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Ausgabe:

1921 Nr. 1

Spalte:

231-232

Autor/Hrsg.:

Dörholt, Bernhard

Titel/Untertitel:

Der Predigerorden und seine Theologie. Jubiläumsschrift 1921

Rezensent:

Lempp, Eduard

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Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 19/20.

232

tumsangefchauthat; daher trifft mich der Vorwurf nicht, daß
ich das myfteriöfe Element unterfchätze. 2. Ich habe allerdings
ftets nur ein fekundäres Interreffe dafür gehabt,
was aus dem Chriftentum — und zwar fehr rafch — bei
den Maffen geworden ift und auch bei den Führern, fo-
fern he dem Druck der Maffen nachgaben; denn, wenig-
ftens in den erften Jahrhunderten gab es immer noch
Führer, welche in irgend welchem Maße zum Ausdruck
gebracht haben, daß das Chriftentum eine Xoyixrj XaxQtia
fei. Dankbar folge ich den höchft nötigen Studien, die
über das Maffenchriftentum der verfchiedenen Zeitalter
Licht verbreiten, aber ich laffe mir dadurch das Konzept
der Geiftesgefchichte des Chriftentums, welche es bis zur
Reformation gebracht hat, nicht verderben. Es liegen
hier zwei eng verbundene, (denn wie mächtig hat das ewig
geftrige Maffenchriftentum auch auf die Dogmengefchichte
eingewirkt!), aber doch getrennte gefchichtliche Aufgaben
vor, die fich gegenfeitig unter Kontrolle halten müffen.
Läßt man nur die eine gelten, fo kann man in der
Gefchichte der chriftlichen Religion bald zu der herrlichen
Erkenntniß kommen, daß es fich auch in ihr fchließlich
nur um den Zauberkultus eines ,heiligen Tieres' handelt;
folgt man ausfchließlich der modernen (klaffiziftifch-teleo-
logifchen), fo ift man in Gefahr die Wirklichkeit der Dinge
zu verlieren. Der Verf. des vorftehenden Werkes unter-
fchätzt m. E. in etwas die konkrete Bedeutung der fpiri-
tuellen Faktoren (Geift und Wahrheit, Glaube und Zu-
verficht, Sündenvergebung und ein wahrhaft fittliches
Leben) in der alten Kirche; aber er felbft hat in feinen
Unterfuchungen auf einem der wichtigften Gebiete der
Kirche den fchönen Nachweis geführt, daß die fchlimme
Zauberei erft durch eine verhängnisvolle Revolution im
Kultus (3. Jahrh.) eingetreten ift, und daß das magifche
Element nun erft die Hauptfache geworden ift. Unfere
Betrachtungen find alfo keineswegs fo verfchieden; übrigens
nimmt man eine Einfeitigkeit gern in den Kauf,
wenn fie soviel Klarheit fchafft wie in diefem Falle.
Berlin. v. Harnack.

Rings, P. Mannes M., o. P.: Der heilige Dominikus. Sein Leben
und feine Ideale. (420 S.) 8°. Dülmen, Laumann'fclie Bh. '20.

M. 15—; geb. M. 21 —

Nicht ohne Grund beklagt der Verfafler, daß eine gute deutfche
Biographie des h. Dominikus fehle, während das Lob des h. Franziskus
in vielen Schriften verkündigt werde. Er will die Lücke ausfüllen durch
ein .Volksbuch', das von .herzlofer Kritik' frei fein foll. Leider wird
die Volkstümlichkeit hauptfächlich darin gefucht, daß mit lauter Superlativen
des Lobs gearbeitet wird u. daß alle, auch wirklich läppifche
Wunder des Heiligen ernfthaft berichtet werden. Das find wir ja von
den alten Legenden gewöhnt, aber man fpürt es dem Mann des 20. Jahrhunderts
doch überall an, daß er nicht die Naivität befitzt, die die
Lobfprüche u. Wundererzählungen der alten Legenden erträglich macht.
Aber er fcheint nicht zu fühlen, wie die ftereotypen Superlative das
individuelle menfchliche Bild des Heiligen geradezu auslöfchen.

Deutlich ift daneben das Beftreben des Verfassers, die Originalität
des h. Dominikus u. feiner Richtung gegenüber Franz v. Affifi aufzu-
weifen, wobei er offenbar den Spuren Denifles folgt. Aber noch weniger
als diefem ift es ihm gelungen, fein Ziel zu erreichen. Gewiß hat ja
der Predigerorden von Anfang an fein Befonderes, aber anderes wie
namentlich die Betonung der Armut u. z. T. manches in der Verfaffung
ift offenbar nicht original, und vollends das Bild des Heiligen wirkt an
vielen Orten wie eine Copie des Heiligen von Affifi. Das kommt wohl
daher, daß fchon die Quellen, foweit fie nicht den ftereotypen Heiligen
malen, durch die Rivalität der beiden Orden beeinflußt waren.
Stuttgart. Ed. Lempp.

