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Ausgabe:

1920 Nr. 1

Spalte:

153-154

Autor/Hrsg.:

Simons, Eduard (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Theologische Arbeiten aus dem Rheinischen wissenschaftlichen Predigerverein. N. F. 18. Heft 1920

Rezensent:

Zillessen, Alfred

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Seite 1

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153

Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 13/14.

154

aus den Tagen Butzers und Calvins (Valerand Poullain I geistiger Struktur. Luther fieht Volk uud Leben als emi-
und die Jungfrau Willerzy), Grundfätze reformierter 1 nent religiöfe, Goethe als eminent künftlerifche Perfön-
Kirchenverfaffung (Anzeige von Riekers gleichnamigem lichkeit. — Pfr. de Haas zeichnet kurz die 50jährige GeBuche
), Die Entftehung und der urfpr. Sinn der refor
mierten Gemeindeordnung, Wefel und die modernen
Kirchenverfaffungspläne, Was ift und welche Aufgaben
hat eine lebendige evangelifche Gemeinde?, Die evan-
gelifche Gemeinde im Kampf der Gegenwart (bisher ungedruckt
), Der theologifche Charakter des Heidelberger
Katechismus, Studienanftalten in der Domgemeinde zu
Halle a. S., Albr. Ritfehl als Reformationshiftoriker, Zur
gegenwärtigen theologifchen Lage in Deutfchland. Das
Ganze gibt ein wohl abgerundetes Bild reformierter Ge-
fchichts- und Glaubensauffaffung in Vergangenheit und
Gegenwart und wird, namentlich in den praktifch gerichteten
Auffitzen, dem Calvinismus neue Freunde
werben. Im einzelnen bemerke ich folgendes:

Worauf nützt fich die Behauptung von dem Einfluffe von Luthers
Galaterbriefkommentar aufZwingli? (S. 9). Die humanidifchen Studien
Zwingiis in Wien und Bafel find nicht fo bedeutfam gewefen wie die
fcholafiifchen, nur daß die alterten und damit auch die neueren Biographen
diefe unterdrückten (zu S. ioi. Die Zürcher Täufer auf die
mittelalterliche Myfiik zurückzuführen, geht nicht an (zu S. 15), umgekehrt
dürfte eine genauere, dringend benotigte Untcrfuchung das Urteil
(S. 28, vgl. S. 77, 179) als irrig erweifen, daß ,EinÜüfle Zwingiis auf
Calvin nur in äußerft geringem Maße zu fpüren' find. Gegen die Be
hauptung S. 74, daß ohne Calvin ,die Schweizer entweder völlig luthe

fchichte des Rhein. wilT. Predigervereins und ihre Lehren
für Gegenwart und Zukunft: bezeichnend der wiffenfehaft-
liche Sinn in der rheinifche Pfarrerfchaft (ob vor andern
Provinzial- und Landeskirchen? d. R.) und das friedliche

Nebeneinander verfchiedener theologifcher Riehtuno-en _

D. Rotfcheidts Rheinifche Bibliographie für 1917/18
macht den Schluß.
Aachen. Alfred Zilleffen.

Schleiermacher, Friedrich: Vaterländifche Predigten.

Eine Auswahl (hrsg. v. Christian Boeck) I. Kampf u.
Niederlage. (79 S.) II. Neubau u. Erhebung. (91 S.j
gr. 8°. Berlin, Staatspolitifcher Verlag 1919/20.

zuf. M. 6.50

Die Sonderausgabe der bekannteften vaterländi-
fchen Predigten aus den Jahren 1806—1813 verdient Dank
und Anerkennung. Der Herausgeber glaubt, daß fte gerade
dem gegenwärtigen Gefchlecht vieles zu lagen haben, und
darin wird er Recht haben. Der Text ift nicht einfach
der Ausgabe der gefammelten Predigten Sehls entnommen
, fondern geht auf die erften Drucke zurück. Nur
wo der Gedanke in der 2. Auflage wefentlich verändert
ranifiert «jder'zu einer bedeutungslöfen Sekte herabgefunken' wären, er- j ift, ift die Stelle befonders kenntlich gemacht. In einigen

hebt die hiftorifche Figur Builingcrs Einfpruch. Die anabaptiftifchen Vorbemerkungen zum erften Band weift der Herausgeber

Gemeindebildungen find doch wohl mehr als bloße .Analogie' (S. 158) 1
zum reformierten Verfaffungsideal, wie das S. 176 Lang ja auch felbft

andeutet. Zu S. 194: Die Bibliotheca reformatoria Neerlandica ift jetzt
abgefchlolTcn. Wäre das wirklich das Ideal, daß ,nur die Abendmahls-
gemeinde kirchliche Rechte befitztf (S. 214). Eine wirkliche Abendmahlsgemein
f c ha ft läßt fich doch nur in ganz kleinem Kreife erzielen
, m. E. wird die Bedeutung des Abendmahls überhaupt ftark
überfchätzt. Zur Armenpflege S. 231: kann die Gemeindearmenpflege
.ihren Pfleglingen fo viel Mittel darreichen, als fie zur Ausbildung eines
chriftlichen Charakters und zur Führung eines chriftlichen Lebenswandels
bedürfen?' Wie will man da einfehätzen? Kirchenrechtlich dürfte es
doch den allergrößten Schwierigkeiten begegnet fein (heutzutage kommt
das Ganze ja nicht mehr in Betracht), der um einen wegen Irrlehre abgefetzten
Geiftlichen fich feharenden Gemeinde .gegebenenfalls noch eine
mäßige Unterftützung aus landeskirchlichen Mitteln zu gewähren'; und
religiös befriedigt der Gedanke: Geldes ift der Ketzer noch wert, aber
der Gemcinfchaft nicht, erft recht nicht (zu S. 252). Der katholifch-
mittelalterliche Boden der Täufer ift fchwerlich richtig (zu S. 310, vgl.
oben), und die Rechtfertigung haben die Täufer röcht angenommen,
weil fie Jefus nicht kennt — fie fpüren das Problem: Jefus und Paulus.
Daß für die Entwicklung der Ritfchlfchen Theologie die ev.-foziale
Bewegung der neunziger Jahre entfeheidend wurde (S. 322), kann ich
nicht finden, die Entwicklung wurde durch ganz andere Faktoren bedingt
, wie man etwa im 2. Bde. der gefammelten Schriften von Troeltfch
nachlefen kann.

