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Ausgabe:

1921 Nr. 2

Spalte:

251

Titel/Untertitel:

Jahrbuch der Jüdisch-Literarischen Gesellschaft. XII u. XIII 1921

Rezensent:

Strack, Hermann L.

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251 Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 21/22. 252

Simon, Sup. Gottfried: Der Islam und die chriftliche Verkündigung.

Eine miffionar. Unterfuchg. (XV, 363 S.) 8°. Gütersloh, E. Bertelsmann
1920. M. 40 —; geb. M. 48 —

Herzerfrifchend ift es, wie S. die Miffionierungsfrage des Islam
gleich auf den richtigen Punkt (teilt: Durch Liebe foll der Miffionar
den Muslim gewinnen; ein fittlich-ideales Leben im Geifte Chrifti foll
er ihm vorleben; denn das Urteil des Islam über die Chriften ift
durch Gefühls- und Willensmomente beftimmt und diefe werden nicht
durch wiffenfchaflliche Deduktionen gewonnen. Der Muslim wird dann
bemüht fein, feine Ethik des ,felbftlofen Wohltuns' (ihsän) und des Mitleids
für alle Menfchen' (safakah) der chriftlichen Nächftenliebe entge-
genzuftellen. So entfteht ein edler Wettbewerb zwifchen beiden Religionen
, der mit gegenfeitiger Hochachtung verbunden ift und zu einer
Annäherung führt. Die weltbewegenden und fchlichten Ausfprüche
Chrifti fcheinen mir vor allen anderen Einzelfragen geeignet, den Muslim
für das Chriftentum günftig zu ftimmen.

Mit den großen Kontroversfragen (Gottesglaube, Trinität, Gottheit
Chrifti, Logosnatur Muhammeds, feine Mittlernatur, Bilder- und Heiligenverehrung
, Eschatologie) befaßt fich S. eingehend und fachgemäß. Auch
das Gute im Islam ift er bereit anzuerkennen; denn er will den jahrhundertealten
Haß zwifchen beiden Religionen begraben. Nach der
Kataftrophe, die das Anfehen des Chriftentums im Oriente durch den
Weltkrieg betroffen hat, ift dies eine dringende Notwendigkeit. Wie
unendlich fchwierig die Löfung der hier behandelten Aufgabe der
Miffionierung des Islam für den chriftlichen Verkünder ift, wird auf
jeder Seite diefes fchönen und mit warmem Herzensblute gefchriebenen
Buches erkennbar.

Bonn. Max Horten.

Jahrbuch der Jiidifch-Literarifchen Gefellfchaft (Sitz: Frankfurt
a. M.) gr. 8°. Frankfurt a. M., J. Kauffmann
XII(iqi8). (III, 329 S.) M. 15 —