Dörholt, Prof. Dr. Bernhard: Der Predigerorden und feine
Theologie. Jubiläumsfchrift. (IV, 159 S.) gr. 8°. Paderborn
, F. Schöningh 1917. M. 2.—
Einen Einblick in die Theologie des Predigerordens,
die identifch ift mit der Theologie des Thomas v. Aquino,
will diefe Feftfchrift uns geben. Sie führt zunächft
gefchichtlich in das Werden und Wachten diefer Theologie
, ein und gibt dann einen kurzen Abriß der Summa
Theologica des großen Meifters. Es ift ja bekannt, daß
im Dominikanerorden fchon frühe die thomiftilche
Theologie als normative angefehen und jede Abweichung

von ihr verboten wurde. ,Wenn durch folche Vorfchriften
die Freiheit der einzelnen Mitglieder des Ordens ein-
gefchränkt wurde, fo empfand ein richtiger Dominikaner
das nicht als etwas Drückendes und fah darin nicht im
geringften eine Laft, fagte fich vielmehr, daß es unbedingt
etwas Gutes fei, wenn die Freiheit zum Irren und
Fehlen vermindert fei; daß das Gebundenfein an die
Wahrheit den irrtumsfähigen Menfchengeift frei und
ftark mache' (S. 34 f). ,Eine Vergewaltigung ift das nicht,
oder man müßte denn das Streben des höheren Menfchen,
über den niederen Gewalt und Herrfchaft zu bekommen,
eine Vergewaltigung nennen' (S. 35). Das gilt dem Verfafler
natürlich auch für die Jetztzeit, wo durch päpftliche
Anordnung die thomiftifche Theologie für alle Bildungsanftalten
des Klerus verbindlich gemacht wurde. Befonders
nachdrücklich und ausführlich wird das Recht der
Dominikanertheologie gegenüber Oercks Molinismus und
des Jefuitenordens dargelegt und die Hoffnung aus-
gefprochen, daß der verdienftvolle Jefuitenorden auch den
Molinismus fchließlich zum Opfer feiner kirchlichen Korrektheit
darbringen werde (S. 67 f). Charakteriftifch ift, wie
der künftliche Beweis verflicht wird, daß Thomas v. Aquino
eigentlich nicht gegen, fondern für dielmmaculata coneeptio
B. V. M. gewefen fei (S. 58), ein Mangel in diefer Lehre
würde ja freilich den großen Heiligen fchwer treffen.

Der Einblick in das thomiftifche Syftem, das ,nach
den Verheerungen und Verwüftungen des aus englifch-
deiftifchem Giftbecherim verführten Frankreich entfeffelten
Höllenbrandes der großen Revolution' (S. 72) wieder zu
Ehren gekommen ift, kann natürlich bei dem Umfang
der Schrift nicht in die Einzelheiten alle gehen. Aber
er gibt uns doch einen Begriff von dem Auf bau des
Ganzen, deffen ftrenge Wiffenfchaftlichkeit in ,dem dis-
kurfiven Herleiten ihres Inhalts aus völlig gewiffen Prin-
eipien' (S. 80) gefehen wird. Immer aufs neue erftaunt
man über die Maffe und Subtilität der Unterfcheidungen
ünd über die logifche Kühnheit der Schlüffe, für die es
eigentlich keine Geheimniffe gibt, — fogar das Lebensalter
des Auferftehungsleibes wird logifch erfchloffen
(S. 139) — aber uns mutet diefe Behandlung der chriftlichen
Religion doch kalt und fremdartig an. Gewiß
,ein theologifches Kunftwerk allererften Rangs' (S. 151)
ift diefe Summa des Heiligen von Aquino, aber wir ver-
miffen den wahren Hauch des Evangeliums von der
Gnade Gottes; der Verfafler fleht freilich nur dann eine
vollkommene Erlöfung gegeben, wenn die Menfchen ,auf
dem Weg der Gerechtigkeit mit vollen Ehren . . . ,alfo
nicht als Bettler, denen man einen Königsmantel umwirft
und aus reiner Barmherzigkeit unter den Fürsten des
Himmels einen Platz anweift, fondern als Könige, denen
der königliche Mantel und Thron nach allem Rechte zukommt
, zu ihm, ihrem Endziele, von dem fie durch die
Sünde fich abgekehrt hatten, zurückkehren' (S. 108). Das
entfpricht nach unferer Meinung nicht dem Evangelium
des Neuen Teftaments.

Stuttgart. Ed. Lempp.

Wilms, P. Hyronymus, O. P.: Gefchichte der Deutfchen
Dominikanerinnen 1206—1916. (416 S.) gr. 8°. Dülmen,
Laumann fche Bh. 1920. M. 14.75; geb. M. 24.75
Mortier, R. P.: Hiltoire abregee de l'Ordre de Saint-Domi-
nique en France. (X, 390 S.) 8°. Tours, A. Mame&Fils
1920. Fr. 10 —

Es war ein fchwieriges Unternehmen, die Gefchichte
der deutfchen Dominikanerinnen zu fchreiben, denn die
Quellen fließen naturgemäß fehr fpärlich und ein allgemeines
Intereffe kann diefer Orden doch hauptfächlich
durch die Myftik beanfpruchen, die im 14. und wieder
im 18. Jahrhundert in feinen Klöftern blühte. Die Darfteilung
hat darum auch etwas Zufälliges und Sprunghaftes,
je nachdem die Quellen reichlicher oder fpärlicher fließen
oder Spezialunterfuchungen vorgearbeitet haben. Doch
ift es dem Verfafler, wenn auch nicht ohne eine gewiffe