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Ausgabe:

1920 Nr. 1

Spalte:

123

Autor/Hrsg.:

Dahlke, Paul (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Neu-Buddhistische Zeitschrift. Sommerheft 1919 1920

Rezensent:

Franke, R. Otto

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123

Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 11/12.

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Heilborn, Adolf: Entwicklungsgelchichte des Menfchen. Vier Vor-
lefgn. Mit 60 Abbildgn. nach Photogr. u. Zeichngn. (Aus
Natur u. Geifteswelt, 388 Bdchn.) (VIII, 87 S.) 8". Leipzig,
P>. G. Teubner 1914. M. 1.75; geb. M. 2.15

Eine vortreffliche Einführung in die primitive Kultur! Leider
nicht auch der geiftigen und fozialen (wenngleich es an Streiflichtern
auf diefe nicht ganz fehlt). Behandelt find: das Feuer, der
Nahrungserwerb, die Wohnung, die Tracht, die Waffen, das Handwerk
, Handel und Geld, die Verkehrsmittel, alles fachkundig
und leicht verftändlich. Ohne Ratzels Gedanken der Entlehnung
von Kulturgütern gänzlich abzulehnen, tritt H. doch im Sinne
Baftians für die Eigenftändigkeit der primitiven Kulturelemente
ein und leitet ihre Gleichförmigkeit aus der Gleichartigkeit des
menfchliehen Geiftes und der Naturbedingungen her.
Göttingen. Titius.

Neu-Buddhiftifche Zeitfchriff. (Hrsg.: Dr. Paul Dahlke). Sommerheft
1919. (62 S.) 8°. Berlin-Zehlendorf-W., Neu-Buddhiftifcher Verlag.

M. 1.50; Jahrespreis M. 6 —
Das vorliegende Heft (vgl. 1919 Sp. 193 t) bringt zunächft eine (ab-
gefehen von Einzelheiten treffende, aber etwas ungelenke) Überfetzung
von ,Channas Unterweifung' (Diskuffion über den Selbftmord), Majhima-
Nikäya No. 144 (= Samyutta-Nikäya Buch 35, Kap. 87, was D. nicht
angibt), mit anfchließender Erörterung D.s über die Auffatfung des
Selbftmordes im Buddhismus. Der dann folgende Artikel handelt über
Neu-Buddhismus. Eine neue buddhiftifche Gemeinde befteht nicht und
foll nicht gefchaffen werden. Das Vorhandenfein der Möglichkeit des
weltabgefchiedenen Lebens für folche, die ltillem Sinnen Pich hingeben
wollen, wäre freilich fehr zu wiinfehen. Der folgende Artikel ,Das Er -
gebnis' berichtet über eine Unterhaltung über in Buddhas Sinne falfch
geftellte Fragen: nach dem Ich und deffen Fortexiftenz oder Nichtfort-
exiftenz. Im nächften ,Der Abt von Nalanda' behandelt D. das geduldige
Sichhineinfinden in Schweres als einziges Mittel, fich davon zu
erlöfen. Der fich anfchließende .Gefühlvolle Beftialität' enthält leider
(S. 41) einen unerfreulichen Ausfall gegen Luthers fattes Behagen. In
manchem Sinne freilich paffen Luther und Buddha nicht zufammen, in
anderem, z. B. als geniale, dem Äußerlichen abgewandte Naturen, aber
aufs engfte. Das wäre viel hervorkehrenswerter. Es folgt eine fechfte
Studie zum Weltkrieg: .Weltkrieg und Weltwirtfchaft' (Wahres menfeh-
liches Bedürfnis geht nicht auf Bequemlichkeiten, fondern auf Freiheit).
In .Indifche Skizzen II' fchildert D. den ,Schwe Dagon, die goldne
Pagode von Rangun', das buddhiftifche Fefttreiben bei ihr und die
fromme Opferfähigkeit der Birmanen. Eine .Mahnung', u. a. zum Geben
(d. h. zum Abonnieren), befchließt das Heft. Die buddhiftifchen Gedanken
, mit denen D. feiue Anflehten durchdringt und motiviert, find
richtig gewählt und wiedergegeben. Einige notwendige Verbefferungen
zur Überfetzung im erften Artikel feien hier noch nachgetragen. Statt
.Stahl' follte es beffer .Meffer' heißen, ftatt ,Aug-Bewußtfein' (S. 2)
,Augen-Wahrnehmung', ftatt ,Beim Abhängigen gibt es Zittern' (S. 4)
.Beim (auf die Sinnenwelt) Gerichteten ift Unftetigkeit' und ftatt ,. . .
Familien, die . . . ihn befchuldigen' (S. 5) .Familien, die anrüchig find',
okäsam karoti nicht ,Muße hat' fondern .erlaubt'. In der Mitte von S. 3
ift zu überfetzen ,Was haft du am Auge wahrgenommen und erkannt,
daß du darüber fo urteilft: „Es ift nicht mein Eigentum . . .". In-
zwifchen ift auch das Herbftheft 1919 erfchienen.

