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Ausgabe:

1920

Spalte:

111-112

Autor/Hrsg.:

Schnitzler, M. H.

Titel/Untertitel:

Christian Gotthilf Salzmann als Moralpädagoge 1920

Rezensent:

Schmid, R.

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III

Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 9/10.

112

der Abfchnitt ,Luther und der Krieg' ganz weggeblieben wäre,
der andere über ,Luther und die deutfche Jugend' in das Lebensbild
hinein verwebt worden wäre, hätte es an innerer GeCchloffen-
heit nur gewonnen.

Der Krieg mag entfchuldigen, wenn auch die Ausftattung
nicht dem jetzigen Können ganz entfpricht.
Alfeld. Schornbaum.

Müller, Dr. Joh. Baptift: Ignaz Heinrich von Wellenberg, e.
Christi. Pädagog. Ein Beitrag zur Gefchichte der Pädagogik
im 19. Jahrh. Mit 2 Bildniffen. (Pädagogifche
Forfchungen u. Fragen, 2. Heft.) (X, 196 S.) 8°. Paderborn
, J. Schöningh 1917. M. 5 —
Schnitzler, Sem.-Prorekt. Dr. M. H.: Chriftian Gotthilf
Salzmann als Moralpädagoge. (Pädagogifche Forfchungen
u. Fragen, 3. Heft.) (107 S.) 8°. Ebd. 1916. M. 2.20
Hauler, Gymn.-Lehr. Dr. Jofeph: Franz Jofeph Müller
(1799—1827), e. Volksfchulpädagoge. Ein Beitrag zur
Gefchichte der Peftalozzianums in Bayern. Dargeftellt
und gewürdigt. (Pädagogifche Forfchungen u. Fragen,
4. Heft.) (X, 122 S.) 80. Ebd. 1916. M. 3 —
Renker, Kreisfchulinfp. Dr.Hans: Ahasver Fritfch, e. pietift.
Pädagog vor Francke u. e. Vorläufer Franckes. Ein
Beitrag zur Gefchichte der pietift. Pädagogik. (Pädagogifche
Forfchungen u. Fragen, 6. Heft.) (X, 103 S.)
8". Ebd. 1917. M. 3.40
Über der Tragik von Weffenbergs perfönlichem Schick-
fal darf nicht vergeffen werden, daß der von der fieg-
reichen Richtung in der kath. Kirche beifeite gefchobene
Mann doch in den gefchichtlich fo bedeutungsvollen Jahrzehnten
1802—1827 in dem weitgedehnten Konftanzer
Bistum einen tiefgreifenden Einfluß auf Kirche und Schule
und damit auf die geiftige Entwicklung des allemannifchen
Volksftammes ausüben konnte, deffen Spuren auch jetzt
noch nicht ganz verwifcht find. Dies ifts, was aus der
Müller'fchen Studie recht deutlich hervorgeht. Die Schrift
enthält eine auf gründlicher Verwertung des ausgedehnten
litt. Nachlaffes Weffenbergs ruhende, feine und warmherzige
Schilderung der Perfönlichkeit und der Wirkfamkeit des
Mannes auf dem Gebiet der Volksbildung im weiteften
Sinne. W. ift begeifterter Anhänger Peftalozzis (die Ode
an P. von 1806 S. 77), aber auch Beziehungen zu Kant,
Fichte und Weimar find ftark hervorzuheben. Er ift
weniger Rationalift als Neuhumanift ,geläuterter Neuhumanismus
katholifch-kirchlicher Richtung, ähnlich wie
bei feinem Lieblingslehrer Sailen' Große Verdienfte hat
er befonders um die Lehrerbildung in der Schweiz und
in Baden. Schroff ablehnend ift er auch auf pädag. Gebiet
gegen den Jefuitenorden. Religion und Volkstum,
fomit auch Kirche und Staat, Geiftlichkeit und Lehrerftand
gehören ihm aufs engfte zufammen, daher fein Plan, mit
jedem Klerikalfeminar ein Schullehrerfeminar zu verbinden.

Daß in den Tagen des Kampfes um Moral- und
Religionsunterricht fich die Aufmerkfamkeit auch dem
kühnen Vorgehen der Philanthropen auf diefem Gebiet
wieder zuwendet, ift wohl begreiflich. Schnitzler würdigt
Salzmann auf Grund eingehender Kenntniffe fehr fachlich
und verftändnisvoll. Doch ift vielleicht über der ftarken
Betonung der Rolle, die Salzmann dem Glückfeligkeits-
und Nützlichkeitstrieb in feiner moralifchen Erziehung
zukommen läßt — alfo deffen, was man gewöhnlich den
/eichten Rationalismus' nennt — die Schätzung der bahnbrechenden
Fortfehritte in der Methode des Moral und
Religionsunterrichts zu kurz gekommen.

Müller, bayrifcher Schulrat 1808—1827 wird vorgeführt
als felbftändig denkender, tatkräftiger Ordner und
Leiter des Schulwefens in dem großen Bezirk von bayrifch
Schwaben. Er ift Peftalozzianer, ohne die Übertreibungen
der .Methode' mitzumachen, ift felbft bei P. in Burgdorf
gewefen, ift aber auch dem Einfluß der Philanthropen,
Niemeyers u. a. offen. Was am meiften auffällt ift die
Beobachtung, wie einheitlich damals in der Zeit Weffenbergs
und Sailers der Strom des geiftigen Lebens in Deutfchland
war, und wie felbftverftändlich der katholifche Volksteil

, | daran teilnahm. Das Katholifch-Konfeffionelle ift die
: Grundlage, aber keine Schranke.

