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Ausgabe:

1920 Nr. 2

Spalte:

295-298

Autor/Hrsg.:

Lübeck, Konrad

Titel/Untertitel:

Georgien und die katholische Kirche 1920

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 25/22.

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gegen eine Buße ohne Kirchenbann und öffentliche
Rüge' befeitigt und ,nicht in der excommunicatio, fondern
in der communio den wahren Lebensnerv einer wirk-
famen Bußzucht' aufgedeckt. ,So war theologifcherfeits
die Bahn für eine als abgekürzte Nebenform der öffentlichen
Buße erfcheinende innerkirchliche, vor dem Minifter
allein fich vollziehende Buße freigemacht. Indem fie
Auguftin für alle ,geheimen' d. i. fingulären crimina innerhalb
feines Sprengeis zur praktifchen Einführung brachte,
trug er zu 'ihrer Verwurzelung im abendländifch-kirchlichen
Boden wefentlich bei. Auguftins Verdienft wird es bleiben,
die kirchlich geleitete Privatbuße fpekulativ begründet
und ihrer Einbürgerung in die abendländifche Kirche die
Wege geebnet zu haben'. (S. I63). Diefe Thefe hat
'begreiflicherweife Eindruck gemacht und auch Zultimmung
gefunden (z. B. bei Stufler). Mir bleibt es freilich recht
zweifelhaft, ob Adam Recht hat. Ich kann nicht finden,
daß Auguftin über die .halböffentliche' Buße, wie fie z. B.
Loofs in feinem Leitfaden der Dogmengefchichte bezeichnet
hat, hinausgekommen ift. Was Pofchmann in
feiner Schrift: Hat Auguftin die Privatbuße eingeführt?
entgegnet, ift doch recht erwägenswert. Weiteres kann
hier nicht gefagt werden. Nur meinem Harken Zweifel
möchte ich Ausdruck gegeben haben.

Tübingen. Otto Scheel.

Lübeck, D. Dr. Konrad: Georgien und die katholifche Kirche.

Ein Überblick. (119 S.)

— Patriarch Maximos III. Maslum. Ein Ausfchnitt aus der
neueren Gefch. der griech.-melchitifchen Kirche. (139 S.
m. 2 Abb.)

— Die aitperliche Miffionskirche. Ein gefchichtlicher Überblick
. (131 S. u. 1 Karte). (Abhdln. aus Miffionskunde
u. Miffionsgefch. hrsg. i. A. des Franziskus-Xaverius
Miffionsvereins v. L. Mergentheim u. P. J. Louis. 6. lo. u.
15. Heft). 8°. Aachen, Xaveriusverlag 1918/19.

