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Ausgabe:

1921 Nr. 2

Spalte:

267

Autor/Hrsg.:

Gudeman, Alfred

Titel/Untertitel:

Aristoteles über die Dichtkunst 1921

Rezensent:

Goedeckemeyer, Albert

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267

Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 21/22.

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feins' und dem .innerlich erlebten fittlichen Ideal' des
Ariftoteles reden kann.

Der Verfaffer unterfucht auch das methodifche Verfahren
der beiden Ethiker: Ariftoteles geht von den Tatfachen
des fittlichen Bewußtfeins im einzelnen Menfchen
und einzelnem Volke aus und fteigt von einem ordnenden
Syftem der fittlichen Grundbegriffe immer höher und
letztlich zu .einer vom tatfächlichen Vorkommen unabhängigen
, abfoluten Moral' auf; Piaton beginnt umgekehrt
mit dem in .feinem Bewußtfeiu enthaltenen ethifchen
Ideal'. Er gibt gleich anfangs Gefamtblicke, Panoramen
von großartiger Univerfalität. In beiden Methoden verbinden
fich Phänomenologie und rationale Deduktion.
Steht bei Ariftoteles ein gewiffer Rationalismus mehr am
Anfange, fo bei Piaton am Ende.

Meyers Buch wird jedem, der es durcharbeitet, Ertrag
bringen und Piaton und Ariftoteles als Ethiker in
helles Licht ftellen, die Einfaffung und den Hintergrund
ihres Lebens klären, aber vor allem das, was ihnen innerlich
eigenft angehört, zum. Erlebnis machen und zu einer
Welt erweitert empfinden laffen.

Wien. Franz Strunz.

Ariftoteles über die Dichtkunft. Neu überfetzt u. mit einer Einltg. u.
einem erklärenden Namen- u. Sachverzeichnis verfehen von Alfred
Gudeman. (Philofoph. Bibliothek, Bd. 1) (XXVI, 91 S.) 8».
Leipzig, F. Meiner 1921. M. 10 —; geb. M. 15

gende Metaphyfik der Gefchlechtsliebe — fie ift übrigens neben Goethes'
Romanen der Ausgangspunkt für alle romantifchen Leiftungen auf diefem
Gebiete — Keufchheit und Offenheit in feiten feinfinniger Weife verbindet
und unbefchadet ihrer ftarken Männlichkeit (aber follte Fichte
anders denn als Mann von diefen Dingen reden?) von einer zarten
Huldigung für die Frau getragen ift, hätte die Verf. immerhin nicht
zu verkennen brauchen.

Wenn nicht meine Worte, fo können die Briefe an
die Braut und Gattin, die Emil Engelhardt (f. über ihn
Th. L. Z. 1921 S. 14t) neu zum Abdruck bringt, Frl.
Bäumer eines Befferen belehren. Diefe Briefe waren bisher
nur als verftreute Einlagen in die vom Sohne verfaßte
Biographie zugänglich. Daß fie nun zufammenge-
faßt find zu einer Sammlung, wird ihrer Verbreitung hoffentlich
zugutekommen. Nur, warum hat Engelhardt
fich nicht die gewiß nicht übermäßige Mühe gemacht,
die Manufkripte zu vergleichen? Jedenfalls aber hätte er
durch Angabe der Seitenzahlen des bisherigen Drucks
zu jedem Briefe die Benutzung feiner Arbeit durch den
Gelehrten gefördert, ohne der beabfichtigten praktifch-
perfönlichen Wirkung der fchönen Sammlung irgendwelchen
Eintrag zu tun.

Bonn/Göttingen. E. Hirfch.

Keffeler, Lic. Dr. Kurt: Kritik der neukantifchen Religions-
philofophie der Gegenwart. (68 S.) gr. 8°. Leipzig, J.
Klinkhardt 1920. M. 4 —

^KrOb1^ beruht auf &g£Sg&lfc Die Schrift hat es, wie fchon der Titel befagt mit

' der neukantilchen Rehgionsphilofophie zu tun und mit
einem Verfuch, diefer eine andere Auffaffung entgegen-
zuftellen. Es wird erlaubt fein, von der darin befolgten
Anordnung fo weit abzuweichen, als es das Intereffe an
einer bei aller gebotenen Kürze doch überfichtlichen Dar-
ftellung fordert. Jedenfalls laffen fich zwei Abfchnitte
unterfcheiden, deren einer als hiftorifch-kritifch, deren anderer
als thetifch bezeichnet werden kann.

I. Hiftorifch-kritifcher Teil. Der Verfaffer fetzt ein
mit einem kurzen Hinweis auf die Grundgedanken der
neukantifchen Erkenntnistheorie, wobei jedoch in dem
entworfenen Bilde die Marburger Züge befonders ftark
hervortreten. Er fchildert dann drei Typen der neukantifchen
Rehgionsphilofophie. Die Anfchauung Natorps
deutet er dahin, daß fie die Religion als .Grundlage des

die Poetik, mit denen fich der Verf. unter befonderer Berückfichtigung
der fyrifch-arabifchen Überfetzung. schon längere Jahre befchäftigt hat
und die in einem exegetifchen und kritifchen Kommentar und einer
Textgefchichte ihren Abfchluß finden follen. Sie enthält neben dem Vorwort
eine forgfältig durchgeführte Inhaltsangabe, eine Einleitung, die
über die Bedeutung und Wirkung der Poetik fowie über ihre Quellen
orientiert, und fchließt mit einem eingehenden Namen- und Sachverzeichnis
. Die ganze Arbeit, die als Überfetzung vielleicht darunter
leidet, daß der Verfaffer fie mit Abficht wortgetreu gehalten hat, ift eine
durchaus gediegene und dankenswerte Leiftung. Man darf mit Recht
auf das Erfcheinen der ausführlicheren Darlegungen in dem in Ausficht
gedeihen "Werke gefpannt fein.