Königsberg i. Pr. R. Otto Franke.

Kraeling, Dr. Emil, G. H., Aram and Israel or the Ara-
maeans in Syria and Mesopotamia. (XVI, 155 S.)
New York, Columbia University Press 1918. $ 1.50
Unter den fünf Hauptteilen des femitifchen Völkergebietes
(Gen. 10,22) pflegt Aram am wenigften bekannt
zu fein, weil es in der gewöhnlichen Überfetzung meiftens
(2 S. 8, 5; Jef. 7,1 ufw.) mit ,Syrien' wiedergegeben wird,
und weil es kein folches einheitliches Reich, wie z. B.
Assur, gebildet hat. Nun hat S. Schiffer in ,Die Aramäer.
Hiftorifch-geographifche Unterfuchungen' (1911) viel
Licht über diefen fünften Teil der Semiten verbreitet,
aber trotzdem war es noch eine wichtige Aufgabe, fpe-
ziell die Beziehungen der Aramäer zu Ifrael einer quellenmäßigen
Erörterung zu unterziehen. Daß dies aber
Kraeling in dem oben genannten Buche getan und mit
Hilfe aller überlieferten Materialien ein vollftändiges Bild
der zwifchen Aram und Ifrael vom grauen Altertum bis
zu den letzten Lebenszeichen der aramäifchen Staaten
gegenüber Affyrien (um 700) waltenden Beziehungen
aufzurollen verflicht hat, dies bleibt das Verdienftliche
an feiner Arbeit, wenn auch einzelne Striche in diefem
Gemälde der Korrektur bedürfen.

Denn fchon bei der Kritik der Zuverläffigkeit der Quellenausfagen
erkennt er zwar mit Recht nach dem Vorgang von C. P. Tiele (vgl.
mein Bibel und Babel «o 10 f.) und Olmftaedt (Aflyrian Historiography
1914) den übertreibenden Kriegsbulletinftil der Affyrer an (p. 3 f.), aber
verkennt doch mehrfach die Richtigkeit der hebräifchen Nachrichten.

Denn er bemerkt, daß ,der religiöfe Eifer derfelben fie oft, wie im Falle
Ahabs, daran verhindert habe, eine richtige Würdigung von Perfönlich-
keiten zu geben' (p. 4). Aber in 1. K. 22,34t. ift doch hervorgehoben,
daß Ahab, obgleich zum Tode verwundet, trotzdem auf dem Kriegswagen
flehen blieb, bis er fich verblutet hatte, und ob die hebräifchen
Nachrichten über die älteren Beziehungen zwifchen Aram und Ilrael
nicht als Grundlage einer gefchichtlichen Darfteilung gelten können
(p. 5), wird nachher feftzuftellen fein, wenn Kr.s Ausführung feines
eigentlichen Themas zu beurteilen ift. Vorher follen nur erft einige
Meinungen gewürdigt werden, die er abgefehen von feinem eigentlichen
Thema ausgefprochen hat: Er bezeichnet Arabien als Wiege
der Semiten (p. Ii), aber diefe allerdings weithin herrfchende Anficht
flößt fich ja an feiner eigenen Ausfage über die femitifchen Babylonier
.bauend ihren Staat im nördlichen Irdq und kämpfend mit den Sumerern
im Süden'. Von Süden kommend, hätten fie doch zuerft die
Sumerer überwältigt (viele andere Gründe für den nordfüdlichen An-
marfch der Semiten gibt mein Genefiskommentar 419 f). Frappant ift
die Aufftellung (p. 16), daß der Ort Qlr (Am. 9,7 ufw.) =■ Ur der
Chaldäer (Gen. 11,28 ufw.) fei. Aber fie ift nicht haltbar. Denn nicht
bloß ift die Deutung ,QJr — Wand aus Afphalt gebaut' und deren Zu-
fammenftellung mit Muqajjar mehr als kühn, fondern auch die daraus
fich ergebende Folgerung, daß die Aramäer aus Ur gekommen fein
müßten, flößt fich an folgenden Umftänden. Erdens ift Abraham kein
Aramäer genannt, und zweitens find die Aramäer in Am. 9,7 durchaus
von den Ifracliten unterfchieden. Außerdem fpricht die Parallele ,Elam,
Medien' und ,Elam, Qir' (Jef. 21,5 u, 22,6 ) dafür, das Qlr in der Nähe
Mediens lag (fo auch Schräder iu Riehms HWB.). Ferner die Anfet-
zung von Abrahams Einwanderung in Kanaan während der Amarnazeit
(p. 32) ift mehr als gewagt, denn die gefamte Überlieferung Ifraels,
gegen deren neuerliche Degradierung nicht wenige Tatfachen fprechen
(mein Gen.-Kom. 82ff.), weiß nichts davon, daß bei feiner erden oder
zweiten Einwanderung in Paläftina diefes Land fchon bzw. noch ägyp-
tifche Statthalter befeffen habe. Doch prüfen wir nun ein erftes Haupturteil
, das Kr. in bezug auf das eigentliche Thema feines Buches, die
Beziehung von Aram und Ifrael, fällt I Diefes erde Haupturteil lautet,
daß das Volk Ifrael zu den Aramäern gehört habe, aber diefes Urteil
kann nicht gebilligt werden, da es einerfeits eine Reihe von ausdrücklichen
Momenten des gefchichtlichen Gefamtbewußtfeins von Ifrael ignoriert
und andererfeits die Stellen, auf die es fich flützen will, unrichtig
auslegt.

