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Ausgabe:

1920 Nr. 1

Spalte:

138

Autor/Hrsg.:

Kaftan, Theodor

Titel/Untertitel:

Luthers Katechismus, wie ein Hausvater denselben einfältig erklären soll 1920

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 11/12.

138

bensläufe vor uns liegen. — Merkwürdig ift mir, daß fie S. 133 fagt'.
,Genau wie die Ehe kann uns auch die freie Liebe Pflicht fein', wenn
fie nicht aus Eigenfucht fondern aus dem Streben nach dem Ideal hervorgeht
. Sollte nicht hier Verzicht und Entfagen, von dem die Verf.
an anderer Stelle fpricht, am Platze fein? Ihr hypothetifches Eintreten
für freie Liebe fcheint aus dem Gefühl hervorzugehen, daß Gottes Weg
mit jedem Wefen verfchieden ift. Nur keine Vergewaltigung! Jeder
foll ehrlich, folgerichtig und treu dem Guten folgen, das nach harten
Kämpfen frei aus dem Innern hervorftrömen foll. ,Wir find nicht dazu
berufen, über die Menfchen zu urteilen, fondern, rein und liebend,
mitten unter ihnen zu leben; denn nur dadurch, daß wir fie ertragen
wie fie find, geben wir ihnen Zeit und Gelegenheit fo zu werden, wie
fie fein follen' (S. 117).

Bafel. Johannes Wendland.

Traub, Prof. Dr. Friedrich. Rudolf Steiner als Philofoph und Theo-

roph. (VII, 48 S.) gr 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1919. M. 1.50
Zur heute fo nötigen Auseinandcrfetzung mit Steiner ilt dicfe
Schrift eine gute Hilfe. Nach einer umfallenden Darfteilung bietet
fie eine Kritik der neuen Lehre, die ihr Verhältnis zum Chriftentum als
durchaus unklar und widerfpruchsvoll und fie felbft als gefchichtslofe
Gnofis ohne viel ethifche Bedeutung hinftellt, die von den .Nicht-Heil-
fehern' autoritätsmäßig angenommen werden muß.

Heidelberg. F. Nieberg all.

Ehrenberg, Rudolf: Ebr. 10,25. Ein Schickfal in Predigten
. Hrsg. v. E. der Bücher vom Kreuzweg i. Folge.
Würzburg, Patmos-Verlag 1920. (VIII, 493 S.) 8°.

M. 25—; geb. M. 28 —
Zeichen und Wunder — ein richtiger Profeffor der
Phyfiologie gibt richtige Predigten herausI Es ift ein
Schickfal in Predigten: der junge Pfarrer wirbt ftürmifch
um feine neue Gemeinde; Widerfpruch nebft einem Bund
der Treuen ift fein Erfolg; aber feine Ehe mit einer ka-
tholifchen Frau zwingt ihn, fein Amt aufzugeben. Ins
Feld als Soldat eingerückt, fammelt er wieder in Kaferne,
Eifenbahnwagen, Depot und Graben ein Häuflein von
Getreuen, bis er, durch Sturz verunglückt, feiner Frau als
feiner letzten Gemeinde feine Abfchiedspredigt hält. Aber
was für Predigten find es, die er auf diefen fchicksals-
reichen Jahresgang verteilt 1 Aus der fprühenden Fülle
diefes Geiftesfpringbrunnens leuchten zwei Gedanken heraus
, in denen fein ganzer Wille lebt: Gott und alles, was
gefchieht, als Schickfal erleben und Gemeinfchaft mit den
Menfchen pflegen. Streng im Geift und in dem Ton der
lutherifchen Orthodoxie wirkt die Predigt auf diefes Ziel
hin mit einer Verfchwendung von Gedanken, Bildern,
Einfällen aller Art, und das alles in einer fo vollendeten,
wenn auch oft fchweren Sprache, daß man wirklich vor
einem homilitifchen Novum fteht. Ift auch oft der Text
fehr frei verwendet, wie kennt der Mann aber die Schrift!
Alles kein Mufter, aber eine Erfrifchung für Prediger und
ein Beitrag zur Frage der Zulaffung von Laien zur Kanzel.
Heidelberg. F. Niebergall.

