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Ausgabe:

1921 Nr. 1

Spalte:

182-184

Autor/Hrsg.:

Friedensburg, Walter (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Archiv für Reformationsgeschichte. Texte und Untersuchungen. Nr. 65, 17. Jahrg 1921

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1921 Nr. 15/16.

182

gehen müffe, und fich insbefondere gegen das Inftitut der
Oblaten wendet, vgl. Liv. Öliger in Archiv. Franzisc. hift.
VIII, 389 h Gerhard und Nikolaus waren Anhänger
Wilhelms von St. Amour. Es ift dankenswert, daß B.
an der Spitze feiner Texte (S. 1—36) aus dem berühmten
Traktat Wihelms ,über die Gefahren der jüngften Zeiten'
vom Jahre 1255, dem Ausgangspunkt des literarifchen Ar-
muts- und Exemtionsftreites an der Univerfität Paris, 7
Kapitel im Neudruck bietet als notwendig zum Verftänd-
nis der nachfolgenden Schriften nach Form und Inhalt.
— S. 262 f verzeichnet B. die noch unediert gebliebenen
Werke aus der Kontroverfe der 2. Hälfte des 13. Jh.'s;
erft etwa die Hälfte der theologifchen Streitfchriften fei
nun im Druck erfchienen.

Marburg (Lahn). K. Wenck.

Köhler, Walther: Wie Luther den Deutfchen das Leben Jehl
erzählt hat. (Schriften d. Vereins f. Reformationsgeschichte
. No. 127/28.) (VI, 154 S.) gr. 8°. Leipzig,
R. Haupt 1917. M. 3 —; geb. M. 4.50

Es wäre eine verdienftliche Aufgabe, einmal zu unter-
fuchen, wie man fich in den einzelnen Jahrhunderten der
deutfchen Gefchichte vom Heliand an bis zur Neuzeit
das Leben Jefu dargeftellt hat. Es würde fich gewiß eine
reiche Wechfelwirkung zwifchenEvangelium und deutfcbem
Geift erfehen laffen. Wie weit hat letzterer es vermocht,
das erftere in feine Geiftesfphäre zu ziehen; wie ift er
andrerfeits von jenem beeinflußt worden. Einen wichtigen
Beitrag zur Löfung diefer Aufgabe bietet vorliegende
Publikation. Vielleicht war Luther doch der, der am
bebten unter allen Deutfchen das Evangelium verband.
Allerdings hat Köhler ganz davon abgefehen, die Reden
Jefu zu verwerten. Seine Gründe find nicht unberechtigt;
der Reformator hat fie meiftens zu dogmatifchen Ausführungen
benutzt. Aber das kann nicht abhalten, fie zu
berückfichtigen, wenn anders man feiner Auffaffung von
einem Leben Luthers ganz gerecht werden will. Man lese
nur einmal, was er am Schlurfe des Vorworts zum neuen
Teftament (1522) fagt. Bei Abfehen von allem Dogmatifchen
würden fich gewiß auch diefelben Grundzüge
ergeben, die wir bei Betrachtung der von Köhler mitgeteilten
Gefchichten erkennen. Es ift doch recht wenig,
was uns aus der Bergpredigt mitgeteilt wird; man vergleiche
damit die ungemein lehrreichen Ausführungen
Erl. A. 43, 136 f. oder 356 b Auch hat Köhler unter dem
von ihm ins Auge gefaßten Gefichtspunkt nur eine Auswahl
geboten; es ließen fich wohl noch manche andere
Stücke in Luthers Werken finden; z. B. Jefus in Nazareth'
in der Schrift ,Schem Hamphoras und vom Gefchlecht
Chrifti' 1543. Aber abgefehen von diefen grundfätzlichen
Erwägungen kann Köhlers Zufammenftellung nur dank-
barft begrüßt werden. Eine wertvolle Gabe für das
deufche Volk. Vor allem aber Dank, daß er in der Vorrede
fchon auf die wichtigften Gefichtspunkte aufmerkfam
gemacht hat, die bei einer wiffenfchaftlichen Verwertung
zu beachten find. Wenn auch Luther auf Vorgängern
fußte, er verfügte über eine originale Auslegungs- und
Darftellungskunft. Denn in ihm verband fich vollkommene
Selbftändigkeit dem Texte gegenüber mit gewaltiger Einfühlung
in jede einzelne Situation und feinftem pfycho-
logifchem Verftändnis für die verfchiedenen Perfönlich-
keiten. Daneben eine plaftifche Darftellungsgabe; er
zeichnet oft unübertroffene Genrebilder. Nicht vergeffen
fei, daß Luther auch hier wieder ein Lehrer für uns wird,
vollkommene Freiheit und doch wieder Gebundenheit an
Gottes Wort (,Glauben'), wiffenfchaftliche Forfchung und
edle Volkstümlichkeit in der Darfteilung, heilige Vergangenheit
und alltägliche Gegenwart müffen fich auch
bei uns verbinden.

Alfeld. Schornbaum.

Archiv für Reformationsgerchichte. Texte u. Unterfuchgn.
In Verbindg. m. dem Verein f. Reformationsgefchichte
hrsg. v. D.Walter Friedensburg. Nr. 65, XVII. Jahrg.
(80 S.) gr. 8°. Leipzig, M. Heinfius Nachf. 1920.

