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Ausgabe: | 1920 |
Spalte: | 29-30 |
Autor/Hrsg.: | Lohmeyer, Ernst |
Titel/Untertitel: | Christuskult und Kaiserkult 1920 |
Rezensent: | Windisch, Hans |
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Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 3/4.
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ganzen Werkes beginnt feine zweite Auflage zu er-
fcheinen; der austreibende und der eintreibende Hirt
begegnen einander. Lietzmanns neue Auflage der
Erklärung von Rom. ift, wie ich durch Vergleich mit
der erften Auflage feftgeftellt habe, in weitgehendem
Maße umgeändert worden. Soweit ich die Vergleichung
durchführte, ift die Erklärung keines einzigen Verfes
ganz ungeändert geblieben, und der Zuwachs beträgt
an Umfang über die Hälfte der 1. Auflage (129 Seiten
gegen 80 Seiten). In den Erweiterungen fteckt eine
Darbietung, für die L. noch befonderer Dank gebührt.
Das ift, am Eingange (S. 1—17) eilie Einführung in die
Textgefchichte der Paulusbriefe und in der Erklärung
felber eine Reihe von textkritifchen Bemerkungen, die
dem Benutzer den Stand der Überlieferung zeigen und
ihn, foweit er Anfänger ift, mit den wichtigften Problemen
des Textes bekannt machen. Wer da weiß, wie fchwach
die Kenntnis auch nur der grundlegenden Fragen der
Textkritik ift, wird L. für feine, auch methodifch und
pädagogifch vorzüglich geeigneten Darbietungen größten
Dank wiffen und weiter wünfchen, daß diefe Berück-
fichtigung der Textkritik auch für die übrigen Bücher
des NT. bei der neuen Auflage durchgeführt werde, was
ficher geplant ift.
Dem ganzen Unternehmen aber, das bereits fo viel
Hilfe, befonders im akademifchen Betriebe gekittet hat,
möge weiterhin reichfter Erfolg befchieden fein.
Bonn a. Rh. f Rudolf Knopf.
Lohmeyer, Priv.-Doz. Ernft: Chriltuskult und Kaiferkult.
(Sammlung gemeinverft. Vorträge u. Schriften 90.)
(58 S.) gr. 8°. Tübingen, J. C. B. Mohr 1919. M. 2.40
Eine Studie, die die wichtigften Materialien, die für
den antiken Herrfcherkult in Betracht kommen, von
neuem zufammenfaßte, die in ihm zur Geltung kommenden
Urteile beleuchtete und nun die Parallele zwifchen
Kaiferkult und Chriftuskult unterfuchte und namentlich
der Frage nachging, wie weit das neuteftamentliche
Chriftentum unbewußt oder bewußt, pofitiv oder anti-
thetifch durch den Kaiferkult beeinflußt ift, war wohl ein
Bedürfnis. Lohmeyers Arbeit ift darum willkommen,
um fo mehr, als er die Aufgabe, die er fleh geftellt, auf
treffliche Weife gelöft hat. Er zeigt zunächft, wie der
Kaiferkult aus dem helleniftifchen (Heroen- und) Herrfcherkult
herauswächft und eine reiche Kultfprache entwickelt
hat, um fodann den Chriftuskult als den jüngeren Bruder
des Kaiferkultes zu erweifen und mit Vorficht bei Paulus
(vor allem Phil. 3,20), Lukas, in den Paftoralbriefen und
der Apokalypfe den wachfenden Einfluß des Kailerkults
und die zunehmende Oppofition dagegen nachzuweifen.
Reiche Anmerkungen (am Schluß) find für Gelehrte,
Theologen wie Philologen, nützlich und erhöhen den Wert
der Schrift.
Ich kann den Ausführungen, foweit he das N. T. betreffen, im allgemeinen
zuftimmen. Für Paulus hätte noch auf Rom. 13 verwiefen
werden follcn, wo im Gegenfatz zu Phil. 3,20 die Ordnung im römifchen
Weltreich, alfo eine Grundlage des Kaiferkultus politiv gewürdigt wird,
Vgl. dazu jetzt de Zwaan, Antieke cultuur om en achter het Nieuwe Te-
ftament (1916) 2 1918, I ff. Bei .Lukas' hat fich der Verf. die wichtige
Stelle Apg. 17,7 ßaoilbcc tzepov Ikyovzeq eivai 'irjaovv entgehen
laffen, die zeigt, wie früh die Heidenwelt den Gegenfatz zwifchen Kaiferkult
und Evangelium von Chriftus herausgefühlt hat. Bedenken habe
ich nur gegen die Zurückftellung der jüdifchen Meffias- und Heilserwartungen
. In der Weihnachtsgefchichte darf neben dem .Anklang än
die Ideenwelt des Kailerkultes' der an die altteft.-jüdilchc Erlöferhoffnung
nicht überrehen werden vgl. Jef. 9.6 7,14, Micha 5,1 ff. u. a. Schon
die Juden fahen im Kaifer den Rivalen ihres Gottes und ihres Meffias
(man denke nur an die Zeloten und vgl. etwa Apoc. Bar 40: der
Melfias tötet den letzten römifchen Kaifer!). Das Chriftentum hat zu-
erll dem jüdifchen Sehnen nach Enöfung (vgl. vor allem IV. Ehra)
Belriedigung angeboten und dann erft der verwandten Stimmung in der
Heidenwelt fich zugewandt. Mit Recht betont L., daß der Chriftuskult
feine Begriffe nicht direkt aus dem Kaiferkult übernommen hat — das
ift für die Anfänge ficher richtig, und daß er nur der jüngere Bruder
des Kaiferkultes ift. Man muß dann, aber hinzufügen, daß die Sakral-
fprache der Chriftusverehrung zunächft aus der jüdifchen Verarbeitung
der orientalifch-helleniftifchen Wcltheilandsgeftalt gefchöpft ift, dem jüdifchen
Meffias und dem jüdifchen Logos. Sehr wichtig ift in diefem Zu-
fammenhang auch die ganz an die allgemeinübliche Kultfprache fich
anlehnende Verherrlichung der erften zwei Kaifer bei Philo Legatio ad
Caj. (vgl. Brehier Les idees philos. et relig. de Philon d'Alex., 33 f.)