Fritfch, Schwarzburgifcher Konfiftorialpräfident und
Kanzler, Theolog und Jurift 1629—1701 ift nach Gefinnung
j und Grundfätzen ein früher Vertreter des Pietismus, als
I Pädagog ein Vorläufer Franckes, deffen Sprache bei
Fritfch vorweg genommen ift. Zweck der Erziehung ift
,die Ehre des göttlichen Namens' oder ,die liebe Pietät,
Nebenziel die Erudition'. Abhängig ift er neben vielen
anderen befonders von Mengering Scrutinium conscientiae
catecheticum Altenburg 1642. Dadurch ift der .Beweis
erbracht, daß das, was man feit Spener Pietismus nannte,
in Theologie und Erziehung eine weitverbreitete Geiftes-
richtung war'.

Markgröningen. R. Schmid

Friedrich Schleiermachers Briefwechfel mit (einer Braut.

Hrsg. v. Heinrich Meisner. Mit zwei Jugendbildniffen
Schleiermachers. (414 S.) gr. 8°. Gotha, F. A. Perthes
A.-G. (1919). Geb. M. 14 —

Der Veranftalter der vorliegenden fchönen Ausgabe
hat bereits bei anderer Gelegenheit darauf aufmerksam
gemacht, ,mit welcher Leichtfertigkeit die Ablchriften
angefertigt worden find, die Dilthey im guten Glauben
der teilweifen Veröffentlichnng der Briefe in feinem Werke
,Aus Schleiermacher's Leben' 1858 zu Grunde gelegt hat,
nicht nur willkürliche Auslaffungen größerer Abfchnitte
oder ganzer Briefe und unbegreiflich viele fehlerhafte
Lefungen und falfche Datierungen, fondern fogar Ein-
fchaltungen von Stellen, die nicht in den Originalen flehen,
kommen darin vor und find in fpätere Veröffentlichungen
übernommen worden'. Von der Richtigkeit diefer Bemerkungen
kann man fich auf Schritt und Tritt überzeugen,
wenn man die jetzt vorliegenden Briefe mit den bei
Dilthey im zweiten Bande abgedruckten vergleicht. Steht
es alfo fo mit der bisherigen Veröffentlichung von Schleiermacher
-Briefen, fo ift fchon das von großem Wert, daß
wir wenigftens aus einem beftimmten Zeitraum im Leben
Schleiermachers hier die vollftändige Wiedergabe der
Originalniederfchriften der Briefe vor uns haben.

Es find nicht nur die Briefe aus der Brautzeit
abgedruckt, fondern alle diejenigen, die Schleiermacher
und Henriette miteinander gewechlelt haben, auch fchon
vor und zur Zeit der Ehe der letzteren mit dem Feldprediger
v. Willich. Sie umfaffen den Zeitraum vom
25. Februar 1804 bis 16. April 1809.

Es find Briefe zweier Liebenden, die vor uns ausgebreitet werden.
Die Ereignifle einer bewegten Zeit klingen nur von ferne an. Die Be-
ftrebungen, in die Schleiermacher verflochten war, die Vorbereitung der
zukünftigen Erhebung, die Gründung der Berliner Univerfität werden
nur angedeutet. Da manche Briefe geöffnet ankamen, mußte fich der
Schreiber Zurückhaltung auferlegen. Defto mehr enthüllt fich uns in
diefen Blattern die wachsende Neigung der Liebenden zu einander, eingetaucht
in das Empfindungsleben der damaligen Zeit.

Die Herausgabe diefer Briefe will offenbar einem Intereffe gebildeter
Kreife dienen und einen Einblick gewähren in das perfonliche
Leben des großen Theologen und Patrioten. Der Briefwechfel mit Henriette
v. Mühlenfcls beginnt, als das Herz Schleiermachers noch erfüllt
war von seiner Liebe zu Eleonore Grunow. Wir erleben den Abbruch
diefes Verhältniffes mit und feben eine neue Liebe entftehen und wach-
fen, die zur Gründung des erfehnten Hausftandes mitten in der Unruhe
der Zeit führt. Wenn diefer Ausfchnitt aus dem privaten Leben Schleiermachers
einem weiteren Kreife in einer muftergültigen Ausgabe vorgeführt
wird, fo verdient das Dank und Anerkennung. Eine leife
Frage aber taucht auf: Hat die fpätere Ehe dem Liebesbunde entfpro-
| chen und ift die Frau das gewefen, was fie einem Schleiermacher hätte
fein können? Man vergleiche dazu den Einblick in das fpätere häusliche
Leben Sclüeiermachers, der uns in den Jugenderinnerungen feines
Stieffohnes Ehrenfried ,Aus Schleiermacb.es Haufe' 1909 geboten wird.

Leider hat es der Herausgeber der vorliegenden
Brieffammlung unternommen, in einer Einleitung von
15 Seiten ein Lebensbild Schleiermachers bis zu feiner
Verheiratung vorauszufchicken in dem namentlich die
früheren Beziehungen zu Frauen hervortreten follen. Wir
müffen die im leichten Feuilletonftil gehaltene Darfteilung
als einen Mißgriff bezeichnen. Sie mutet an manchen
Punkten an wie eine Erneuerung des zeitgenöffifchen