M. 6—; in der Reihe M. 5 —
Willkommen ift Krokers genauer Nachweis, daß
Luthers heizbares ,armes' Arbeitsftüblein in dem abgebrochenen
Gartenturm auf der Südfeite des Schwarzen
Klofters gegen die Elbe lag, in deffen Dachgefchoß
Luther Karlftadt dreizehn Wochen lang 1525 verborgen hielt,
und daß ihm Staupitz diefen Raum wahrfcheinlich zugleich
mit einem eigenen Diener 1515 zuwies. Man fleht nun auch,
wie Schlaginhaufen Luther fagen laffen konnte: DiefeKunft
(Verftändnis der Gerechtigkeit Gottes) hat mir der Geift
Gottes auf diefer cloaca eingeben. Das Triumphgefchrei
über diefe Worte muß verftummen, denn es beweift nur
Unwiffenheit oder böfen Willen. S. 303, 31 u. 304,71. Mochau
ftatt Lochau. Der Wert der Tifchreden ift durch v. Schubert
etwas in Mißkredit gekommen. Wahl unterfucht nun die
Tifchreden der Frühzeit, um ihren Wert gegenüber den
Briefen einer- und Denkwürdigkeiten andererfeits feft-
zuftellen und die Fehlerquellen (Schwierigkeit des Nach-
fchreibens, Verfagen des Gedächtniffes, Vorficht oder
Diskretion) nachzuweifen. Den vollen Wortlaut Luthers
erhalten wir nicht. Er vergleicht die urfprünglichen
Parallelen der gleichzeitigen Nachfchreiber derfelben
Gefpräche 1531—53: Veit Dietrich, Schlaginhaufen, Rabe
und Dietrich-Medler, von denen der erftere für den Hifto-
riker weitaus der wertvollfte ift, denn er fchreibt mit
jugendlicher Rückfichtslofigkeit, nur in einigen Stücken
ift Schlaginhaufen beffer. Auf die einzelnen Ergebniffe
von Wahls Unterfuchung kann hier nicht eingegangen
we-iden. Geben die Tifchgenoffen nur Bruchftücke von
Luthers Gedanken, fo find fie doch eine überaus wertvolle
Quelle, aus der man freilich vorflchtig fchöpfen muß. —
Haußleiter befpricht den Inhalt einer Greifswalder
Handfchrift, die wohl teilweife von einem aus Würzburg
flammenden Schreiber gefchrieben und nach Febr. 1545,
aber vor Febr. 1546 entftanden ift, Briefe und Gutachten
(überwiegend von Luther und Melanchthon) gibt, aber
auch Stücke von Vorlefungen beider, fo aus Melanch-
thons Ariftotelesvorlefung vom 17. Okt. 1543, S. 83,
13 1. Gochfe ftatt Goche. Wichtiger ift Luthers Genefis-
vorlefung vom 17. Okt. 1543, die den von Luther oft be-
fprochenen Erfurter Fall wiedergibt und einen befferen Text
bietet als W. A. 44. 221—223. — Stuhlfauth ,Zum
Pafflonal Chrifti und Antichrifti' fleht mit Recht in dem
bärtigen kriegerifchen Papft Julius II. und in dem Papft
mit dem feilten Geficht Leo X. Der Ersatz des wandernden
Chriftus mit dem auf dem Weg nach Golgatha
zufammenbrechenden Chriftus in der zweiten Ausgabe
beruht nicht auf einem Zufall infolge Befchädigung des
Holzftocks, wie Kawerau annimmt, fondern ift ein wirklicher
Fortfehritt, fachlich und künftlerifch. — Der uns
zu früh entriffene Kawerau gibt nach einer Handfchrift
der Lutherhalle in Wittenberg aus dort ge-
fammelten Anfchlägen am fchwarzen Brett ein Bild vom
Univerfltätsleben in Wittenberg 1544/45: Ankündigungen
von Vorlefungen, Promotionen, Einladungen zu Begräb-
niffen, Warnungen vor nächtlichen Unruhen und Verunreinigungen
, Einfchränkung der Korten für Studien und
Vergnügungen. S. 4 Anm. 1. ift Zu Alb. Viteb. 1, 195
Rhemhiltensis (aus Römhild) zu lefen. — Ebenfalls ein
Stück Wittenberger Leben entrollt Buchwald aus ,Georg
Helts Wittenberger Predigttagebuch'. Helt verzeichnet
die von ihm gehörten Predigten vom 25. Mai 1533 bis
27. Mai 1555, 17. Dez. 1541 bis 19. März 1542, 1. Juli 1543,
29. Okt. 1544, dann Mufas Predigten inMerfeburg 16. Nov.
1544 bis 2. Febr. 1545. Nun läßt fich Luthers, aber auch
Bugenhagens Predigttätigkeit in diefer Zeit genau feft-
ftellen, ebenfo auch Melanchthons Vorlefungen am Sonntagmorgen
6 Uhr. Luther kürzt feine Predigt wegen der
Hitze, aber auch einmal wegen Schwindel und wird durch