Zürich. W. Köhler.

Theologifche Arbeiten aus dem Rheinifchen wiffenfehaftlichen
Predigerverein. In Gemeinfchaft m. den übrigen Vorstandsmitgliedern
hrsg. v. Prof. D. Simons. N. F.
18. Heft. (III, 128 S.) gr. 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr
1919. M. 9 —

Dr. E. Reichel-Zwickau fchildert auf Grund reichlicher
, m. E. doch nicht ausreichender Literatur die Vor-
ftellungen der Münfterfchen Widertäufer über ihr Verhältnis
zur Welt und zu ihren Mitmenfchen (erft Abfon-
derung, dann Abwehr und Vernichtung mit chiliaftifchem
Ziel). — Pfr. H. Rodewald-Irmenach bietet die Fort-
fetzung feiner Studie in Heft 17: Pfalzgraf Georg Wilhelm
von Birkenfeld und die Spanierzeit (II. 1626—1629). —
Studienrat Dr. P. Benrath-Aachen behandelt in einer
fehr forgfamen und feinen Studie das Thema: Goethe und
Luther: Gs. Vertrautheit mit Luthers Bibel- und Lieder-
fprache, feine Unterfcheidung zwifchen Luther und Luthertum
, die Beziehungen auf die Reformation in Gs. Schriften,
befonders im Götz, Gs. Befinnung auf feinen proteftanti-
fchen Diogenismus gegenüber der katholifierenden neu-
deutfehen Romantik, feine Betätigung zur Zeit des Reformationsjubiläums
, mit dem Ergebnis: neben einer Konvergenz
von Lebensrichtungen fteht die Divergenz der
Lebens- und Weltanfchauung auf Grund verfchiedenfter

in anfprechender Weife auf die Bedeutung hin, die diefe
Predigten in ihrer Zeit gehabt haben, in unferer Zeit
haben können.

Sterkrade. L. Victor.

Fr oft, Prof. Walter: Schopenhauer als Erbe Kants in der
philofophifchen Seelenanalyfe. Nachweis e. empir. Anwendbarkeit
der transzendentalen Methode. (Nach e.
.Vortrag.) (32 S.) 8°. Bonn, C. Georgi 1918. M. — 70'
Der Verfaffer, bekannt durch eine eigentümliche
Naturphilofophie, will nachweifen, daß es ein Mittleres
geben könne zwifchen rational-transzendentaler und em-
pirifch-pfychologifcher Methode, alfo eine Art empirifcher
Anwendungsform der transzendentalen Methode. Wenn
auch die Ausführung des Gedankens im einzelnen fehr
unkritifch ilt, fo erfcheint es doch als ein Verdienft, erneut
auf das bereits öfter geftellte Problem hingewiefen
zu haben, wie ein ,Erleben transzendentaler Reflexionen'
zu denken und zu deuten fei. Ein Beifpiel möge den
Gedankengang des Verfaflers erläutern. Bekanntlich wird
von manchen Religionspfychologen beftritten, daß der
Wahrheitstrieb der alles beherrschende Trieb der Seele
fei. Es könnte nun fehr wohl möglich fein, daß ,man
auch diefen geiftigen Trieb gleichfam von den Kelchblättern
transzendentaler Reflexionen und Bedürfniffe fich
umfchloffen zu denken hätte'.

Die Darftellung ift nicht ohne Anregung, aber als
Ganzes doch unbefriedigend. Das liegt einmal daran,
daß der Verfaffer den Grundfatz aufstellt und danach
handelt, ,die Philofophen Sollten von den KünStlern eine
freie Art erlernen, Philofopheme zu deuten', Sodann aber
vor allem an dem Mangel hiftorifcher und fyftematifcher
Verankerung der Probleme. Sammeln von Beispielen
und zerftreuten Anmerkungen reichen nicht aus, in die
Tiefen des Syftems zu dringen. Die Art, wie Sich gelegentlich
Gedankengänge diefes Syftems im Erlebnis
des Verfaflers widerfpiegeln, kann nicht maßgebend fein
für Deutung und Beurteilung der letzten Motive.
Bremen. Dr. Bruno Jordan.

Kierkegaard, Sören: Stadien auf dem .Lebensweg. (Mit
Nachwort v. Chriftoph Schrempf. Überfetzt v. Christoph
Schrempf u. Wolfg. Pfleiderer.) (Gefammelte
Werke, B. 4.) (480 S.) 8°. Jena, E. Diederichs 1914.

M- 7-50; geb. M. 8.80
Wer würde wohl Piatos ,Sympofion' heutzutage einer