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Ausgabe:

1920 Nr. 2

Spalte:

293

Autor/Hrsg.:

Schütz, Roland

Titel/Untertitel:

Der parallele Bau der Satzglieder im Neuen Testament und seine Verwertung für die Textkritik und Exegese 1920

Rezensent:

Dibelius, Martin

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•293

Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 25/26.

294

Schütz, Priv. Doz. Lic. th, Dr. ph. Roland: Der parallele Bau der

Satzglieder im Neuen Teftament und feine Verwertung für die Textkritik
und Exegefe. (Forfchgen. z. Relig. u. Lit. d. A. u. N. T.,
N. F. 11. Heft.) (27 S.) gr. 8". Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
1920. M. 2 —
Das Heft enthält eine Studie über den Satzrhythmus im Neuen
Teftament. Allen, die es nötig haben, öffnet Sch. zunächft die Augen,
indem er den Satzrhythmus durch kolometrifchen Abdruck auch in
,Profa' Texten aus Mk nachweift und die Beziehungen diefer Form zum
klafftfchen und zum helleniftifchen Griechifch wenigftens andeutungs-
weife klarftellt. Die Fülle von Fragen, die hier auftauchen, kann der
Verf. auf diefem knappen Raum natürlich nicht eröitcm, aber die m. E.
wichtigften fähe ich doch wenigftens gern erwähnt, fo die beiden verwandten
, inwiefern der feinitifche Parallelismus in der LXX und in der
griechischen Cberfetzung der Worte Jefu eine Abwandlung erfahren hat
und in welcher Richtung. Die Entscheidung diefer Frage fcheint mir
gerade für die im zweiten Teil behandelte textkritifche und exegetische
Verwertung der Kolometrie wichtig. Denn wenn hier überall der Satzrhythmus
vorausgefetzt und überfchüffiges (wie Mk 27I xb xaivbv xov
nalniov) als Gloffe entfernt wird, fo gilt doch jene Vorausfetzung nur
für das vielleicht ganz anders rhythmisierte femitifche Original, und es
fragt ftch immerhin, ob der fcheinbare Überhang nicht bei der Über-
fetzung als notwendige Verdeutlichung in den Text kam; anders liegt
die Sache, wenn wir dem Überfetzer ohne weiteres Bemühung um den
Rhythmus zufchreiben dürfen; ich möchte das letztere annehmen, weil
die mnemotechnifchen Notwendigkeiten der Tradition rhythmifche Gestaltung
forderten. Weniger problcmatifch ift die Anwendung diefer
Stilkritik auf griechifche Originaltexte. Gewundert habe ich mich
übrigens, daß Sch. I. Kor. 734 nicht dem Tifchendorffchcn Text den
Vorzug gibt. Diefer lautet freilich nicht wie ihn Sch. abdruckt, fondern
fo, daß t] ayanoi; und // de yanifiaaa die beiden Subjekte find; als
Vorderfatz ergibt ftch dann xal fttfitpcotai xal // yvvl/ xat // ncpHeiw.
Man mag diefen Wortlaut aus exegetifchen Gründen verwerfen; nach
ftilkritifchem Maßstab aber ift er der befte Text, weil er den reinften
Parallelisnius hat. So hätte ich mit dem Verf. noch über manche Einzelheit
zu diskutieren, begnüge mich hier aber mit dem Ausdruck meiner
lebhaften Zuftimmung zu feiner Methode und meiner Freude an einem
weiteren Erfolg der ftilkritifchen Uetrachtungsweife.

Heidelberg. Martin Dibelius.

Stange, Lic. Erich: Paulinifche Reifepläne. (Beiträge zur
Förderg. chriftl. Theol. 22. Bd., 5. Heft.) (78 S.) 8°.
Gütersloh, C. Bertelsmann 1918. M. 2.50

Die Unterfuchung der Motive der paulinifchen Reifepläne
foll ein Beitrag zur Charakteriftik des Paulus fein.
Unterfchieden werden rationale und irrationale (pneu-
matifche) Motive, von denen die Miffionsreifen des P. be-
ftimmt find, eine Unterfcheidung, die wefentlich für das
Bewußtfein desP. befteht, in dem Motive beider Art, ohne
fich auszufchließen, nebeneinander hergehen, während in
der apokryphen Literatur (wie auch gelegentlich in der
Darftellung des Philoftrat von den Reifen des Apollonios)
das irrationale Motiv als rein fupranaturaler Faktor auftritt.
Bei der Unterfuchung der rationalen Motive wird ftark
betont, daß weniger „ftrategifche" Gefichtspunkte oder
gar perfönliche Intereffen, als zufällige Anläffe wiegünftige
Gelegenheiten und Anknüpfungspunkte, feelforgerifche
Notwendigkeiten oder auch unvorhergefehene Hemmniffe
die Pläne des P. beftimmen. Wird das im allgemeinen
richtig fein, fo dürften doch m. E. weitausfehauende Pläne
nicht in dem Maße ausgefchloffen werden, wie der Verf.
meint; der Plan der fpanifchen Reife kommt bei ihm nicht
zu feinem Recht. Da die Quellen oft verfagen, find mitunter
nur Vermutungen möglich, und man kann manchmal anders
urteilen als der Verf. Das Bewußtfein des P. zur Evan-
gelifation des xoOftoq berufen zu fein, würde ich nicht zu
den rationalen Motiven zählen. Im ganzen ift die befonnene
Unterfuchung ein hübfeher kleiner Beitrag zur Paulus-
forfchung, ohne daß freilich wefentliche Probleme zur
Debatte kämen.