K. Lübeck, Doktor der Theologie und Philofophie,
Profeffor in Fulda (wohl am Priefterfeminar), ift ein guter
Kenner der Kirchen des Oftens. Man kann immer von
ihm lernen. Ich habe die drei genannten kleinen Werke
alle mit Intereffe und Nutzen gelefen. Georgien, das
Land füdlich vom eigentlichen, dem fog. großen Kaukafus
und übrigens ein Gebiet von mannigfach wechfelndem Umfange
, ift von der römifchen Kirche feit langen Jahrhunderten
viel und mit zeitweilig nicht ganz geringen Erfolgen
umworben worden. Im Augenblick umfpielen es, wie man
von Lübeck erfahren kann, wieder fehr lebhafte Hoffnungen
. Der Titel läßt erkennen (und die Schriftenfamm-
lnug zu der das Büchlein gehört, ja nicht minder), daß
es fich für den Verf. fpeziell um die Unions- bezw. Kon-
verfionsbeftrebungen feiner Kirche jener reichen und
fchönen Landfchaft gegenüber handelt. Aber Lübeck gewährt
zugleich einen Überblick über die Gefamtgefchichte
des Gebiets. Es ift wie Armenien, (von dem es füdlich
begrenzt wird; öftlich, gegen das kafpifche Meer und Per-
fien hin, ftoßen Dagheftan und Aferbeidfchan an) nie recht
zur Ruhe gekommen. Perfer und Griechen (Alexander
d. Gr.), Römer, wieder Perfer, Byzantiner, Araber, Seld-
fchuken, Türken, Ruffen, fie alle find nach einander mehr
oder weniger Herren über das beklagenswerte Land und
fein Volk geworden, das das Chriftentum fo zäh feftge-
halten hat wie die Armenier und fich wohl wefentlich dadurch
trotz aller Stürme in feiner Eigenart mit eigner
Sprache, ja auch bis an die Neuzeit heran mit eigenen
Fürften behauptet hat. Seine Hauptftadt ift gegenwärtig
Tiflis, in alter Zeit, und noch fehr lange, war es das nahe,
auch am Kur gelegeneMzcheta. In der Landesfprache heißt
das Gebiet Sakartwelo, nach dem mythifchen Stammvater
Kartlo (danach jetzt fpeziell die Landfchaft um Tiflis: Kart-
lien). Griechen und Römer nannten es Iberia. Die Türken
und Perfer Gurdfchiftan. Die Ruffen Grufija (Grufien).
Der Name Georgien ift erft im 6. Jahrhundert aufgekommen
und dürfte der Verfuch fein, den 'heidnifchen'
Namen Sakartwelo durch einen .chriftlichen', nämlich nach
dem Märtyrer Georg, der ein Verwandter der .Apoftolin', der
heil. Nino oder Nune (4. Jahrh). gewefen fein foll, zu verdrängen
. Kirchlich unterftand das Land bis ins S.Jahrhundert
, oder auch noch länger, dem Patriarchen von An-
tiochia. Dann hatte es einen felbftändigen ,Katholikos'.
Diefer Titel eines oberften Bifchofs erinnert an den des
oberften Patriarchen der Armenier. Doch haben die Ge-
[ orgier fich nicht in der Weife wie ihre Nachbarn von
j der Großkirche abgewendet; nur etwa 140 Jahre haben
auch fie dem Chalcedonenfe widerftrebt. Ihrem alten Zu-
; fammenhang mit der fyrifchen Kirche getreu, haben fie
! in Syrien und zumal in Paläftina zahlreiche Klöfter gehabt.
Früherauch ein noch zu den bedeuten deren gehörendes (jetzt
freilich wefentlich gräzifiertes) auf derAthoshalbinfel: Iwiron
(rcöv 'ißriQojv). Schon um 6co hatte die georgifche Kirche
auch Beziehungen zu Rom (Gregor I.). Seitdem 13. Jahrhundert
fetzen römifch miffionarifche Beftrebungen ein,
zuerft getragen von den Franziskanern, dann eine Zeitlang
von den Thea tinern, fchließlich befonders von den Kapuzinern
. Es gelingt öfter, Teilfürften (das Land blieb nicht
einheitlich; in Betracht kommen befonders die am fchwarzen
Meer bzw. im Welten gelegenen Striche: Mingrelien,
Imeretien u. a. — Georgier lebten und leben bis an Tra-
pezunt heran) für die Ünion zu gewinnen. Die öftlichen
Striche(Kachetien, Kartlien) blieben (faft) völlig im.Schisma',
wie übrigens größerenteils auch die weltlichen. Zeiten
unfäglichef Kriegsnot (wüftefter Zerftörung) bringen auch
viel inneren Zerfall. Doch hatte das Volk feit dem 6. (vielleicht
fchon feit dem 5.) Jahrhundert eine eigene Bibel-
überfetzung und gewann dadurch immer wieder wichtige
religiöfe und literarifche Impulfe. Seit der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts ruffifcher Tyrannei, zumal auch
kirchlich, verfallend, ift Georgien durch die ruffifche Revolution
1918 zu einer freien Republik geworden. Lübeck
berichtet, daß von den ca. 21/2 Millionen Chriften dort
vor dem Kriege 40000 fich der römifchen Kirche angegliedert
hatten, überwiegend (32000) unter Annahme des
,lateinifchen' Ritus. Es wäre willkommen, wenn Lübeck
auch Befcheid gegeben hätte über das Verhältniß des ge-
orgifchen Ritus zum griechifchen .orthodoxen' einerfeits,
dem armenifchen andrerfeits; ich vermute, daß letzterer
mindeftens ftarken Einfluß geübt hat.

Von geringerem Interrefie ift das zweite oben genannte
Schriftchen. Es gilt einer einzelnen Perfönlichkeit, die
gewiß in ihrer Art Bedeutung hatte, doch aber nur einem
Feinfchmecker, wenn ich mich fo ausdrücken darf, auf dem
Gebiete des orientalifchen Kirchenrechts, zumal derRechts-
verhältniffe der orientalifchen Linierten, wie Lübeck, fo
wichtig erfcheinen kann, um ihr Leben ausführlich dar-
zuftellen. Das weitläufige Werk von P. Cyr. Charon,
Historie des patriarcats melkites, hat im 2. Bande (l910)
dem Michael Maslum von Aleppo, als Maximos III
Patriarch der Melkiten, 1833—1855, fchon eine ^enr gründliche
Schilderung zu teil werden laffen (S. 1—400). Lübeck
bietet den Stoff knapper und überfichtlicher, wird aber
doch kaum viele überzeugen, daß der Mann und das von
ihm eigentümlich herrifch geleitete Kirchentum, klein wie
^es ift, in höherem Sinne als hiftorifch bedeutfam anerkannt
werden könne. Maslum-Maximos war ein echter Orientale,
verfchlagen, zäh, hochfahrend wenn er glaubte damit etwas
erreichen zu können, für den Papft vielfach recht ärgeilich,
dennoch offenbar zu gefährlich, um anders als mit Vorficht
behandelt zu werden. Amüfant in feiner Weife, typifch
für orientalifche Kirchenverhältniffe, zumal ihre Kleinlich-
I keit, ift der Kalimafkiftreit, der rund ein Jahrzehnt dauerte
und fchließlich doch nur mit einem halben Si ege des Patriarchen
endete. (Das Kalimafki ift der hohe zylinderförmige
, an der Stirn ohne greifbaren Rand dem Kopf
auffitzende .orthodoxe' Priefterhut: die Melkiten eigneten
fich ihn 1837 mit an und brachten alle Orthodoxen bis
Petersburg hin in Aufregung dadurch; die Pforte fand