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Ausgabe:

1920

Spalte:

76-77

Autor/Hrsg.:

Meinhold, Johannes

Titel/Untertitel:

Einführung in das Alte Testament. Geschichte, Literatur und Religion Israels 1920

Rezensent:

Gunkel, Hermann

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Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 7/8.

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fammengeftellt, ift wenig umfangreich. Es ift in vorliegendem Bande
S. 415—454 vollftändig gegeben. VomKojiki, dem von Chamberlain
ganz überfetzten, ift hier vollftändig nur Buch I, Zeitalter der Götter,
überfetzt (S. 10—84), während aus Buch 2 und 3, Zeitalter der irdi-
fchen Kaifer, S. 85—120 nur die von Shinto handelnden Partien dargeboten
werden. Vom Nihongi gibt der Band, was uns von Florenz
bereits in feinem Werke Japanifche Mythologie' vorlag, d. h. Buch 1
und 2, des Götterzeitalters erfter und zweiter Teil (S. 123—221), fowie
das bisher von ihm felbft noch nicht überfetzte Buch 3, das wegen
feines überwiegend mythifch-fagenhaften Inhalts ebenfalls ungekürzt aufgenommen
ift (S. 222—242). Die übrigen Bücher des Nihongi (4—30),
Annalen der irdifchen Kaifer, erfcheinen in bloßen Auszügen, wo nötig,
mit kurzen Texlverbindungen S. 243—411). Dem Benutzer wäre ohne
Zweifel fehr gedient mit lebenden Kolumnentiteln am Kopf der Seiten,
die, die Nummer des jeorts überfetzten Nihongibuchs und etwa auch
den Namen des jeweils den Tron einnehmenden Kaifers angeben. Für
die dem Jindaiki gewidmeten Bogen wären zweckdienlich^ die Inhalts-
überfchriften übernommen worden, die in der Japanifchen Mythologie'
an den Kopf der Seiten gefetzt find.

Hätte Florenz, wie er das meines Wiffens urfprüng-
lich vorgehabt und wie das die Ankündigungen der Verleger
lange hatten erwarten laffen, auch noch geliefert,
was aus dem Engishiki, dem im Jahre 927 vollendeten
.Zeremoniell der Engi-Periode', Einfcblägiges zu erheben
ift — auch hierfür hätte er in der Hauptfache auf frühere
eigene Arbeiten zurückgreifen können — fo hätte der
Religionsforfcher in diefem Band 7 der Göttinger .Quellen'
fo ziemlich alles beifammen, was ihn in den Stand fetzte,
über den alten, reinen Shinto, — ein anderes ift ja der
von chinefifchen Kulureinflüffen alterierte, von der in
Japan eingedrungenen buddhiftifchen Fremdreligion übermochte
, ein anderes auch der im Zufammenhang mit der
politifchen Reftauration der Kailerherrfchaft von 1868 offiziell
neu hervorgeholte Shinto der Gegenwart, auf deffen
Galvanifierung romantifche Altertumsforfcher feit etwa
1700 hingearbeitet hatten — allfeitig fich zu unterrichten.
Der Band mit feinen 31 Bogen fo fchon weitaus der
ftattlichfte in der Reihe der bis jetzt erfchienenen Bände
des ftolzen deutfchen Gegenftücks zu Max Müllers Sacred
Books of the East, wäre damit zu noch größerer Beleibtheit
gediehen. Wohl um dies zu vermeiden, vermutlich
auch um das Erfcheinen des feit Jahren angekündigten
Werkes nicht länger hinauszuziehen, hat Florenz fich
befchieden, unter Abfehen von Texten, die mehr die
praktifche Seite des Shintokults berühren, zunächft nur
(fiehe den von ihm dem Band gewählten Titel) die Quellen
hiftorifcher Natur vorzufuhren.

Das aber tut er nicht nur durch zuverläffige wortgetreue
Verdeutfchung, eine Interpretation, die den Sinn
der teils chinefifch, teils japanifch gefchriebenen Originale
noch genauer und fchärfer als die englifchen Überfetzer
Afton und Chamberlain wiederzugeben bemüht war,
fondern auch durch Anlieferung eines wirklich ausreichenden
Kommentars in Form von Anmerkungen. Es find
deren auf den 470 Seiten Großlexikonformats, wenn ich
richtig gezählt, im ganzen 2405 (!), darunter nicht wenige
von beträchtlicher Ausführlichkeit.

