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Ausgabe:

1920

Spalte:

127-128

Autor/Hrsg.:

Soden, Hans Freiherr von

Titel/Untertitel:

Geschichte der christlichen Kirche 1920

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. u/12.

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tifchen, flavifchen, amerikanischen und oftafiatifchen
Länder und Völker kommen, bis zur Neuzeit, dem Einsetzen
der eigentlichen Weltgeschichte eine umfaSSende,
ganz kurze und doch nicht unwiSSenSchaftliche Gefamt-
darftellung zu bieten. Der Verf. hat diefen Verfuch aus
Erfahrungen des akademischen Unterrichts heraus unternommen
, und wer weiß, wie Schwierig ZufammenfaSSungen
Solcher Art überhaupt Sind, wie große Anforderungen an
die Refignation im einzelnen und im ganzen dabei geftellt
werden, der wird diefen Verfuch würdigen, felbft dann,
wenn er mit Einzelheiten nicht einverstanden ift. Im
Leben der Völker ift das Ringen um die Macht die
treibende Kraft, und dies Ringen um die Macht Stellt
Sich dar in kriegerischen Verwicklungen. Naturgemäß
Stellt C. die großen kriegerischen Ereigniffe als ein Gerippe
feiner Darstellung hin, ohne jedoch bei den militärischen
Einzelheiten Sich irgendwie aufzuhalten. Wenn
auch die geiftesgefchichtliche und die kulturelle Entwicklung
durch die Anlage grundsätzlich ausgeSchloffen ift,
So gibt der Verfaffer doch gelegentlich mit ganz kurzen
Strichen Sehr treffende Charakterisierungen epochemachender
Persönlichkeiten; dadurch wird die Darfteilung erheblich
belebt. Für feine Einteilung hat Sich der Verf.
nicht an die fchulgemäße Periodifierung der Gefchichte
gehalten. Im ganzen mag man mit diefer neuen Einteilung
für die ftaatengefchichtliche Entwicklung einverstanden
fein. Die deutfche Reformation ift in einem
größeren Kapitel ,Spaniens Aufstieg und Niedergang ,
1483—löob' behandelt. Was bei Ranke in fechs Bänden j
feiner deutfchen Gefchichte Steht, ift auf wenige Seiten
zufammengedrängt. Für eine erfte Einführung, der das
Buch in erfter Linie dienen Soll, find die kurzen Literatur-
nachweifungen Sehr zu begrüßen; wefentlich vor allem
ift jedoch, daß C. energifch den knochenerweichenden
Pazifismus ablehnt und den Kampf um die Macht, als
das belebende Ziel der Nationalstaaten, für unausrottbar
hält.

Hannover. Otto Lerche.

Soden, Prof. Lic. Hans Freih. v.: Gefchichte der chriftlichen

Kirche. 2 Bdchn. kl. 8°. Leipzig, B. G. Teubner 1919.

Je M. 1.75; geb. M. 2.15
I. Die Entftehung der chriftlichen Kirche. Vorausfetzungen 11. Anfänge
der kirchl. Entwickig. des Chriftentums. (Aus Natur u.
Geifteswelt, 690. Bdchn.) (138 S.) — II. Vom Urchriftentum zum
Katholizismus. Die frühkathol. Entwickig. der chriftl. Kirche bis
zum Konftantin. Kirchenfrieden. (Aus Natur u. Geifteswelt, 691.
Bdchn.) (130 S.).

Der Teubnerfche Verlag eröffnet mit den beiden
vorliegenden Bändchen eine Reihe kirchengefchichtlicher
Darftellungen, die die gefamte Entwicklung der chriftlichen
Kirche von den Anfängen bis zur Gegenwart um-
faffen follen. Die beiden Bändchen find aus Vorträgen
entstanden, die H. v. Soden als Kriegsteilnehmer an der
Weftfront gehalten hat. An Hilfsmitteln Stand ihm dabei
nur das Heft feiner Univerfitätsvorlefung über die
Gefchichte der chriftlichen Kirche im Altertum zu Gebote
. Eine größere Anzahl von Quellenftücken, die zur
Veranfchaulichung dienen, wurde im Urlaub eingefügt.
Das erfte Bändchen Schildert die Entftehung der chriftlichen
Kirche (Vorausfetzungen u. Anfänge der kirchlichen
Entwicklung des Chriftentums), das zweite die Entwicklung
vom Urchriftentum zum Katholizismus. Die
Darfteilung verrät volle Beherrfchung des Stoffes und
tiefe Einficht in die Vorausfetzungen und die Triebkräfte,
Sowie in die Notwendigkeit und das bedingte Recht der
tatsächlich erfolgten Entwicklung. Mir hat fie einen Genuß
bereitet, und ich zweifle nicht, daß fie vielen gute
Dienfte leiften wird. Die Auffaffung ift im allgemeinen
die A. v. Harnacks, zu dem fich der Verf. in der Widmung
und im Vorwort des zweiten Bändchens als zu
feinem Lehrer bekennt. Aber v. S. hat die Harnack'fchen
Gedanken durchaus in Sich verarbeitet und weiß fie Selbständig
zu gestalten und zu begründen. Und in nicht

unbeträchtlichen Punkten weicht er von den Anschauungen
Harnacks ab, fo bezüglich des Verfaffers der
Apoftelgefchichte (I, 81 f.), des Todes beider Zebedaiden
(I, 58). Über die Änwefenheit Petri in Rom äußert er
Sich zurückhaltender (I, 57). Empfinde ich richtig, fo ift
er der religionsgefchichtlichen Forfchung gegenüber auf-
gefchloffener.

