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Ausgabe:

1921 Nr. 2

Spalte:

289-290

Autor/Hrsg.:

König, Eduard

Titel/Untertitel:

Moderne Vergewaltigung des Alten Testaments 1921

Rezensent:

Nowack, Wilhelm

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Seite 1

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289 Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 23/24. 290

vom Alten Teftament nirgend, weil von feinem Gewiffen
ftets gebunden fühlte. In dem allen hat Delitzlfch
Recht. Das führt nun aber längft nicht zur Verwerfung
des Alten Teftaments. Gegenüber dem asketifchen Zuge,
der das N. T. durchzieht und das fich aus dem Glauben
an das nahe Ende erklärt, hat die — von Delitzfch zu
Unrecht fo getadelte — Diesfeitigkeit der israelitifchen

gründet darzuftellen. Kürzer und freundlicher ift die Abrechnung
, die Weinheimer erfährt, der Königs Gegen-
fchrift gegen Delitzfch in der Monatsfchrift Wurfters für
Paftoraltheologie befprochen hatte (1920, S. 36). Es ift
unmöglich, hier im einzelnen Königs Verteidigung darzulegen
, es tut auch nicht not, da der Standpunkt von
K. ja aus feinen zahlreichen Publikationen bekannt ift:

Religion, der er es vorwirft, daß fich bei ihr die alttefta- j wie in feinen anderen Brofchüren tritt auch hier Gelehr-
mentlichen Frommen z. B. ein Hizkia vor dem Tode fürchte- famkeit und Scharffinn hervor, nur ift es weniger der des
ten(S.4i Anm.), auch für unfere Gemeinden noch ihre Be- Hiftorikers, als vielmehr der des Advokaten. So erklärt
deutung; fie bietet ihnen ein gefundes Gegengewicht. Es fich die Tatfache, daß feine Arbeiten vielleicht feine Freunde
liegt nicht fo, daß alles von den Juden kommt, darum 1 ,ftärken', aber nur feiten feine Gegner überzeugen, weil

'heilig' und gut ift, aber auch nicht fo, daß alles von ihnen
fchlecht und verwerflich fcheint. Es gilt .prüfet alles und
das Befte behaltet'. Das hat die wiffenfchaftliche Theologie
längft erkannt und beherzigt. Ja, fie ift über Delitzfch
fchonweit hinausgefchritten, der hauptfächlich noch immer

er nur fchwer zur vollen Würdigung der gegnerifchen
Gründe kommt.

Ich greife nur ein Beifpiel heraus. S. 6 gibt auch K. zu, daß die
ifrael. Überlieferung fagenhafte Elemente enthält, aber das feien nur
Ncbenfchößlinge oder Ranken und alle Quellenkritik muffe ,bei dem
! Urteil flehen bleiben, das fie in dem gemeinsamen Inhalt der Quellen

gegen die Infpiration und, was mit ihr zufammenhangt, an- j ihrc Grenze befitzl._ 'Es jrt ieicht einzuleben, daß diefcr Grundfatz nur
kämpft. Sie weiß wohl, daß die alte Kirche ohne das unter der Vorausfetzung gelten kann, daß dicfe Quellen von einander
verbindende Band der heiligen Schriften des Alten Te- I unabhängig find, nicht aber dann, wenn der Nachweis zu erbringen ift,

ftaments (wenn auch in der LXX Überfetzung) garnicht
zuftande gekommen wäre. Ein neues Teftament gab
es eben noch nicht. — Aber das follte eine überholte
Stufe fein. Das Chriftentum finkt wahrlich mit dem Alten
Teftament nicht dahin. Aber der Gemeinde würden durch
das Fortfallen der Berührung mit der wahren Frömmigkeit
, wie fie aus fo vielen fchönen Liedern und Worten
des A. T. entgegenfchallt, manche Quellen religiöfer Erbauung
genommen. Hiermit hängt nun aber auch
die Frage des hebräifchen Studiums der evang. Theologen
zufammen. Wollen fie — und das wird ihre Pflicht
bleiben — der Gemeinde auch das dauernde religiöfe
Gut im A. T. erfchließen, fo heißt es für fie doch ,ad
Pontes'. Daß dabei der Betrieb mittels a. t-Vorlefungen
änderungsbedürftig ift, wird kein Verftändiger leugnen.
Mehr Gelchichte, Religionsgefchichte, Literaturgefchichte,
mehr Leben und weniger philologifcher Kleinkram. Wenn
die Studenten fo das ewige religiöfe Gut von dem zeitliche
nund befchränkten Icheiden lernen, fich von dem
wirklichen Leben der Frommen Israels berühren laffen,
werden fie auch im Stande fein, das A. T. für Kirche
und Schule recht auszumünzen. Gibt das Vorgehn von
Delitzfch dazu den Anftoß, fo dürfte es trotz feiner
Übertreibungen doch noch von Nutzen fein. Schließlich
verbittet fich Delitzfch, daß ich ihm Themata z. B. Behandlung
der Meffe und Verföhnungslehre geftellt habe.
Für folche Themata fei noch nicht die Bahn frei gemacht.
Mit Verlaub, fie ift längft frei, nur daß er kaum der Mann
ift, fie zu behandeln. Und doch zeigt fich gerade hier,
wie der aus jüdifchen Einrichtungen und Anlchauungen
fließende Strom mit breiten Wellen in die Kirche eiffzog
und einzieht. Umfafiender und in viel wiffenfchaftlicherer
Weife muß das von Delitzfch gegebene Problem behandelt
werden, das zeigen gerade diefe Tatfachen. —
Bonn. Meinhold.

daß Abhängigkeit der einen von der andern vorliegt. Und läßt fich in
der Tat mit Recht behaupten, daß die Differenzen in der Überlieferung
fich nur auf Nebenpunkte, nicht aber auf die Ilauptfache beziehen?
Ich brauche nur an die Kulturgefchichte oder an die ältere oder jüngere
Gefcliichtsüberlieferung zu erinnern, um das Gewagte der Behauptungen
Königs jedem zum Bewußtfein zu bringen.