Daß des Guten damit zu viel getan fei, wird man gleichwohl
nicht fagen mögen. So vermiffe ich z. B. gleich auf der erften Textfeite
beim erften Vorkommen des weiblichen und des männlichen Prinzips
eine dem unvorbereiteten Lefer doch nicht wohl entbehrliche erklärende
Fußnote. Daß der Autor nicht nur Lefer im Auge hat, die
ihrer entraten können, zeigt die Anmerkung 1 auf S. 123, die diefe
Erklärung gibt. — Oder, ein anderes: S. Ii notiert der Kommentator
zu dem Wort kami, die Ainu hätten es in der Form kamui übernommen
. Ihm felber, dem es ein uraltes ural-altarifches Wort ift, mag
das feftftehen. Der Benutzer follte doch wohl darauf aufmerkfam gemacht
werden, daß Batchelor umgekehrt das japanifche kami von dem
gleichklingenden und gleichbedeutenden Ainu kamui hergeleitet wiffen
will. — S. 154, Annr. 1 wird zu den da aufgezählten Bubenftreichen
Susano-o's auf die Aufzählung der ,himmlichen' Sünden im Oharai no
kotoba verwiefen. Nicht jedem Lefer wird mit diefem bloßen Hinweis
recht gedient fein. Am beften wäre es wohl gewefen, der Verfaffer
hätte es fich nicht verdrießen laffen, die betreffende Stelle zum Abdruck
zu bringen, wie er das am entfprechenden Orte ja auch in feiner
Japanifchen Mythologie' (S. 92. 1) getan. — Das S. 306, 9 zum Ausdruck
gebrachte Verwundern, daß dem Nihongi fo ganz entgangen fei,
was das fpätere Fuso-ryakki von der Ankunft eines Südchinefen zu berichten
weiß, der in einem Dorfe iu Vamato eine ftrohgedeckte Hütte
errichtet habe, um darin eine von ihm nach Japan mitgebrachte Buddha-
ftatue aufzuftellen und zu verehren, läßt annehmen, Florenz hat nicht

bemerkt, daß von einem Shiba Tatto — fo heißt der Mann —■ doch
auch wiederholt im Nifongi (fiehe S. 312, 313, 314, 321) die Rede ift.
Er wäre fonft wohl doch mit einem kurzen Worte wenigftens eingegangen
auf das Traditionsproblem, das ich felbft in meinen Beiträgen
zur älteftenGefchichte desBuddhismus im Japan(ZMR 1903 S. 334f.)bereits
angefaßt habe. In Japan arbeitend hat Prof. Florenz, jetzt als Ordinarius
der Univerfität Hamburg der unfere, vor allem die japanifche
Literatur für feinen Kommentar ausgebeutet. (Das Verzeichnis der
von ihm genützten Werke diefer Herkunft füllt zwei Seiten der
Einleitung feines Buches). Es ift verftändlich, daß darüber feiner Auf-
merkfamkeit auch wohl einmal entgehen konnte, was mittlerweile daheim
zu Tage gefördert worden. Ganz müßig ift man ja auch hierüben
nicht gewefen, während der gelehrte Landsmann dort drüben unermüd-
an der Arbeit war. Zur Erklärung des vom Autor des Kogoshüi dem Shu-
king entlehnten Satzes (S. 447 bei Florenz) mit den dunkeln ,Sechfen'
ziehen wir nicht mehr das Anm. 222 zitierte Chinese Readers' Manual
(No. 216) von Mayers an. Eher würden wir uns zu diefer Stelle, der
älteften, die fich auf den religiöfen Kultus im alten China bezieht, einen
Verweis auf ein deutfehes Buch, auf Wilh. Grabes Religion und Kultus der
Chinefen, Leipzig 1910, S. 26 f. erwarten. Siehe auch Grube in Ber-
tholets Religionsgefch. Lefebuch 1908, S. 16 und 16, 2 und vgl. Haas
im Textbuch zur Relg. 1912, S. 4. Durch Berthold Laufer (Jade
S. 120 ff.) aber ift jetzt auch Grube überholt. Die liu-tsung, die
fechs Verehrenswerten, über deren Bedeutung man bis vor kurzem nur
Vermutungen haben konnte, find durch den genannten fcharffinnigen
Sinologen erwiefen als die Gottheiten der vier Himmelsrichtungen nebft
Himmel und Erde. Vergl. meine Notiz in der Theol. Ltztg. 1913,
S. 290; Söderblom-Stübe, Das Werden des Gottesglaubens 1916, S. 233t'.
fowie die diesbezügliche Anführung von Schindler in der Oftaf. Ztfchr. IV,
1916, S. 324. Aus den ,fechs Verehrungswürdigen' von Shu-king II,
1, 6 find, worauf ich aufmerkfam machen möchte, bei dem Autor des
Kogoshüi, der die Stelle im übrigen wörtlich dem chinefifchen Buch
der Urkunden entnimmt, merkwürdiger Weife ,fechs höhere Mächte des
Himmels und der Erde' geworden. Hat Florenz, wie als ficher anzunehmen
ift, auch hier den im japanifchen Text gebrauchten Ausdruck
1 genau wiedergegeben, fo gewänne meines Erachtens Laufers Deutung
ganz unverhofft un Kogoshüi eine weitere Beftätigung.

