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Ausgabe:

1920

Spalte:

9-10

Autor/Hrsg.:

Blume, Clemens (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Analecta hymnica medii aevi. Vol. 54 1920

Rezensent:

Rendtorff, Franz

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Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 1/2.

auf die fchon Kliefoth (IV, 413 f.) nachdrücklich hinge-
wiefen hat, über ihre kulturhiftorifche, bürgerlich foziale
und mythologifche Bedeutung (auf Grund ihres zeitlichen
Zufammenhangs mit der germanifchen Sonnwendfeier)
bilden den Schluß der inhaltsreichen und befonnenen Ausführungen
.

Über die wertvollen Analecta hymnica medii
aevi, herausgegeben von Clemens Blume5 habe ich anläßlich
des 53. Bandes in Nr. 19 d. Jgs. 1913 diefer Zeit-
fchrift eingehend berichtet. Der jetzt vorliegende 54.
Band behandelt die liturgifchen Prolen des Übergangs-
ftiles in der zweiten Epoche, d. h. die sequentiae transi-
toriae, in denen Rhythmus und Reim teilweife auftauchen
, und die sequentiae rhytmicae et rigmatae, die
an Rhythmus und Reim gebunden find, und bietet eingehende
Unterfuchungen befonders über ihre Herkunft
und Verfaffer. War im vorigen Bande Frankreich als
das Heimatland der Sequenz nachgewiefen, fo treten in
der in diefem Band behandelten Periode deutfche Verfaffer
und neben Franziskanern, denen die Palme gebührt,
Dominikaner als Sequenzendichter in den Vordergrund.
Unter den befprochenen Dichtungen befinden fich nicht
wenige der edelften Erzeugniffe mittelalterlicher Hymnodie,
fo die Ofterfequenz victimae paschali laudes (Wipo v.
Burgund, f nach 1048), das urfprünglich für die Privatandacht
beftimmte Reimgebet Ave verum corpus natum
(norditalifchen Urfprungs, Verfaffer vielleicht Innocenz
IV), das Dies irae dies illa, das ficher nicht von Thomas
v. Celano, wahrfcheinlich von einem Franziskaner Norditaliens
im 13. Jahrhundert verfaßt ift, und das Stabat
mater dolorosa, das dem Jacopone von Todi abge-
fprochen wird. Die endgültige Erledigung der Autorfrage
wird in vielen Fällen weiterer Unterfuchung vorbehalten.
Auch fonft weift diefer Band über fich hinaus: von den
Sequenzen der zweiten Epoche bringt er wegen ihrer
großen Zahl nur die de Deo und de Beata, während die
de Sanctis dem nächften Bande vorbehalten bleiben.

Weniger ein Beitrag zur liturgiegefchichtlichen For-
fchung als eine nützliche Ziifammenftellung und Erläuterung
bereitftehender Stoffe find die Vorlefungen, die Prinz
Max v. Sachfen als Profeffor der Univerlität Freiburg
(Schweiz) feinen Studenten gehalten und danach in zwei
ftattlichen Bänden herausgegeben hat11. Der erfte, 1908
erfchienene, brachte nach einer allgemeinen Einleitung
über die orientalifche Liturgie eine fpezielle Einführung
in den Kultus und das Kirchenjahr der Griechen und der
dem Verf. durch perfönliche Beziehungen offenbar befonders
vertrauten Slaven. Der II., hier anzuzeigende para-
phrafiert zunächft forgfam und kundig die klementinifche
Liturgie des VIII. Buchs der apoftolifchen Konftitutionen
und die von Cyrill v. Jerufalem befchriebenen, ferner die
mit dem Namen des Jacobus, Chryfoftomus und Bafilius
gefchmückten Liturgien fowie die Liturgia praesanctifica-
torum und bietet danach in zwei Anhängen den Text einiger
variabeln Meffen, die er zum Teil aus dem Horologium,
zum Teil aus einem Ruthenifchen Miffale abdruckt. Den
Schluß bildet eine anfchauhche Schilderung der Vollzugsform
der Liturgie des Jacobus, wie fie noch heute am
Fefttage des Adelphotheos auf der In fei Zante gehalten
wird (nach einer Ausgabe des Erzbifchofs Dionyfius Lata
1886). Die lateinifche Sprache, deren fich der Verf. bedient
, hat ihn von Seiten eines englifchen Kritikers die
charakteriftifche Zenfur eingetragen: a very English —

5) Analecta hymnica medii aevi. Hsg. v. Clem. Blume. S. J.
Vol. 54.€Thesauri hymnologici prosarium. Partis II vol. I. Liturgifche
Profen des I bergangsfliles u. der 2. Epoche insbefondere die dem Adam
v. Sanct Viktor zugefchriebenen, aus Handfchriften u. Frühdrucken neu
hrsg. v. Ci. Blume, S. J., u. H. iVI. Bannifter, M. A. Oxon. Leipzig,
O. R. Reisland 1915. (XX, 443 S.) gr. 8». M. 14 —