Ein neuer Text über den Kaiferkult findet fich übrigens im 13. Band
der Oxyrrhynchuspapyri 1919 p. 148 ff.
Sehr reich find die Literaturangaben, ich vermiffe nur etwa Ad.
Bauer (+), Vom Griechentum zum Chriftentum 1910 (genauer: Vom
Herrfcherkult zum Chriftuskult zu betiteln). Unklare Wendungen fand
ich nur S. 21 (,des menfchlichften aller Menfchenbilder') und S. 22
(den überwältigenden Eindruck . . .'). Ich wünfehe dem Büchlein viele
Lefer.
Leiden. H. Windifch.
Philo von Alexandria: Werke, in deut. Überfetzg. hrsg. v.
Prof. Dr. Leop. Cohn. 3. Tl. (Schriften der jüdifch-
hellenift. Literatur, 3. Bd.) (331 S.) gr. 8U. Breslau,
M. & H. Marcus 1919. M. 10—
Nach langer Paufe ift endlich der 3. Band der neuen
deutfehen Philoüberfetzung feinen beiden Vorgängern gefolgt
. Er bringt die im erften Bande der kritifchen Ausgabe
von Cohn-Wendland enthaltenen allegorifchen
Schriften: legum allegoriarum Hb. I—III (überf. v. Dr.
I. Heinemann-Breslau), De Cherubim (überf. v. Herausg.),
De sacrifieiis Abelis et Caini und Quod deterius potiori
insidiari soleat (beide überf. v. Dr. H. Leifegang-Markran-
ftädt). Der Überfetzung jeder der genannten Schriften
ift eine Einleitung vorausgelchickt, die gefolgt ift von
einer forgfältigen Inhaltsüberficht.
Das Griechifch eines Philo ift zugeftandenermaßen
meift recht fchwierig; aber die Bearbeiter find in bewunderungswürdiger
Weife Herren ihrer Materie geworden
und haben kraft ihrer — man möchte fagen —
kongenialen Art den Urtext ganz einzigartig in das geliebte
Deutfch übertragen.
Wie in den beiden erften Bänden, fo wird auch in
dem vorliegenden dritten Bande eine große Fülle inter-
effanter und wichtiger Parallelen aus dem jüdifch-helleni-
ftifchen Milieu beigebracht; Verwandtes aus demMidrafch
und Talmud wird in reichem Maße notiert, vor allem auf
die Beeinfluffung des Philo durch die mittlere Stoa (Po-
seidoniosl) mit Recht des öfteren hingewiefen. Und doch
ift das nur die eine Seite der Betrachtungsmöglichkeit
Philos, bei dem neben Einflüffen durch die Philofophie
ein ftarker Einfchlag myfteriöfer Frömmigkeit nachweisbar
ift, etwa an Stellen wie de sacrific. Ab. et Caini 131;
leg. alleg. III. 71; loo, III. 82, III. 84; de cherub. 27, 42,
48 u. o. Hier gewahrt man mit einer Deutlichkeit, wie
man fie fich beffer nicht wünfchen kann, daß Philo nicht
nur die Sprache der Myfterienreligionen nachahmt, fondern
felbft ein [Ivottjc; gewefen ift. Das hätte in den
Anmerkungen wenigftens hier und da mehr zum Ausdruck
gebracht werden mögen.
Alles in allem genommen ift uns mit dem dritten
Bande eine Arbeit gefchenkt worden, die nicht nur dem
des Griechifchen Unkundigen als Überfetzungshilfe oder
gar als .Efelsbrücke' dient, fondern auch in ihren Anmerkungen
Wert für den Forfcher befitzt.
Markersdorf (S. W.) Georg Heibig.
Frick, Lic. D. Heinrich: Ghazälis Selbstbiographie. Ein Vergleich
m. Auguftins Konfeffionen. (Veröffentlichungen
des Forfchgsinft. f. vergl. Religionsgefch. an der Univ.
Leipzig. Nr. 3.) (IV, 84 S.) gr. 8°. Leipzig, J. C. Hin-
richs 1919. M. 8 50
Es ift eine im Dienfte höchfter Kulturziele flehende
Aufgabe, zum gegenfeitigen Verftändnis der großen Weltreligionen
und dadurch zur Völkerverbrüderung beizutragen
. Von dem großen Inhaltskomplex des Islam hat
man bereits manche Teile in vergleichende Betrachtung
zum Chriftentum gebracht wie äußeren Kultus, Dogma,
Katechismen. Der eigentliche Kern des Islam: fein Erleben
und feine Ivhik verdienen es noch, unter diefer
Frageftellung betrachtet zu werden. Ghazälis Konfeffionen
fordern zu einer Vergleichung mit denen Auguftins heraus.