Die Heimatftadt des berühmten Apollonius ift I, 23 u. 99 Thyana,
II, 17 richtig Tyana gefebrieben. Zu I, 104: von der Vorftellung eines unmittelbaren
Übergangs zu ewigem Lohn oder ewiger Strafe durch
den Tod wird man für diefe Zeit kaum reden können, da der alte es-
chatologifche Gedanke infofern noch länger nachwirkte, als man die
Seelen, mit Ausnahme der Märtyrer, alle dem Hades zuwies, und das
Endfchickfal vom allgemeinen Endgericht abhängig dachte. Zu I, 112:
Geiftträger konnten wohl nicht nur geringere Vcrftöße' für vergeben
erklären. I, 110 Z. 6 v. u. muß es ftatt ,vorchriftlichen' offenbar heißen
,urchriftlichen' (im urchriftlichen KultusX Zu II, 42: Der Grundfatz der
,Monarchianer' bezieht lieh m. W. zunächft nicht auf das eine Prinzip
(«pyz/j in Chriftus, fondern auf die Einheit Gottes. Die Erklärung
II, 93, daß man zur Zeit Cyprians die mit dem Leben davongekommenen
Bekenner im Unterfchied von den Märtyrern Konfefforen genannt habe,
ift ungenau, da der Begriff des Martyriums gerade damals weiter ausgedehnt
wurde und man zwifchen Martyrium und vollendetem Martyrium
unterfchied. II, 105 wird die Frage aufgeworfen, ob Cyprian die Sclb-
ftändigkeit des einzelnen Bifchofs auch behauptet hätte, wenn er Bifchof
von Rom gewefen wäre. Richtiger und wichtiger als diefe Doktorfrage
ift wohl die (auch von H. v. S. I, 102 verzeichnete) Tatrache, daß der
einflußreiche Bifchof von Karthago, der in der Ketzertauffrage nachmals
fo unbeugfam blieb, in der Frage der Wiederaufnahme der Gefallenen
der Mehrzahl und dem Bedürfniffe der Kirche nachgegeben hat.
München. Hugo Koch.

WiI heI m, Friedrich: Denkmäler deutlcher Profa des II. und 12. Jahrhunderts
. (Abteiig. B: Kommentar.) Hrsg. u. m. Kommentar
u. Einleitg. verfehen v. W. Kommentar 1. Hälfte. (Münche-
ner Texte, Heft 8.) (128 S.) 8° München, G. D. w". Callwey
1916. M. 3 —

Zur Unterfuchung und Erläuterung von Denkmälern deut-
fcher Profades 11. und 12.Jahrhunderts werden hier eine Reihe
Iateinifcher Texte z. T. in kritifchen Neuausgaben abgedruckt, fo
Otlohs Gebet in Profa und Verfen; eine lateinifche Bearbeitung
des Phyfiologus (Dicta Chryroftomi); die wichtigften Trauformeln
und Anderes. Mit den fonftigen Belegftellen und erläuternden
Bemerkungen werden fie auch für den Kirchenhiitoriker nicht
ohne Nutzen fein.
Kiel. G. Ficker.

Tangl, Mich.: Die Deliberatio Innocenz' III. S.B. der preuß.

Akad. der Wiffenfch. Philof. hiftor. Kl. v. i8.Dez. 1919.

S. 1012—28.) Lex. 8°. Berlin, Vereinigg. wiffenfchaftl.

Verleger 1919. M. 2 —

T., von dem wir eine Sonderausgabe und eine Über-
fetzung von Innocenz' III. Registrum de negotio imperio,
des in urfprünglichem Beftand erhaltenen Sonderregifters
in Sachen der deutfchen Doppelwahl von 1198, zu erwarten
haben, würdigt in überzeugenden Ausführungen
die berühmte deliberatio des Papftes super facto imperii
de tribus electis von Weihnachten 1200, die bisher als
päpftliche Denkfchrift galt, als eine von Innocenz felbft
verfaßte im geheimen Konfiftorium vor den Kardinälen
allein vorgetragene Rede, die er dann in der Kanzlei
hinterlegte.

Man wußte, wie für die Öffentlichkeit beftimmte Schriftftücke
alsbald daraus gefpeift wurden. Manche ftaatsmännifche Erwägungen
des Redners, deffen Perfönlichkeitsbild eindrucksvoll hervortritt, wurden
aber zunächft oder überhaupt geheim gehalten.

So hat Innocenz nur eben hier vor gefchloffenen
Türen die feltfame Behauptung gewagt, Heinrich VI. habe
durch Empfang des Reichsapfels aus den Händen Coele-
ftins III. (eine gleichgiltige fymbolifche Neuerung bei der
Kaiferkrönung) bekundet, daß er das Kaifertum vom
Papfte zu Lehen nehmen wollte. Joh. Haller hatte. 1914
diefen von ihm aus dem Zufammenhang der Kaiferkrönung
von 1191 gelöften, auf den Herbft 1196 bezogenen Satz
in überrafchender Weife zu der Aufftellung verwertet,
daß der ftolze Kaifer fich in der Tat erboten habe, fich
als folcher zum Vafallen der Kurie zu machen. Im
Gegenfatz dazu ftellt T. in dem Exkurs ,die Deliberatio
und die Kaiferkrönung Heinrichs VI.' in eingehender
fprachlicher und fachlicher Erörterung den unleugbaren

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