Gelegentliche Hinweife auf die Reifen des Apollonios
find zuweilen lehrreich. Neben dem D-Text von act 19,1;
20,3 wäre auch der von 17,15 zu nennen gewefen. Zu
Philoftr. vit. Apoll. IV 34 wäre'auchjof ant.XI 8,5 zu ftellen.
Breslau. Bultmann.

Mengis, Karl: Ein donatiftifches Corpus cyprianilcher Briefe

(Diff., Freiburg i. B.) Preiburg i. B., Caritas-Druckerei
1916. (76 S.) 8° M. 3—

Unter den von Reitzenftein in der Würzburger Hand-
fchrift Mp. theol. f. 33 entdeckten eigentümlichen Texten

befindet fich auch eine kleine Sammlung cyprianifcher
Briefe (Epp. 67. 6. 4. 10 Härtel), die neben andern Abweichungen
namentlich einen von der cyprianifchen Faffung
vielfach verfchiedenen Bibeltext aufweift. Ihn behandelt
M. in feiner tüchtigen Differtation und er kommt zu dem
fchon von K. Holl als Vermutung ausgefprochenenErgebnis,
daß die Sammlung aus donatiftifchen Kreifen'ftamme. Von
größter Wichtigkeit ift dabei die Faffung von Os. 9, 4 in
Ep. 67, 2, wo an Stelle des cyprianifchen ,manducare' das
nur für die nordafrikanifche Donatiftenbibel belegbare
längere fteht. Auch die Einfügung einer Schriftftelle
in Ep. 97, 4 fowie Weglaffungen in diefem Briefe und in
Ep. 6 ftimmen gut zu donatiftifchem Urfprung, der demnach
für diefe Sammlung, wie für die Paffio in derfelben
Handfchrift, anzunehmen ift. Die Ausführungen von M.'
find durchaus einleuchtend, und ich wüßte nicht, was dagegen
einzuwenden wäre. Bemerkt fei noch, daß die Ver-
fpätung diefer Anzeige nicht mir zur Laft fällt, da mir die
Schrift erft im Mai 1920 zugegangen ift.

München. Hugo Koch

Adam, Prof. Dr. Karl: Die kirchliche Sündenvergebung nach
dem hl. Augultin. (Forfchungen zur Chriftl. Lit.- u.
Dogmengefch. 14. Bd., 1. Heft.) (X, 167 S.) gr. 8".
Paderborn, F. Schöningh 1917. M. 6 —

Pofchmann, Prof. Dr. Bernhard: Hat Auguftinus die Privatbuße
eingeführt? Ein Beitr. z. Gefch. d. altkirchl. Bußdisziplin
. (S. A. a. d. Vorlefgsverz. d. Akad. z. Braunsberg
S. S. 1920). (34 S.) gr. 8°. Braunsberg, Bender's
Buchh. 1920. M. 3.20

Adam hat eine fehr anregende Unterfuchung über
ein verwickeltes Problem vorgelegt. Eine Fülle anziehender
Beobachtungen wird ausgebreitet. Daß nur
die Sache felbft zum Worte kommen foll, jeder vorgefaßten
Apologetik gewehrt wird, ift bei einem Forfcher wie
Adam felbftverftändlich. Es darf namentlich auf feine
Schilderung der Beziehungen der Gnadenlehre Auguftins
zu feiner Anfchauung von der Buße hingewiefen werden.
Adam identifiziert Auguftin nicht mit dem, was katholi-
fches Gemeingut ift oder dafür gehalten wird. Davor bewahrt
ihn fein hiftorifcher Takt. Und er verhehlt nicht,
daß Auguftin manche aus fremden Vorftellungskreifen
(lammende Befonderheiten feiner Denkweife auf die Bußbetrachtung
übertragen hat, die von der katholifchen
Kirche nicht übernommen wurden. Neuplatonifchen und
antidonatiftifchen Intereffen habe er noch ftärker nachgegeben
als ftatthaft gewefen. Die Annahme, daß die
saneti die prinzipalen Träger aller Sündenvergebung feien,
fei ihm in der Auseinanderfetzung mit dem Donatismus
erwachfen. Je eingehender er im Kampf gegen den
Pelagianismus die Prädeftination vertreten habe, defto
mehr fei er von der traditionellen kirchlichen Anfchauung
von der Gnadenwirkfamkeit des Sakraments abgedrängt
worden. Seine Auffaffung von der unbedingten Prae-
deftination habe auf die Vorftellung vom göttlichen
suscitare zurückgewirkt und eine Spannung mit der kirchlichen
fakramentalen Vergebung gefchafifen. Auch neu-
platonifche Intereffen hätten fich vorgedrängt. Auf die
Einzelheiten hier einzugehen ift ganz unmöglich. Daß
Adams Unterfuchung der Auguftinforfchung neue Anregungen
geben wird und zu erneuter Prüfung der von
ihm behandelten Probleme veranlaffen wird, ift gewiß.
Schon Stufler hat in der Zeitfchrift für katholifche Theologie
1918, 63off. fich mit Adams Darftellung des göttlichen
und kirchlichen Faktors im Rechtfertigungsakt
auseinandergefetzt. Pofchmann wird demnächft in derfelben
Zeitfchrift fich mit Adams Schrift eingehend
befchäftigen. Adams Hauptthefe wird vermutlich noch
manche Feder in Bewegung fetzen. Sie ift weitgreifend
genug. Denn ihr zufolge hat Auguftin ,im Kampf gegen
die donatiftifcheÜberfpannung der kirchlichen Zuchtmittel
und im reifen Veftändnis für das, was fich an der öffentlichen
Buße überlebt hatte, die grundfätzlichen Bedenken