Königsberg, Goedeckemeyer.

Paulfen, Friedrich: Immanuel Kant. 6. Aufl. (Frommanns Klaff,
d. Philofoph. VII.) (XXIV, 390 S. mit 1 Bildnis.) 8". Stuttgart,
Fr. Frommann 1920. M. 25.—; geb. M. 30. —

Diefe 6. Auflage ift ein unveränderter Neudruck. Das letzte bei

gefügte Vorwort gehört der 4. Aufl. von 1904 an (1. 1898). Das id • Kulturfchaffens', die ReligionspMofophie Cohens dahin,

auch die letzte, die ich in anderen Kantfchriflen angeführt finde. Die [ daß fie die Religion als ein dem Kulturfchaffen, fpeziell

5. habe ich nicht feftdellen können. i dem fittlichen Wollen .Zugeordnetes', die Anfchauung der

Hannover-Kleefeld.___Schufter. ! Badener Schule dahin, daß fie die Religion als .Abfchluß

_.. ... ,, . ,1 , ', r- nn des Kulturfchaffens' auffaßt. Gegen die gegebene Charak-

Baumer, Gertrud, Fichte und fein Werk. (142 S.) 8°- , teriftik der Betrachtungsweife Natorps wird man fchwerlich

f IT TiTVLiTo-? 19 f1"- n i j n »• , io2'c-° 1 etwaseinwendenwollen;ebenfowenigwiegegendiejenigeder

Fich te, Jon. Gottl Briefe an feine Braut und Gattin. (168 S.) Betrachtungsweife Cohens, folange man fich gegenwärtig

kL 80. Leipzig, P.nchMatthes 192i.M.6.50;geb.M. 10- hält> daLi J^ffeler nur die letzte Phafe der Cohenfchen

Die temperameiftvollen Skizzen zu Fichtes Perfon- Rehgionsphilofophie im Auge hat. Wohl aber dürfte die

hchkeit und Schriften, die G. Baumer uns vorlegt, wurden Formel> mitte]s deren die Auffaffung der Badener Schule

unter dem Strich einer pohtifchen Zeitung vielleicht am gekennzeichnet wird, mißverftändlich genannt werden,

rechten Platze fein. Sie find dem, der G. Baumer ken- ; Ganz -ß haben weder Windelband noch der leider

nen lernen möchte, zu empfehlen, weniger dem, dem an | zu fruh verftorbene Fritz Münch die Religion als .Abfchluß'

Fichte felber hegt Das Philofophifche befchrankt fich . des Kulturfchaffens in dem Sinne beurteilt, daß fie ge

OIIT KP f llfhtllnn- diifoh r-fz^i f4-.-£v. ^Vi c I _ori/»hfoniinLfQ doo .__ „ __ _ . , , . -1 y .. . „ _ P

auf Beleuchtung durch geiftreiche Gefichtspunkte, das
Perfönliche ift fo gründlich verzeichnet wie in keiner andern
mir bekannten Schrift über Fichte. Fichte wird
uns vorgeftellt als .Proletarierfohn' und als .vollkommener
Grobian', ohne feelifche Kultur und Zartheit, aber erhebend
und vorbildlich durch feine geiftige Kraft und feinen
revolutionären Kämpferwiilen. Die feelifche Einfühlung
ift alfo vollkommen mißglückt. Alles Wefentliche
an dem Gewaltigen ift unverftanden geblieben.

Ich könnte dies Urteil begründen durch Darlegung des Verhält-
niffes Fichtes zu Goethe, oder zum romantifchen Gefelligkeitsideal,
überhaupt an jedem beliebigen von der Verf. berührten oder nicht berührten
Punkte, glaube aber die von der Verf. fo abfällig gloffierten
Ausführungen des Naturrechts 1796 über die Ehe wählen zu follen.
Fichtes Ehelehre ift gewiß bedingt durch ein beftimmtes kulturgefchicht-
liches Milieu, für deffen Bedeutung der modernen Frauenrechtlerin der
Sinn leicht abgeht, nämlich durch das Milieu der proteftantifch-bürger-
lichen Famlie alten Stils. Daß aber die diefer Ehelehre zugrunde lie-

wiffermaßen deffen Erzeugnis und die Krönung der Kultur
wäre. Vielmehr ift ihnen die Religion auch notwendige
Vorausfetzung des Kulturfchaffens inlofern, als sie das
Apriori der einzelnen Kulturtätigkeiten in einem transzendenten
Normalbewußtfein verankert oder, anders ausgedrückt
, infofern, als fie die Geltung der vom Kulturfchaffen
erftrebten Werte ftützt, diefen gleichfam .metaphyfifchen
Adel' verleiht und fo dem .Kulturfchaffen' Halt und Kraft
gibt. Was aber weiter die vom Verfaffer geübte Kritik
betrifft, fo wird der neukantifchen Religionsphilofophie
von ihm vor allem vorgeworfen, daß fie fich um die em-
pirifche Religion gar nicht kümmere, fondern den Begriff
der Religion ,auf rein rational-deduktivem Wege' erzeugen
wolle und damit die Religion reftlos rationalifiere.
Berichterftatter möchte hier wiederum wenigftens Windelband
in Schutz nehmen, der, wie der Verfaffer felbft ein-