XIII. (1920) (288 + 48 S. Hebr.) M. 30— + 50% T.
Die Jüdifch-Literarifche Gefellfchaft in Frankfurt a. M.
fährt auch in diefer fchweren Zeit fort, durch ihr Jahrbuch
Verdienfte um die Gefchichte des Judentums und
feiner Literatur fich zu erwerben. Gern laffe ich dem Berichte
über Bd. IX—XI (s. Theol. Litztg. 1917, Nr. 11)
einen über Bd. XII u. XIII folgen. In erfterem gibt S.
Stein ein nach Möglichkeit anfchauliches Lebensbild des
,Patriarchen' Hillel. Dazu fei bemerkt, daß H.'s Ab-
ftammung von David erfl in der Zeit des Jehuda ha-
Naü (des Mifchnaredakteurs) behauptet wird s. Isr. Levi
in der Revue des etudes juives Bd. 31 u. 33. Statt Pros-
bolon (S. 157 dreimal) ift Prosbol, griech. jtQoaßoXrj zu
lefen. H. Ehrentreu bringt wieder Sprachliches und Sachliches
aus dem Talmud' Nr. 70—79; ein Inhaltsverzeichnis
hierzu (beginnend mit Band 4) ift wünfchenswert, da die
einzelnen Bemerkungen ohne folches leicht unbeachtet
bleiben. M. Elias beleuchtet das Verhältnis der römifchen
Kurie, bef. Innocenz' III, zu den Juden. Diefer Papft,
der über die Verachtung der Welt gefchrieben, war von
unftillbarem Machthunger erfüllt; deshalb wollte er die
Ketzer, die feiner Macht gefährlich werden konnten, ausrotten
, die Juden aber knechten. Für die Gefchichte der
Halakha kommen in Betracht: J. N. Epstein, die Hala-
khoth Pesuqoth (f. meine Einleit. in Talmud und Midrafch5
S. 170); A. Freimann, Afcher ben Jechicl f 1327; Ch.
Lauer, Der Züricher p"12D, kleines Buch der Gebote, von
Mofe aus Zürich, Mitte des 14. Jahrhunderts, noch ungedruckt
. B. Cohn weift hin auf die Bedeutung der Juden
Spaniens, Portugals und Frankreichs für die Wiffenfchaft
der Aftronomie im fpäteren Mittelalter. L. Lewin-Kempen
behandelt das Auftreten N. H. Weffelys nach dem Toleranzpatent
Kaifer Jofephs II und feinen Gegner, den
Liffaer Rabbiner David Tewele.

Aus dem XIII. Bande nenne ich an erfter Stelle den
gründlichen Auffatz von A. Freimann über die Afche-
riden (113 Seiten, davon 50 über Jakob ben A. Baal ha-tu-
rim). Zwei Artikel machen Mitteilungen aus den Akten
der Gemeinden in Hamburg (vgl. fchon Bd. VI—XI) und
Brody. Der zweite Teil der wichtigen Arbeit von Leop.
Fifcher über die Urkunden im Talmud behandelt die
Kaufverträge. — In der hebr. Abteilung veröffentlicht
der leider inzwifchen verftorbene S. Eppenftein den Ko-
mentar des Jofef Qaro zum Königsbuch.

Berlin-Lichterfelde Weit. Hermann L. Strack.

Kyle, D. D., L. L, D. Melvin Grove: The Problem of the
Pentateuch. A new Solution by archaelogical methods
(XII, 289 S.) 8°. Oberlin (Ohio), Bibliotheca sacra
Comp. 1920.

