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Ausgabe:

1921 Nr. 2

Spalte:

284-285

Autor/Hrsg.:

Grimm, Georg

Titel/Untertitel:

Buddhistische Weisheit. 3. Aufl 1921

Rezensent:

Franke, R. Otto

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283 Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 23/24. 284

die Studie von Gebhard nicht, weder methodifch noch
ftiliftifch, aber fie ift uns willkommen als ein Beitrag zu
der Frage, wie weit die Darftellung der Myftiker mit der
Bilder- und Formenwelt der gleichzeitigen weltlichen Literatur
zufammenhing. Diefer Zufammenhang läßt fich in
den von G. gefchickt herausgehobenen Schriften, in der
größeren, urfprünglicheren Brieffammlung und in den
(leider nur fpärlich erhaltenen) ,Predigten' Seufes befon-
ders gut beobachten. Daß die Motive und Formeln nicht
gefchieden werden, läßt fich verliehen, beide hängen doch
eng miteinander zufammen. Eher hätte der Stil der
beiden Literaturgattungen gelegentlich deutlicher auseinandergehalten
werden follen. Von der .Pfäffifchen Stupidität
, die in der Schönheit der Natur Gottes Satans Schlingen
wittert', und die wir mit G. Roethe an fo manchem Denkmal
der Zeit tadeln muffen, ift Seufe nach G.s anfprechender
Darfteilung weit entfernt. Freilich find es herkömmliche
Bilder, die er vor uns entfaltet, aber die Art, wie er fie
wirken läßt, zeigt feine innige Hingabe an die Natur.
Freilich bleibt G.s literarifche Erörterung noch oft in der
Parallelenhäufung Hecken und wird der feinen Schattierung
des Ausdrucks bei den Mykikern nicht gerecht; auch an
groben Verfehen in der Deutung einzelner Stellen fehlt
es nicht, wie er z. B. 429, 20 doch wohl fälfchlich auf die
von ihrem,Gemahl' getrennte Turteltaube bezieht. (,tolde'
ift wirklich kein ,dürrer Aft', auf dem das verwitwete Tier
fein ferneres Leben verbringt, fondern der Gipfel, die
Krone eines Baumes, hier bildlich der Gipfel des Ver-
fchmähens aller zeitlichen Dinge); und andrerfeits wird das
,geblümte', d. h. mit Blumen beftreute Bett, das in der
Minnefprache eine Rolle fpielt, fchlechtweg (S. 155) als
eine der ,höfilchen Dichtung entnommene Vorftellung'
angefprochen, ohne daß dafür irgendwelche Beweisftelle
angeführt würde — denn Walthers' ,von bluomen eine
beteftat' ift nicht höfifch und bedeutet wirklich ein
Blumenlager in freier Luft, .unter der Linde'. Hier
haben wir es doch wohl nur mit der Wiedergabe von
Cant. I, 15 zu tun. Wenn aber Seufe von den Lobliedern
der Vögel auf des Ewigen Ehre fpricht, fo hätte in diefem
Zufammenhange (S. 101) von der Vogelpredigt des hl.
Franz gefprochen werden dürfen. Nachträge aber find
zu folcher Arbeit leicht zu geben und hier ift der Ort
nicht dazu. Genug, daß G. wieder einmal auf die ge-
fchichtlichen Grundlagen des Stils unfrer Myftiker wenig-
ftens nach einer Seite hin aufmerkfam gemacht hat. Ihre
ungeheure Bedeutung für unfre fprachliche Entwicklung
wird ja heute wohl von niemandem mehr verkannt, wie
es noch bei Jakob Grimm der Fall war. Je beffer man
den fprachlichen Schwierigkeiten der Myftikertexte gerecht
wird, um fo treuer werden auch die Überfetzungen
ausfallen, die einem weiteren Kreife ihre Gedankenwelt
zugänglich machen wollen und die in letzter Zeit an Zahl
und Wert zunehmen. Eine Art Anthologie zu erbaulichen
Zwecken hat A. Heilmann zufammengeftellt (Gott, Welt,
ewiges Leben, Leiden, Heiligung, Andacht, Ewigkeit.) Er
ftützt fich auf die heften Ausgaben und verfucht über
feine Vorgänger, vor allem über Büttners Eckhart durch
Genauigkeit und Richtigkeit des Ausdrucks hinauszukommen
. Eine Nachprüfung im einzelnen ift fchwierig,
weil er die Stellen nicht anführt — aber fein Büchlein lieft
fich gut und die Auswahl ift nicht bloß gefchickt, fondern
, foweit das die bilchöfliche Zenfur zuläßt, weitherzig
genug. Förderlicher ift natürlich das von Bernt zu-
fammengeftellte und kurz eingeleitete Breviarium in der
.Infelbücherei'.