6) Maximiiianus, Princepi Saxoniae: Praelectiones de liturgiis
orientalibus, habitae in universitale Friburgensi Helvetiae. Tomus
secundus, continens liturgias eucharisticas graecorum (exceptis aegyp-
tiacis). Freiburg i. B., Herder 1913. (VllI, 361 S) gr. Lex. 8°.
M. 8—; geb. M. 9.60

like Latin (!). Die Darfteilung der Liturgien ift getragen
von einer fpürbaren Sympathie für die morgenländifche
Kirche. Man kann faft als Millen Grundgedanken des
Werkes bezeichnen, was der Verf. in einem Einzelfall
ausspricht: ,Si diligenter utrumque ritum comparamus,
invenimus latinam cerimoniam esse exactam copiam
Graecae'. Neues wird der Kundige aus dem Werk kaum
lernen. Auch für unfere Studenten kommt es als Hilfsmittel
kaum in Frage. Vielleicht wird es aber in einer
Zeit, da viele proteftantifche Theologen die uns fo fremdartige
orientalifche Liturgie aus eigener Beobachtung
kennen gelernt haben, in ihren Kreifen als Ergänzung
etwa zu Baumftark's ,Die Meffe im Morgenland' (Sammlung
Köfel 1906) zur erften Einführung gute Dienfte leiften
können.

Leipzig. Rendtorff.

Monumenta Germaniae Franziscana, hrsg. v. Mitgliedern des
Franziskanerordens. 2. Abt. Urkundenbücher. I. Bd.
Urkundenbuch der Kuftodien Goldberg u. Breslau
v. P. Chryfogonus Reifch, O. F. M. I. Tl. 1240—1517.
(XXIV, 479 S. m. 12 Siegelabbildgn.) 4". Düffeldorf,
L. Schwann 1917. M. 15 —

Im Franziskanerorden hat fich feit Jahrzehnten ein
reger Sinn für wiffenfchaftliche Forfchung betätigt, früher
befonders von Quaracchi aus, neuerdings auch in Deutfch-
land. Das Handbuch Holzapfels, die I'Yanziskanifchen
Studien (fchon 6 Bde.) und anderes, jetzt die von Beda
Kleinfchmidt angeregten Monumenta Germaniae Francis-
cana find Zeugen diefes fchönen Eifers. Eine' erfte Abteilung
foll Scriptores, zuerft die lateinifchen Predigten
Bertolds von Regensburg, eine zweite, Urkundenbücher
bieten. Die Schriftleitung der Frzsk. Stud. hat die vorbereitenden
Arbeiten in der Hand, die Schriftleitung der
Urkb. liegt in den Händen des P. Dr. theol. Patr. Schlager.
Der erfte vorliegende Band ift das Werk von P. Chryfogonus
Reifch in Carlowitz b. Breslau, der kein Neuling
auf diefem Gebiete war.

Die Kuftodien Goldberg (bis 1274 Bautzen genannt) und Breslau
umfaßten die Klöfter von 19 Orten der beiden Laulitzen und Schießens.
In 941 Nummern, von denen ein verhältnismäßig kleiner Teil, in der
Regel nur früher fchon gedruckte Stücke, in Regeftenform auftritt
ift das überaus fleißig gefammelte Material vorgelegt. Das Verzeichnis
der ungedruckten Quellen umfaßt fieben Seiten, der gedruckten: fünf.
Befonders reichen Stoff lieferte Görlitz, an erfter Stelle fein Ratsarchiv
mit den ,Milfiven' ufw.

Zeitlich verteilt fich das Material fo, daß nahezu die
Hälfte (455 Nr.) dem-15. Jh. angehören, 98 dem 13. (Nr. 1
aus dem Jahre 1240), 180 dem 14., 206 den erften 16
Jahren des 16 Jh.s. Ein 2. Band foll das Werk befchlie-
ßen. Er wird die Kämpfe zu Ende führen, die fich um
die Zugehörigkeit der beiden Kuftodien zur fächfifchen
bezw, böhmifchen Provinz entfponnen hatten, feit Kapiftran
der ,Obfervanz' in Böhmen breite Bahn gebrochen hatte,
feit den Konventualenklöftern in Schienen fo manche
neue Obfervantenklöfter zur Seite getreten waren. Sie
waren der böhmifchen Provinz unterftellt worden, und
nun ging natürlich das Streben der Böhmen dahin, mit
Hilfe des Königs und der Stände von Böhmen auch die
alten Klöfter Schlefiens dem fächfifchen Minifter, der
fächfifchen Provinz zu entreißen. Die Lofung wurde ,hie
böhmifch' ,hie deutfeh', bald nach Luthers Auftreten: 'hie
alt-, hie neugläubig'. Unfer Band enthält merkwürdige
Schriftftücke über die Streitigkeiten zwifchen dem Franzis-
kanerklofter St. Jakob in Breslau und dem Clarenklofter
dafelbft; draftifche Zeugniffe für die Zuftände am Vorabend
der Reformation.

Sie waren nicht ganz unbekannt, Arnold Osk. Meyer hat fie für
feine ,Studien zur Vorgefchichte der Reformation'. Aus fchlefifchen
Quellen 1903 benutzt (vgl. S. 25—27), neuerdings Ferdinand Doelle,
der Herausgeber der Frzsk. Studien, in feinen beiden Büchern .Reformtätigkeit
des Provinzials Ludwig Henning in der fächfifchen Franziskanerprovinz
(1507—1515)' 1915 und ,die Obfervanzbewegung in der fächfifchen
Franziskanerprovinz' ufw. 1918. — Aus früherer Zeit nenne ich
einen bekannten Namen, den l'rovinzial von Sachfen, Matthias Döring.
Nr. 366 vom 22. Okt. 1432 bietet einen intereffanten Beitrag zu feiner

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