Aber zu richtigem Eingehen auf Einzelheiten, die dem Referenten
beim erften fchnellen Durcharbeiten des ftoffreichen Bandes aufgeftoßen,
fehlt der Platz.

Hier kann es fich nur darum handeln, Intereffenten
auf das Erfcheinen des neuen Werkes ohne Säumen aufmerkfam
zu machen und ihnen die Verficherung zu geben,
daß fie vor die rechte Schmiede gehen, wenn fie in
Shinto-Dingen Belehrung fuchend zu dem neuen Florenz
1 greifen. Es ift ein monumentales Werk echt deutfchen
i Gelehrtenfleißes und deutfeher Forfchergründlichkeit, das
der gefchätzte Japanologe der Rehgionsforfchung zur
Nutzbarmachung befchert hat, eine philologifche Leiftung
hohen Ranges, angefichts deren der Kulturwelt außerhalb
Deutfchlands fo recht zum Bewußtfein kommen muß:
fie, auch fie würde ärmer werden, wollte fie im Ernfte
darauf denken, auszufchalten, was fie fo lange felbft bewundert
hat als German scholarship.

Leipzig. Hans Haas.

Mein hold, Prof. D. Johannes: Einführung in das Alte Tefta-
ment. Gefchichte, Literatur u. Religion Ifraels. (Sammlung
Töpelmann. i. Gruppe. Die Theologie im Abriß.
Bd. i.) (VIII, 316 S.) gr. 8°. Gießen, A. Töpelmann
1919. M. 10 —; geb. M. 12.50

Die .Theologie im Abriß', .Sammlung Töpelmann'
I. Gruppe, als deren erfter Band Meinholds .Einführung
in das Alte Teftament' foeben erfchienen ift, will, befonders
den heimgekehrten Studierenden, aber auch den daheimgebliebenen
fowie den Pfarrern und Lehrern, ein Bild
von dem augenblicklichen Stande der Forfchung auf den
verfchiedenen Gebieten der Theologie geben und dabei
zugleich auf die vorhandenen Probleme hinweifen, das
junge Gefchlecht zu eigener Mitarbeit anregend und einladend
. Der Verfaffer hat fich diefe Grundfätze der
Sammlung ernfthaft vor Augen geftellt: daher in feinem
Buche eine bemerkenswerte Vorficht und Zurückhaltung
in eigenem Urteile, was freilich nicht ausfchließt, daß
Referent auch zu folchen Behauptungen, die gegenwärtig
noch als ficher aufgeftellt werden können, mancherlei
Fragezeichen fetzen würde, ferner eine ziemlich reichhaltige
und im ganzen forgfältig ausgewählte Literatur,
die freilich hier und da Ergänzungen vertragen könnte.
1 Auch war der Verf. zur Erfüllung feiner Aufgabe wohl-