Außer den beiden fchon erwähnten Tatfachen, daß Abraham kein
Aramäer genannt ift, und Arnos die Aramäer durchaus von den Ifrae-
liten getrennt hat, wird bei diefer Aufftellung auch die Tatfache außer
Acht gelaffcn, daß im Gegenfatz zu Jakob-Ifrael in allen Quellen Laban
,der Aramäer' genannt ift (Gen. 31,20. 24), daß die Hebräer von Arpakh-
fchad, diefem dritten Alle des Semitenftammes, und nicht von Aram,
dem fünften Alle, abgeleitet find (10,22—24; 11,10—17), und daß endlich
auch die Sprache Ifraels und der Aramäer verfchieden war, wie
fich fchon in gal'ed = jegär sahadüthä (31,47) zeigt. Andererfeits foll
die neue Meinung erftens darauf geflützt werden, daß Jakob zu Laban
fagt: ,In Gegenwart unterer Brüder betrachte ufw. I' (V. 32). Aber
auch als mit Laban und deffen Verwandten verfchwägert konnte Jakob
die Freunde Labans als feine Brüder bezeichnen, womit ja bekanntlich
(13,8 ufw.) auch ,Verwandte im weiteren Sinne' gemeint werden. Ferner
beruft fich Kr. im Anfchluß an Kittel auf Dt. 26,5, wonach der Ifraclit
fagen foll: ,Ein abirrender Aramäer war mein Stammvater und zog
nach Ägypten hinab und war dort Fremdling'. Aber erftens hat das
dort gebrauchte obed nach ,Ich bin herumgeirrt gleich einem abirrenden
Stück Kleinvieh' (Ps. 119,176) ausdrücklich den Sinn von .abirrend
d. h. von dem eigentlichen richtigen Aufenthaltsorte entfernt feiend'.
Zweitens wird diefe Auffaffung des obed von Dt. 26,5 auch dadurch
empfohlen, daß hinter dein darin liegendem Hinweis auf einen Aufenthalt
Jakobs außerhalb feiner Heimat dann wieder eine Wegwanderung
von diefer, nämlich das Hinabziehen nach Ägypten, erwähnt ift. (Die
von B. Jacob, Quellenfcheidung und Exegefe 1916, 18 gegebene Überfetzung
,Unfer Stammvater war ein verhungernder Schafhirt' ift in
meinem Kom. zum Dt. 1917, 178 kritifiert). Außerdem muß auch Kr.
felbft es als auffallend bezeichnen, wenn die Stelle das, was er meint,
ausfagen folle, da die Hebräer fpäter ganz ihren aramäifchen Charakter
verloren haben. Folglich ftürzt man mit der neuen Meinung ohne Grund
ein allen hebräifchen Quellen gemeinfames Bewußtfeinsmoment der Hebräer
um und beladet ihre Überlieferung mit einer Reihe von Schwierigkeiten
.

In bezug auf die Dar Heilung, welche die fpäteren
Jahrhunderte betrifft, find keine derartigen tiefgreifenden
Bedenken zu hegen. Vielmehr erfreuen die darauf bezüglichen
Partien des Buches durch die Vollftändigkeit
der Darbietung aus den altaramäifchen Infchriften von
Sendschirli (p. 85: ,the brillantly successfull excavations
condueted by F. von Luschan on behalf of the German
Or. Soc.') und aus den affyrifchen Quellen bis zur Eroberung
von Karkemifch, fodaß das Buch auch noch ein fchr
willkommenes Gemälde vom gefchichtlichem Hintergrunde
der älteren Reden Jefajas zeichnet. Genaue Karten von
Vorderafien vermehren überdies noch feinen Wert.
Bonn. Ed. König.