K.s ausführliche Widerlegung des Vorwurfs, daß er für das Vorgehen
von Delitzfch verantwortlich fei, fcheint mir auf einem Mißver-
ftändnis Gunkels zu-beruhen: letzterer hat wohl kaum etwas anderes
fagen wollen, als daß die extreme Stellung von Delitzfch dem A, T.
gegenüber wefentlich veranlaßt ift durch die Tatfache, daß man es ver-
fäumt hat, unfere Jugend in ein gefchichtl. Verftändnis des A. T. einzuführen
. Die Tatfache, daß man dabei blieb, in den von der Synagoge
überkommenen Schriften des A. T. das Jautere Gotteswort' zu fehen,
verführt, ohne daß man es will, die Kinder unferer Zeit dazu, das Kind
mit dem Bade auszufchiitten, wenn fie erkennen, daß die einft ihnen
übermittelte Anfchauung unhaltbar ift. Möchte der Delitzfch-Streit hier
Wandel fchaffen, dann wäre er nicht vergeblich gewefen.

Leipzig. W. Nowack.

König, Geh. Konf.-Rat, Prof. D. Dr. Eduard: Moderne Vergewaltigung
des Alten Teltaments. (40 S.) 8°. Bonn,
A. Marcus & E. Weber 1921. M. 5 —

Diefe Schrift ift durch den Delitzfch-Streit veranlaßt.
In ihm hatte unter anderen auch Gunkel das Wort genommen
und hatte bei aller grundfätzlichen Ablehnung
der Pofttion von Delitzfch verflicht fie hiftorifch zu begreifen
, nämlich aus der Wertung, die oftmals dem A. T.
als hiftorifche und religiöfe Urkunde feitens einiger ,pofi-
tiver Theologen' zuteil wird, unter denen er befonders
Ed. König herausgriff, gewiß nicht um feiner befonderen
wiffenfchaftl. Bedeutung willen, fondern weil er unter den
Rufern im Streit gegen die ,religionsgefchichtl.' Schule
einer der lauteften und unermüdlichften ift. König unternimmt
es, die von Gunkel in der Literaturbeilage der
Frankfurter Zeitung 1920 Nr. 19 gegebene Charakteriftik

feiner Auffaffung vom A. T. als nach jeder Seite unbe- ] vom Leiden, von freiwilligem Sichhingeben und von

Mowinckel, Doz, D. Sigmund: Der Knecht Jahwäs. (69S.)

gr. 8°. Gießen, A. Töpelmann 1921. M. 3 —

In den letzten Jahrzehnten find zahlreiche Monographien
über den Knecht Jahves im Deuterojefaja er-
fchienen, aber zu einer Verftändigung ift es weder über das
Verhältnis der cEbed Jahve-Lieder zu Deutorojefaja, noch
über die Bedeutung des Knechtes in diefen Liedern gekommen
: während die einen für die individuelle Deutung eintraten
, ftritten andere für die kollektive Faffung, jene wie
diefe wieder mannigfach gefpalten in bezug auf die Durchführung
diefer Deutungen. Infofern hat diefe neue Monographie
ihr gutes Recht, aber einen Schritt weiter führt
fie uns nicht. M. vertritt die individuelle Auffaffung.
Der Knecht Jahves in den vier Liedern ift ihm der
redende Prophet, Deuterojefaja felber, er hat Züge des
traditionellen Meffiasbildes auf feine eigene Perfon übertragen
. So ift der Prophet felber auch ein Meffias, und
zwar einer, der für das Kommen des Heils bedeutungsvoller
fowohl wie Kyros, als die andern Helfer Jahves ift:
fein Leiden ift ftellvertretend, infofern es auf die Augenzeugen
desfelben und der nachfolgenden Erhöhung wirkt,
fo daß fie fich bekehren und dadurch der endlichen voll-
ftändigen Verwerfung entgehen. Der Prophet hat diefe
Geftalt des Knechtes nicht völlig frei nur aus den eigenen
Erlebniffen erfunden, fondern er hat feine innere und
äußere Gefchichte im Lichte des Idealbildes der un-
fchuldig leidenden Frommen der ,kultifchen Klagepfalmen'
gedeutet, denn in ihnen finden fich die wichtigften Züge
des Knechtes vorgezeichnet. Gunkels und Greßmanns
Vermutung, daß irgend welche Vorftellungen von einem
fterbenden und auferftehenden Gott den Urfprung der
Geftalt des Knechtes Jahves bilden, lehnt M. mit Recht
ab, das Sterben des Gottes fei nie ethifch-religiös begründet
, das ift rein naturhaft begründet und lein Ver-
fchwinden wird nur als Unglück empfunden, auch ift nur! ^

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