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Ausgabe:

1921 Nr. 1

Spalte:

204-205

Autor/Hrsg.:

Buchner, Frz. Xaver

Titel/Untertitel:

Archivinventare der katholischen Pfarreien in der Diözese Eichstätt 1921

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 17/18.

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danken heraus. Eine Fülle von Gefichten zieht am Auge
vorüber, fo reichhaltig, daß man mitunter Mühe hat, das
geiftige Band feftzuhalten, wie denn auch die Linienführung
vielleicht da und dort etwas fchärfer und einheitlicher
fein dürfte und ein zufammenfaffender Rückblick
am Schluffe angezeigt wäre. Der Brauch, fich beim
Gebet nach Often zu wenden, läßt fich im Chriftentum
bis ums Jahr 100 zurückverfolgen. Er ift den Chriften
mit älteren Religionen gemeinfam, fleht aber im Gegen-
fatz zur jüdifchen Gebetsrichtung nach Jerufalem und dem
Tempel. Seine ältefte Begründung liegt in der Himmelfahrt
Jefu und der Wiederkunftshoffnung, entfpricht alfo
ganz der eschatologifchen Stimmung des Urchriftentums
(,Komm Herr Jefu', ,Maranatha'). Daneben kommt in der
Gebetsoftung die Sehnfucht nach dem Paradiefe zum Ausdruck
, und außerdem gilt der Often nach der alten An-
fchauung als Sinnbild des Guten. Auch beim Sterben
und beim Begräbnis wurde gerne die Oftrichtung gewählt.
Die Seele fährt oftwärts zum Hafen des ewigen Friedens,
wie die Kirche einem gen Sonnenaufgang fahrenden
Schiffe gleicht. Auf die vortrefflichen Ausführungen über
,praefatio' und ,actio' (S. 219 ff.), über ,Surfum corda'und
den Auf blick zum Himmel (S. 218 ff.) fei noch befonders
hingewiefen. Bei archäologifchen Erörterungen kommt
D. wiederholt in die Lage, gegen Wilperts vielfach fo anfechtbare
Deutungen Stellung nehmen zu müffen (S. 211
A. u. S. 262 f.).

S. 15 heißt es durch einen lapfus calami, daß Tertullian (Apol. 16)
die Verfchiedenheit des der Gebetsoftung bei Heiden und Chriften zu
gründe liegenden Gedankens ablehne, während in Wirklichkeit die
Gleichheit abgelehnt wird. Sonderbar gewendet ift der Satz S. 28: ,Die
Heiden ftanden hierin [es handelt fich um Elefanten, die zur Gebetshaltung
dreffiert waren] nicht höher als die Chriften fpäterer Tage' —
follte man denn nicht von Chriften einen höheren Standpunkt erwarten?
Zur Dreizahl und Neunzahl (S. 75 ff.) möchte ich noch an die dreimal
drei Engelchöre bei Pf.-Dionyfius erinnern. Es ift unmethodifche Har-
moniftik, wenn D. S. 160 beim Petrusevangelium von Auferftehung und
erfter Himmelfahrt am Oftertage fpricht: in Wirklichkeit beftehen im
Urchriftentum zwei Auffaffungen, von denen die ältere, auch durch die
kanonifchen Evangelien vertretene, die Himmelfahrt mit der Auferftehung
verbindet, die zweite fie auf den 40. Tag nach Oftern verlegt (Apoftel-
gefchichte). Diele Frage follte einmal eigens eingehend behandelt werden
(vgl. E. v. Dobfchütz, Oftern u. Plingften 1903, 32). Zu S. 100 u. 163
■fei noch darauf hingewiefen, daß die Parufie in der Epiftola apoftolorum
genau eine Umkehrung der Himmelfahrt im Petrusevangelium ift: hier
folgt das Kreuz dem Herrn, dort geht es ihm voran. Seine Deutung
von Tert. de idol. c. 24 (S. 209 f.) wird D. nochmals überprüfen müffen
(vgl. meine Schrift .Kallift und Tertullian' 1920, 25 ff.). Das ,fchöne
Wort' Cyprians (ad Demetr. 16) über die aufrechte Haltung des Menfchen
(S. 229), das übrigens von der Gotteserkenntnis, nicht vom Gebet handelt
, ift philofophifcher, namentlich ftoifcher, Gemeinplatz (vgl. 237).
Die Haltung beim Gebete, namentlich der Unterfchied von Stehen und
Knieen, follte auch einmal kirchen- und religionsgefchichtlich unterfucht
werden.

Aus der Schlußbemerkung- des Vorworts (S. VIII)
fcheint hervorzugehen, daß Dölgers Forfchungen in ka-
tholifch-kirchlichen Kreifen zum Teil mit gemifchten Gefühlen
aufgenommen werden. Nun ift ja begreiflich, daß
die fimpliciores, die die liturgifchen Gebete und Gebräuche
der Kirche mehr oder weniger für eixövtg axtLQoxo'irjToi
angefehen haben, Icheu werden, wenn fie plötzlich ihre
Verflechtung mit der antiken Kultur und mit den antiken
Kulten vor Augen geführt bekommen. Bedauerlich
aber wäre es, wenn D.s Arbeitskraft und Arbeitsfreude
durch unliebfame Erfahrungen litte. Den ,liturgiegefchicht-
lichen Forfchungen' und ,liturgiegefchichtlichen Quellen'
kann man nur gedeihlichen Fortgang wünfchen. Die fchöne
Ausftattung in diefer fchlimmen Zeit ift beneidenswert.
München. Hugo Koch.

