn der Katholizismus von der lateinifchen
Seelenanlage her verftändlich gemacht werden foll, oder
die Reformation aus der germanifchen bzw. deutfehen
Seelenftellung Luthers. Diefe Anfchauung tritt nicht bloß
in einigen Betrachtungen hervor, fondern geht durch das
Ganze hindurch und taucht an manchen Stellen wenigftens
dem unvermutet auf, der fich noch nicht in fie verfenkt
hat oder noch nicht fich ganz zum Bewußtfein gebracht
hat. wie viel Seeberg gerade an diefer Betrachtung liegt.
Wenn er auch in der Melanchthonifchen Umbildung der
Rechtfertigungslehre das eigentümliche intellektuelle Bedürfnis
der deutfehen Seele nach einer befonderen Ver-
ficherung der Sündenvergebung entdeckt, fo zeigt dies
immerhin, daß er nicht eine bloß nebenher begleitende
Betrachtung hat vorlegen wollen, fondern ein wefentliches
Element feiner Gefamtanfchauung vom Verlauf der dogmen-
gelchichtlichen Entwicklung und der in ihr erfolgten religiöfen
Typenbildung.

Mit irgendwelchem deutfehen Chauvinismus oder
Nationalismus hat dies garnichts zu fchaffen. Vollends
darf man darin nicht eine Wirkung des Weltkrieges erblicken
, wie gefchehen ift. Vor diefem Irrtum hätte fchon
die Tatfache bewahren können, daß Seeberg vor dem
Ausbruch des Weltkrieges im dritten, das Mittelalter
behandelnden Band feine Thefe vom Germanismus in der
DG deutlich und beftimmt genug entwickelt hatte. Ich
wage freilich nicht, Seeberg auf dies Gebiet zu folgen.
Wohl kann man mit gewiffen Vorbehalten von einer
Germanifierung des Chriltentums lprechen, wie man von
einer Hellenifierung gefprochen hat. Aber mit dem Satz
von der Hellenifierung füllen doch nur einige wenige
Probleme der alten Dogmengefchichte beleuchtet werden.
Neben der Hellenifierung fleht die Judaifierung', um mit
einem kurzen Schlagwort die Umbildung des Urchriften-
tums in den Frühkatholizismus zu zeichnen. Und bis zu
einer hellenifchen Seelenftellung greift der Satz von der
Hellenifierung nicht zurück. Und wenn, wie in der Gefchichte
des frühmittelalterlichen Chriftentums, von einer
Germanifierung des Chriftentums gefprochen wird, fo denkt