Problem unferer Tage fchwer empfindet: unferem Volk-
Gottes Ernft und Gottes Güte fo zu predigen, daß weder
Chriftentum noch Vaterlandsliebe dabei zu Schaden
kommen.

Gießen. M. Schian.

Der ewig reiche Gott. 10 Predigten v. Th. Haering, E. Hirfch,
P. Kaiweit, Fr. Niebergall, H. Pachali, A. Ritzhaupt,
M. Weiß, J. Wendland, K. Weyrich, P. Wurfter. (Göttinger
Predigt-Bibl. 15. Reihe, 3. Heft.) (90 S.) 8°.
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1919. M 1.80
Diefe Predigten wollen zum Ausdruck bringen, was
Gott dem deutfchen Volk nach Krieg und Revolution zu
fagen hat. Sie bringen alle reiche und gute Gedanken;
ich fand weder die beliebten oberflächlichen Anklagen
noch ein religiös irrendes Pochen auf Gerechtigkeit, wohl
aber viel ernftes Bemühen um tieferes Eindringen. Daß
dabei auch Ausführungen begegnen, die mancher Leser
ablehnt (Niebergall fpricht hypothetifch von einer beginnenden
Zeit der Verftändigung), verfteht fich. Die
Ausführung ift fehr verfchieden; die Länge fchwankt
zwifchen 4 und 16 '/2 Seiten (J. Wendland, Pred. im Gottes-
dienft deutfcher Internierter in Bafel Advent 1918; der
befondere Anlaß macht die große Ausführlichkeit begreiflich
). Daß fich in dem Bändchen kein minderwertiges
•Stück findet, fei befonders betont. Hier findet derjenige
Anregung und Förderung, der das gewaltige homiletifche

Kaftan, Gen.-Superint. i. R., Wirkl. Geh. Oberkonf.-Rat
D. Theodor: Luthers Katechismus, wie ein Hausvater
denfelben einfältig erklären foll. (IV, 47 S.) kl. 8°.
Schleswig, J. Bergas 1919. ' m. 1.40'

Der Verfaffer bietet auf Grund feiner .Auslegung des
lutherifchen Katechismus' dies Heftchen dar zum Gebrauch
in Schule und Haus. Es ift im wefentlichen eine
dem Wortlaut genau folgende Paraphrafe von Luthers
Katechismus, die wertvoll ift, weil fie auf Forfchung,
Überlegung und langjährigem praktifchen Gebrauch beruht
und von dem Bemühen geleitet ift, Luthers eigne,
echte Gedanken zur Geltung zu bringen. Leider find
die täglichen Gebete und die chriftliche Haustafel nicht
mit abgedruckt.

Kritifch bemerke ich folgendes. Die .Gaben des Geiltes' find m. E.
nicht Erkenntniffe, fondern die Tugenden (S. 28). Heiligen heißt auch
im 3. Artikel zu Gott führen (S. 27). Der neue Bund beim Abendmahl
weift eher auf Jerem. 31, 31 ff. als auf das PafTahmahl (S. 45). Die
Definition von .Glauben' S. 18 ift anfechtbar. Die Worte ,von der Gewalt
des Teufels' werden S. 25 erfreulicherweile modern erklärt. Bei
dem .feinen Götzendienft' S. 4 vermißt man die Erwähnung der Selbft-
fucht. Ob das 3. Gebot ganz in Luthers Sinn befprochen ift, kann
man bezweifeln. Was fich ein einfacher Menfch unter dem Gegenfatz
.nicht fleifchlich, fondern fakramentaT S. 45 denken foll, weiß ich nicht;
ebenfowenig, wie er den Satz verftehen wird ,1m Namen Gottes ift Gott
uns gegenwärtig, und zwar fo, wie er fich uns geoffenbart hat'. Daß
die Erklärung fonft viel Praktifches und Treffliches enthält, verfteht fich
bei dem Verfalfcr von felbft.