Ein neuer Verfuch, das Pentateuchproblem zu lofen,
ruft natürlicherweife das größte Intereffe wach und fordert
zu ernfter Prüfung auf. Der von Kyle unternommene
Verfuch geht von der Beobachtung aus, daß eine Gruppe
der Pentateuchgefetze den Titel mispatim trägt (Ex 21,1 —
23,19), alfo Rechtsnormen für den Gerichtsvollzug enthält.
Dazu nimmt er den Abfchnitt über die Opfergefetze (Lv
I—7) als Sammlung von chuqqim oder chuqqöth
,Satzungen' (bei K. .Statutes'), obgleich der Abfchnitt
nicht fo bezeichnet ift, fondern darin nur mehrmals ,eine
Satzung für die verhüllte Zeit' vorkommt(3,i7 6,11.17 7,34.36).
Ja fogar einen dritten ,technifchen' Ausdruck für Geletz,
nämlich miswa ,Gebot' nimmt er an, wiewohl er gar keine
fo betitelte Gruppe von Vorfchriften aufweifen kann und
felbft die Schwierigkeit anerkennen muß (S. 34), die in
der Verbindung und offenbaren Nichtunterfcheidung diefer
Ausdrücke (Ex 15,25 Dt 4,5.45 ufw.) liegt und von ihm
(S. 79.83 f.) nur durch Verleugnung des fpeziellen Sinnes
eines der verbundenen Ausdrücke erklärt werden kann.
Diefen auf folche Weife gewonnenen Gruppen von legislativen
Abfchnitten fpricht er nun nach dem Vorgang
von Harold M. Wiener verfchiedene ,1 it e rari fch eF 0 rm en'
zu, und zwar teils ,mnemonifche', für das Gedächtnis geeignete
, d. h. knappe oder auch poetifche Form, indem
er z. B. Ex 21,12—17 in dichterifchen Zeilen verlaufen
läßt (S. 97), obgleich der Text keine Art von Parallelismus
membrorum aufweift, teils ,befchreibende' Form,
wenn ein Gefetz in ausführlicher genauer Beftimmung gegeben
wird, wie z. B. das Bilderverbot (Ex 20,4b.5), und
teils .ermahnende' (hortatory) Form, durch die ,das Deut,
als ein Ganzes' (S. 114) charakterifiert wird. Aus der
wieder fo gewonnenen Verfchiedenheit der literarifchen
Form der Pentateuchgefetze will er nun (S. 120—130/
einen v-erfchiedenen ,Stil und Wortfehatz' ableiten.
Aber anftatt auch nur einen einzigen Beleg zu geben,
macht er der bisherigen Forfchung den Vorwurf (S. 129),
fie habe Verfchiedenheit des Sprachgebrauchs behauptet,
ohne den Einfluß des in einem Abfchnitt behandelten
Gegenftandes auf die Wortwahl zu beachten, was aber
längft in meiner EinL ins AT. 154.169 gefchehen ift. In
einer 4. Unterfuchung (S. 130—144) muß er felbft kon-
ftatieren, daß feine'Unterfuchungen nicht direkt die Quellenhypothefe
diskreditieren' (S. 143), aber meint, feine .Theorie
erkläre die literarifchen Erfcheinungen des Pentacheuch,
ohne irgendwelche vorausgefetzten Momente, wie unbekannte
Verfaffer und unerwähnte Dokumente, zuhilfe zu nehmen'-
Aber die richtige Vertretung der Quellenhypothefe tut
das keineswegs, fondern geht von den vorliegenden Ver-
fchiedenheiten der Form und des Inhalts aus und zieht
nur foviel Schlüffe, als zur Erklärung der Tatfachen
unbedingt nötig find. Alfo bis S. 144 hat Kyles Verfuch
nichts zur Löfung der Pentateuchfrage geleiftet und ift
ihm dies in der 2. Hälfte feines Buches gelungen ?

Da verflicht er zuerft (S. 145—173), die Zufammenftimmung von
Stil und Diktion in den von ihm nach den Gefetzesarten und -veran-
laffungen gemachten Pentateuchabfchnitten zu erweifen. Diefe Betrachtung
leitet er mit folgenden vielverheißenden Worten ein: .Wenn die von
mir vorgelegte Löfung des Pentateuchproblems richtig fein follte, fo ift
fie dies, mögen die Anhänger der Quellenhypothefe es einfehen oder
nicht. Deshalb ftimme ich nicht ganz dem zu, daß die abfchließende
Probe auf diefe Löfung darin beftehe, daß ich zu jedermanns Befriedigung
zeige, daß fie die Verfchiedenheiten der Form und des Stils und
des Sprachfchatzes erklärt' (S. 147). Aber wenn er doch wenigftens
angefangen hätte, dies zu zeigen. Er redet aber noch 22 Seiten lang
über den Einfluß der Perfönlichkeit auf den Stil und Wortfehatz und
beginnt erft dann, fich mit den ftiliftifchen Verzeichniffen des .Oxford
Hexateuclr zu befchäftigen und bemerkt dagegen: .Nach meiner Darlegung
ift der P in Wirklichkeit .Satzungen' mit begleitender Erzählung
und auch ergänzenden Teilen der Erzählung in der Genefis' (S. 171).
Aber hat er damit den Stil und Wortfehatz von P in feiner Verfchiedenheit
von dem des E, J und D erklärt? Selbftverftändlich nicht, und
was tut er fonft noch zur Löfung diefer Aufgabe ? Auf S. 172 f. wählt