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Ausgabe:

1920

Spalte:

4-5

Autor/Hrsg.:

Clemen, Carl

Titel/Untertitel:

Die Entstehung des Neuen Testaments 1920

Rezensent:

Pott, August

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Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 1/2.

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wiffenfchaft einzureihen. Schwartz hatte fich aber den
Zugang zu der Orientaliftik noch in vorgerückteren Jahren
dadurch erfchloffen, daß er z. T. unter Beratung vonfeiten
Wellhaufens fich in einige der femitifchen Sprachen
einarbeitete; er war auch einmal Wellhaufens Zuhörer
in Göttingen, als diefer über die femitifchen Sprachen
las. So fchätzt denn feine Skizze im Wefentlichen
die Bedeutung des Mannes und feines Werkes richtig
ab, wenn auch hier und da der Outsider zu merken ift.
Am ftärkften macht fich der merkwürdigerweife da bemerklich
, wo man es am wenigften erwarten follte, nämlich
bei der Darfteilung und Beurteilung der Leiftungen
auf dem Gebiete des N. T. Was hier an Urteilen über
die neuteftamentliche Wiffenfchaft geboten wird, ift felbft
mit der S. 28 oben flehenden Einfchränkung (.glänzende
Ausnahmen') in diefer Allgemeinheit einfach ungerecht,
es fei denn, daß die Kenntnis von deren Arbeit im Wefentlichen
mit dem S. 28 fcheinbar als Grenze auftretenden
Strauß abbricht. Wellhaufens Arbeit auf dem Gebiete
des N. T. wird gleichwohl gut charakterifiert, wenn
auch deren Bedeutung etwas überfchätzt ift. Es fällt
auf, daß die Skizze, die Wellhaufens Reifen nach England
und Holland berührt, nicht auch feinen Aufenthalt in
Paris erwähnt, wo Renan in feiner Gegenwart über fein
bahnbrechendes Werk referierte. Über den Umgang
mit feinen Schülern hätte fich in Kürze auch Einiges
fagen laffen. Doch darf man nicht zuviel verlangen. Es
ilt fchon bewundernswert, was alles hier auf 30 Seiten
an Stoff geboten wird. Schwartz's Rede auf Wellhaufen
ift jedenfalls die ausführlichfte Würdigung des Mannes
und feines Werkes, welche wir befitzen. Als Beilagen
find am Schluß angefügt ein lateinifcher Lebenslauf, den
W. bei der Theol. Fakultät in Göttingen zur Bewerbung
um eine Repetentenftelle am dortigen Stift 1868 eingereicht
hat, und ein ebenfalls lateinifch gefchriebener Nachtrag
bei der Meldung zur Lizentiatenprüfung aus dem
Jahre 1870.

Daffenfen, Kr. Einbeck. Hugo Duenfing.

Praetorius, Franz: Bemerkungen zum Buche Hofea. (V,

106 S.) gr. 8°. Berlin, Reuther 6k Reichard 1918. M.6 —
Es find im Wefentlichen metrifche Unterfuchungen,
die Prätorius hier vorlegt. Zuerft geht er den Hofeatext
Kapitel auf Kapitel durch (S. 1—86), darnach bietet er
den ,älteren Text' (87—97), um zum Schluß metrifche
und grammatifche Bemerkungen zu machen (S. 98 —106).
— Der Verfaffer bekennt, feine metrifchen Kenntniffe der Be-
fchäftigungmitdenSchriftenvonHeuiler,Saranund vor allem
Sievers zu verdanken, und bewegt fich in den von diefem
für die Metrik der Hebräer aufgezeigten Bahnen. Es ift
zu verliehen, daß jemand, der wie der Rezenfent der Anwendung
all diefer metrifchen Gefetze auf das A. T. fehr
mißtrauifch gegenüberfteht, davon nicht den Nutzen für
die Erkenntnis der poetifchen Literatur des Alten Tefta-
ment haben wird wie der gottbegnadete Gläubige. So
fcheint mir das Meifte, was Prätorius vorbringt, fehr anfechtbar
, vieles direkt irrig zu fein. Die Metrik zur Unter-
ftützung der Heilung des in der Tat fehr verrotteten
Hofeatextes zu benutzen, könnte ja fehr willkommen fein,
wenn man nur fich hier auf wirklich fettem Boden bewegte
. Diefe Überzeugung gewinnt man aber nicht aus
diefen Unterfuchungen und Vorfch.ägen von Prätorius, bei
denen man doch oft das Gefühl hat, daß der Verf. zu
fcharffinnig ift und bei feinem Scharffinn das Wahrfchein-
liche und auch fprachlich Mögliche oft genug außer
Augen läßt. Einige Beifpiele mögen das belegen.