Frankfurt a. M. W. Bornemann.

HaTe, P. Wilibald, u. P. Otto Reichel: Jugendgottesdienfte. Eine
prakt. Handreichg. 2. Heft. (IV, 84 S.) 8°. Dresden, C. L. Ungelenk
1919. M. 2.40
Dem großen Bedürfnis nach Stoff für Chriftenlehre, Jugendgottesdienfte
und Jünglingsvereinsabende kommt diefe Sammlung mit guten
Gedanken entgegen. Das vorliegende Heft enthält in drei Abteilungen:
die kämpfende, die bauende Kirche und die Stellung der Kirche zur
Welt, eine Reihe von gut gewählten Thematen; z. B. die modernen Angriffe
auf das Chriftentum (Auferftehung — Wunder fehr verftändig behandelt
—). Unfer Friedhof, der Chrift und die Zeit, Pflichten gegen
den eignen Körper u. a. Immer ift gefchichtliches und ftatiftifches
Material beigebracht und an manches in dem Leben gedacht, was nicht
jedem Hofrat einfällt — das Ganze alfo eine brauchbare Hilfe für jene
wichtigen Amtsarbeiten.

Heidelberg. F. Niebergall.

Wagner, Peter: Einführung in die katholifche KirchenmuNk.

Vorträge, geh. an der Univ. Freiburg in der Schweiz
f. Theologen u. andere Freunde kirchl. Mufik. (VII,
198 S.) gr. 8°. Düfleldorf, L. Schwann 1919. M. 7.50'
Wagner hält mehr, als er verfpricht. Seine Schrift
ift eine Einführung in den Gefamtgeift des römifchen
Katholizismus, von dem der namhafte Gelehrte bis in die
Haarfpitzen durchtränkt ift. Er beabfichtigt nichts anderes
als, nach einer populären gefchichtlichen Einleitung die
Beftimmungen Pius X., des Großen, hinfichtlich der Kirchen-
mufik (Venetian. Hirtenbrief vom 1. 5. 1895, Motu proprio
vom 22. 11. 1903) gemeinverftändlich auszulegen.

Der Papft wahrt nur fein Hausrecht, wenn er den Glaubens- und
lehrgefetzlichen Normen mufikpolizeiliche von gleicher Verbindlichkeit
an die Seite ftellt. Er ift dabei zugleich Hüter der Überlieferung wie
des Fortfehritts. Die Kirche war dies beides ftets. Die Kirche lehrte
immer ... Die Kirche fagte zu allen Zeiten ufw. Diefe Glaubensurteile
erheben hoffentlich nicht Anfpruch auf wiffenfchaftliche Geltung. Drei
Eigenfchaftcn verlangt Pius von der in der Kirche zuläffigen Mufik. Sie
muß heilig, von künftlerifchem Werte und univerfell fein. Ganz leicht
wird dem gewandten Kommentator die Klarlcgung diefer Begriffe nicht;
wir können fie auf fich beruhen laden, da alle zuletzt auf eins hinauskommen
: römifch-korrekt, d. h. würdig des .Dienftes der heiligen Ge-
heimniffe des Altares', der den eigentlichen Zweck des Kultus ausmacht.
Die großen Wiener Klaffiker fallen hiermit alle von felbft beifeite, wiewohl
Mozarts Ave verum gepriefen, übrigens auch .Großer Gott, wir
loben dich' (für minder feierliche Gelegenheiten!) .erhebend' gefunden
wird. Die rigorofen Verbote der Inftrumentalbegleitung in der Meffe
und der ,zu finnlichen' Frauenftimmc werden von W. nach Möglichkeit