Von ganz anderm Schlage aber ift die große Sammlung
,Der Dom', worin derfelbe Infelverlag die Gedankenwelt
der großen Myftiker unfers Volkes in forgfältiger
Auswahl, Zubereitung und Ausftattung weiten Kreifen
als unmittelbares Seelengut wieder zuführen will. Wir
werden fpäter noch auf die ganze Reihe zurückkommen
und vor allem zufehen, wie fich die einzelnen Bände zum
Ganzen zulammenfchließen. Was die vorliegenden Teile

anlangt, fo gibt Bernhart eine lesbare Verdeutfchung
der Schrift eines Frankfurter Deutlchordensherrn aus dem
15. Jahrhundert, die feit Luthers Tagen .Theologia deutfch'
genannt wird. Eine weit ausgreifende Einleitung, deren
gefchichtliche Wertung freilich hier und da (z. B. beim
Pfeudo-Dionyfius) der Revifion bedarf, fucht die Schrift
mit den myftifchen Gedanken des Mittelalters in Verbindung
zu fetzen und ihrer gelchichtlichen Stellung gerecht
zu werden: keine leichte Aufgabe bei einem Buche,
das fich energifch gegen die .freien Geilter' wendet und
dann felber wieder von Schwarmgeiftern als Waffe benutzt
wurde. Im großen ganzen dürfte B. feine Aufgabe recht
wohl gelungen fein und das Büchlein jungen Theologen
nun wieder beffer vertraut werden. Hoffentlich nehmen
fie dann auch das Original, etwa in der trefflichen^ und
bequemen Ausgabe von Uhl in die Hand. B.s Überfetzungen
, feine Anmerkungen und A. Götzes reichhaltiges
und wiffenfchaftlich zuverläffiges Gloffar werden
das Verftändnis auch in fchwierigen Einzelheiten erleichtern,
die noch immer nicht ganz geklärt find. — Eine voll-
ftändige Ausgabe der Werke Jakob Böhmes, von der
Wiffenfchaft längft erfehnt, bereitet der Infelverlag gegenwärtig
vor. Die belle Einführung dazu kann eine ver-
ftändige Auswahl der Schriften geben, wie fie Kayfer
verfucht. Von der wertvollften Vorarbeit, Hambergers
.Lehre des deutlchen Philofophen Jakob Böhme' unter-
fcheidet fich das neue Buch zu feinem großen Vorteil
dadurch, daß es auf alles Syftematifieren verzichtet, dagegen
aus fall allen Böhmefchen Schriften die Haupt-
ftellen herauszieht, wobei natürlich die .Aurora' den
Löwenanteil davonträgt. (Ganz ausgelaffen find aus den
Apologien nur die .Sechs theologifchen Punkte', das ,in
fich abgefchloffenfte und am fchönften die Eigenart
feiner myftischen Ausdrucksweife ausdrückende Werk'
J. B.s, wovon ein vollftändiger Neudruck erfchienen ift.)
Die Einleitung des Herausgebers ift etwas kurz und bur-
fchikos gehalten, doch erfreut er uns durch ein knappes
Sachregifter, das nirgends fo notwendig ift, wie bei dielen
myftifchen Texten und das wir auch andern Bänden der
Sammlung wünfchten. Dazu erhalten wir noch einen willkommenen
Neudruck der Lebensbefchreibung Böhmes
von A. v. Franckenberg und des .Inbegriffs' feiner Lehre
von F. Chr. Oetinger. — Weniger zufrieden wird der
Forfcher mit Fifchers Auswahl aus Fechners ,Zend-
Avefta' fein. Gewiß bietet das vollftändige Werk, auf das
weitere Kreife durch die treffliche Monographie von Laßwitz
(Frommanns .Klaffiker der Philofophie') und durch
einen bequemen Neudruck des /Büchleins von dem Leben
nach dem Tode' (in der Infelbücherei Bd. 187) vorbereitet
waren, feine großen Schwierigkeiten. Dennoch geben wir
die polemifchen Stellen nicht famt und fonders leichten
Herzens preis. Und daß vollends der Verfaffer, ,wo Unebenheiten
der Form den Fluß der Gedanken hemmen
wollten, behutfam feilen und glätten' zu müffen glaubte,
entfpricht nicht unferm heutigen Refpekt vor der Form,
die der Schriftfteller feinem Werke gab. Ein Fechner
kann verlangen, daß man fich in feine Schreibweife hineinfinde
.

Ganz populären Zwecken dienen die Stilling-Neu-
drucke eines Nürnberger Verlags — bei der Unzulänglichkeit
der Originalausgaben in heutiger Zeit eine willkommene
Gabel

Hamburg. Rob. Petfch.

Grimm,Georg,u.HansMuch: BuddhiftifcheWeisheit. 3.Aufl.
(102 S.) 8°. Leipzig, M. Altmann 1920.

M. 7 —; geb. M. 9.50
Die beiden begeifterten und fehr rührigen Buddha-
Freunde G. Grimm und H. Much haben je ein befonderes
Werkchen zu diefer gemeinfamen Veröffentlichung bei-
gefteuert, Gr. feine Abhandlung ,Das Geheimnis des Ich',
die ,im Lichte des Scheinwerfers der Buddhawahrheit'
fleht (S. 10), M. feine ,An Buddhas Hand, Lieder der Er-