Prätorius rindet die Befehle Jahwes an Hofea, feinen Kindern einen
bedeutungsvollen Namen zu geben jedesmal in einem Trimeter und
Tetrameter gehalten. Aber einmal kann man die erden Zeilen, fo np

d"»3«t nie« Hl? pjb oder narn ttb nrjia top oder iss jtb •rata xpp,

oder bttSpn iaia Kplp ebenfogut als Tetrameter zählen, andererfeits
kommt Prätorius nur durch anfechtbare Ausfcheidungen zu feinem Re-
fultat. Das i«ni PIM| b? und 'bwnkp rYftJ rrobaa itfgtän' foll Gloffe

fein, das Xiinri DiiD tV'JI arjer Vers 5, das in dem Zufammenhang
recht fchlecht paßt und ja meid eine Gloffe einführt (fo auch wohl hier)
nicht. Warum? Weil fo der Tetrameter herauskommt. Nebenbei
bietet dies Kapitel auch ein Beifpiel von der oft recht anfechtbaren Erklärung
von Gloffen durch Prätorius. Das nnb Ntsitt | KtU3 iD, 6c, als
unecht fchon lange erkannt, foll heißen: einen Fürften (RNÜ3) will icli
ihnen erheben (nämlich den Jüdaern) und fo eine Gloffe fein zu Vers 7
(Judas will ich mich erbarmen). Da würde man aber D^pN, oder "Pix,
aber fchwerlich NtBit fagen. Hier id die alte Erklärung: ,denn ich werde
ihnen vergeben' doch fachlich und fprachlich gerechtfertigter.

Die erden Verfe:von Kap. 2, aus fachlichen Gründen mit Recht
angefochten, werden von Prätorius als Doppeltetrameter des Hofea an-
geiehen, die er nach einigen — unnötigen — Ausfcheidungeu herausbekommt
. Der Ausdruck cbRj"ili Dil 5il3 13/, der diefe Weisfagung
von der Vereinigung und Heimkehr des Nord- und Südvolkes unter
einem gemeinfamen König durchaus wirkungsvoll abfchließt und im
Munde eines fpäteren, der den Schluß des Kapitels von der Befeligung
Israels kannte und benutzte, ebenfo verfländlich id wie er im Munde
des Hofea an diefer Stelle, die vorher und nachher nur von Fluch
und Strafe fpricht, unbegreiflich wäre, paßt nicht in das Metrum. Er
wird herausgeworfen und alfo gelefen und gedeutet: brtsnpna nb'ngp 13
d. h. ,denn lie (Juda und Ifrael) werden größer fein als Yizre'el (deffcn
Name Symbol für fchlimme Katadrophen id)'. Daß hier eine Verbeffe-
rung geboten wird, kann ich nicht gerade finden, ebenfowenig wenn der
gewiß andößige Text 4,4b ]tra iDiTDD ?JB91 zu einem Dil DD naDI
jfiDi foll heißen: ,Dein Volk priedert wie Streit' gemacht wird.

Auch daß das viel umdeutete Dpi Tjbp 5,13 auf Juda gehen foll (,und
zum König fchickte der Gegner' =» Juda), wird kaum Beifall finden.