Neundörfer, Daniel: Studien zur alterten Gerchichte des
Klofters Lorfch. (Arbeiten z. Dtfch. Rechts- u. Ver-
faflgsgefch., IV. Heft.) (VIII, 112S.) gr. 8«. Berlin,
Weidmann 1920. M. 8 —

Der Verfaffer diefer tüchtigen Studien zur älteften
Gefchichte des Klofters Lorfch ift am 25. Sept. 1916
an der Somme gefallen. Sein Lehrer Prof. Haller in Tübingen
hat fie zum Druck befördert, und einige Zufätze,

befonders für die neuefte Literatur, beigefügt. Der Verfaffer
befchäftigt fich vielfach mit der Arbeit des Ref.
,Aus dem Codex Laureshamenfis' Württb. Gefchichts-
quellen II, 1—216, ohne auf die dort befprochene Anregung
des Lorfcher Traditionencodex durch das Fuldaer,
bez. Hirfauer Vorbild einzugehen, und hat auch die Abhandlung
des Ref. .Schwarzwälder Wallfahrten', Lit. Beil.
des W. Staatsanzeiger 1893, 35—39 überfehen, die ihm
für die Frage nach den Motiven der Schenkungen an Lorfch
zugutgekommen wäre. Mit vollem Recht weift er die
Zweifelan der Freiwilligkeit un d Uneigennützigkeitderfelben
ab und betont ihren religiöfen Geift mit der hohen Verehrung
der Reliquien des H. Nazarius. Er behandelt I.
die äußere Gefchichte des Klofters von der Gründung
bis zum Tod Konrads I., 2. Entftehung und Organifation
des Lorfcher Grundbefitzes; in Exkurfen Lorfcher Chronologie
, 2. Bedeutung von huba und manfus, 3. Lorfcher
Urbare. Kräftig muß fich Ref. gegen die Behauptung
S. 31 wehren, feine chronolorrifchen Korrekturen feien recht
willkürlich. Sie find im Gegenteil fehr gut begründet.
Dagegen hat Verf. die Epoche Pippins richtiger auf Nov.
751 beftimmt. Ein Klofter Bubrunnen S. 31 Anm. 3 gibt
es nicht, vgl. Buxbrunn Hauckll, 610. Hoveftat S. 91 ift die
unbebaute Stelle eines früheren Hofgebäudes. S. 58 u.
1. Ergenzingen in Eutinger Mark.

Stuttgart. G. Boffert.

Buchner, Frz. Xaver: Archivinventare der katholifchen
Pfarreien in der Diözele Eichftätt. (Veröffentlichungen
der Gefellfch. f. fränk. Gefchichte. 5. Reihe, 2. Bd.)
(XXXV, 942 S.) Lex. 80. München, Duncker & Hum-
blot 1918. M. 48 —

Sowohl dem Herausgeber wie der Gefellfchaft für
Fr. Gefchichte ift für diefe Publikation der Dank der
Forfchung ficher; erfterem für die mühevolle, überaus
forgfältige Regiftrierung der vorhandenen Archivalien,
letzterer für die Zurverfügeftellung der nicht geringen
Mittel zur Drucklegung. Die 212 Pfarreien, die heutzutage
die Diözefe Eichftätt umfaßt, haben ftürmifche Zeiten
hinter fich. Sie find auch an den Aktenbeftänden nicht
fpurlos vorübergegangen. Dennoch könnte eine Pfarrei,
Flerrieden, mit 686 Urkunden von 1253—1792, 22 umfangreichen
Sal- und Lehenbüchern von 1342—1791, 5 Chroniken
, Rechnungen von 1503—1798 und verfchiedenen
Akten fich mit manchem kleineren Archiv meffen. Auch
die wechfelvollen Gefchicke mancher Pfarreien, wie Prote-
ftantifierung und Rekatholifierung, haben ihren Nieder-
fchlag in den Regiftraturen gefunden. Der Herausgeber
bietet bei jeder Pfarrei zunächst eine genaue Literatur-
angabe; die Aufzählung der Archivalien erfolgt nach dem
von Prof. von Kolde feinerzeit ausgearbeiteten Plane:
Urkunden, Salbücher, Chroniken, Rechnungen, Akten,
Matrikeln. Die Urkunden, zu denen der Herausgeber
auch die vielen Authentiken aus den Zeiten nach dem
dreißigjährigen Kriege rechnet, greifen in vielen Pfarreien
doch über das 16. Jahrhundert zurück; fie behandeln
meift kirchl. Stiftungen und Eigentumsverhältniffe, auch
Ablaßbriefe und Weihurkunden. Unter den in faft keiner
Pfarrei fehlenden Lehen-, Zinsbüchern etc. findet fich
natürlich viel Material über wirtfchaftliche FTagen, wenn
es fich auch meift nur um lokale Verhältniffe handelt.
Daß auch früher fchon gefchichtlicher Sinn vorhanden
war, beweifen die in nicht wenigen Pfarreien vorhandenen
Ortschroniken; doch kann über ihren Wert noch kein Urteil
abgegeben werden. Die Rechnungen zerfallen in
Gotteshaus-, Pfarrei-, Frühmeß- und Bruderfchaftsrech-
nungen; die älteften vom Jahre 1498 hat Ingolftadt, die
zweitältefte eine Land-Filialkirche Frankenhof von 1511.
Der Akten find mancherlei; meift rechtlicher Natur, doch
auch folche, welche das innerkatholifche Leben betreffen,
wie Weihe von Kreuzwegen, Bruderfchaften etc. Das
wichtigfte, die Matrikeln beginnen 1542 in dem damals
eben proteftantifierten Hilpoltftein. Unter den kirchlichen