Am merkwürdigden kommt mir die Behandlung des nach feiner
Bedeutung vielumdrittenen Kap 3 vor. Auch das id nicht in Profa
gefchrieben, wie doch fetbd Duhm meint, es bietet vielmehr Heptameter,
die dann wieder, fei es durch Ausmerzung, fei es durch Einfätze gewonnen
werden. Dafür werden anderfeits folche fchwere Brocken wie
Djbrj Tili rxi und Dinip nippXD in Vers 5 ruhig gefchluckt: fie
paffen zum Metrum. — Mag man die Frage, ob das Hurenweib, das
Hofea fich kauft (Prätorius mit unnötiger Änderung des fliDN in HDDVJX
fich .mietet'), fein vorher verjagtes Weib id, bejahen, was ich mit Well-
haufen tue, oder verneinen: der Sinn der Handlung id klar. Wie Hofea
dies Weib von männlichem Verkehr abfperrt, fo wird es auch Jahwe
mit Ifrael machen. Nur dadurch wird wie bei der Hure die Sehnfucht
nach Hofea fo bei Ifrael nach Jahwe zu erwecken fein. Als Liebhaber
Ifraels kommen da die Baale und die Fürden in Betracht. Und was
macht Prätorius daraus? Das Nichthuren ufw. des Weibes foll einGleichnis
des religiöfen und daatlichen Verfalles fein! Aber wenn Hofea Ifrael
in Ausficht dellt, daß Ifrael eind wie jenes Weib .ohne König und
Fürden, ohne Opfer und Maßebe fitzen foll (doch gewiß im Kerker der
Verbannung), fo meint er damit lieber nicht religiöfen und daatlichen
Verfall. Könige und Fürden, Opfer und Maßebe — daß Ifrael damit
umgeht und nicht Jahwe allein als König anerkennt, ihn allein in einem
Diend ohne Opfer uud Maßebe verehrt, id ja nach Hofea gerade Ifraels
Sünde.

Wenn demnach Prätorius meint, das Gedicht fei ungefchickt und
unklar erdacht, fo bietet nach meinem Gefühl Hofea felbd kaum Anlaß
zu diefem Urteil.

Ob die metrifchen und grammatifchen Bemerkungen am Schluß,
die fich hauptfächlich mit der Frage des Worttones befchäftigen, der
Hauptfache nach zutreffen, wage ich nicht zu entfeheiden.

Es tut mir leid, daß ich diefen Auslührungen des verdienten Gelehrten
über Hofea (wie auch feinen Bemerkungen in den Abhandlungen
der Berliner A. W. über Arnos) fo wenig zudimmen kann.

Bonn. Meinhold.

Clemen, Prof.Lic.Dr. Carl: Die Entftehung des Neuen Telta-
ments. (Sammlung Göfchen 285.) (167 S.) kl. 8°.
Berlin, G. J. Göfchen 1919. M. 1.80

Es ift ein fchönes Zeichen fowohl für die Schrift als
auch für den Leferkreis der Sammlung, daß fobald nach
der I. Auflage (1905) eine zweite notwendig geworden
ift. Beobachten wir folche Nachfrage in Sammlungen
wie Göfchen oder Teubner, fo find die etwaigen Bedenken
erledigt, ob folche popularifierenden Werke notwendig
find. Das vorliegende ift ein wortgetreuer Nachdruck der
erften Auflage. Bei den damaligen Befprechungen wird
wohl bemerkt worden fein, daß die Schritt überhaupt
nicht die .Entftehung des N. T.', fondern .Einleitungsfragen
zum N. T.' behandelt. Wäre es da nicht ratfam gewefen,
daß der Verf. in einem Vorwort dargelegt hätte, daß er
fich mit den Entftehungsfragen der einzelnen Schriften
des N. T. befchäftigen will, und daß er dem Haupttitel
einen richtigen Untertitel hinzugefügt hätte, um künftig
Irreführung zu vermeiden? So wird die eigentliche Ent-