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Ausgabe: | 1920 Nr. 2 |
Spalte: | 273 |
Autor/Hrsg.: | Geyer, Bernhard |
Titel/Untertitel: | Peter Abaelards philosophische Schriften. I. Die Logica “Ingredientibus”. 1. Die Glossen des Porphyrius 1920 |
Rezensent: | Scheel, Otto |
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Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 23/24.
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hat. Doch Wiegand wird auf feine engere, mir allerdings
nicht gerechtfertigt erfcheinende Auffaffung von Dogmen-
gefchichte im Proteftantismns hinweifen können. Eine
Erörterung über diefe Fragen hier zu eröffnen, wäre darum
abwegig. Auch meine Bedenken gegen die Darftellung
der mittelalterlichen Dogmengefchichte, in der z. B. der
große Abftand zwifchen frühfcholaftifcher, auguftinifcher
und hochfcholaftifcher, ariftotelicher Bewegung, alfo der
Abftand von Auguftinismus und Ariftotelismus nicht an-
fchaulich wird — ich verweife bloß auf die Darftellung
des thomiftifchen Gnadenproblems —, in der die letzte
Periode unter den jedenfalls mißverftändlichen Begriff des
Verfalls geftellt wird, diefe und andere Bedenken unterdrücke
ich. Vor einem kurzen Kompendium, dem von
vorn herein der Raum über Gebühr beengt war und das
die weiteren Ausführungen und Begründungen dem Unterricht
überlaffen muß, dürfen kritifche Bemerkungen
fchweigen.
Tübingen. Otto Scheel.
Geyer, Studienrat Dr. Bernhard: Peter Abaelards philo-
fophifche Schriften. I. Die Logica ,Ingredientibus'.
1. Die Gloffen des Porphyrius. (Beiträge zur Gefch.
der Philofophie des M.-A. Texte u. Unterfuchgn.,
XXI, 1.) (XII, 109 S.) gr. 8». Münfter i. W., Afchen-
dorff" 1919. M. 6.20
Die von Geyer begonnene Edition der logifchen
Schriften Abaelards wird dem Urteil über die philofophie-
gefchichtliche Stellung Abaelards eine feftere Grundlage
geben, als wir fie bisher befaßen. Das Material, das bis
jetzt zur Verfügung ftand, war unzulänglich genug. Abaelards
Stellung in der Gefchichte der abendländifchen
Logik konnte nicht klar gezeichnet werden; und wie er
das Univerfalienproblem behandelt habe, blieb unficher.
Man war vornehmlich auf die franzöfifche Paraphrafe
der Logica ,Nostrorum petitioni sociorum', die Remufat
gegeben hatte, angewiefen, alfo auf eine fehr fchwankende
Grundlage. Geyer ift es geglückt, die Handfchrift diefes
für die Aufhellung des Univerfalienproblems wichtigen
Werks in Lunel wieder aufzufinden. Die Unliebens-
würdigkeit des franzöfifchen Bibliothekars hat ihm freilich
die Verwertung der Handfchrift fehr erfchwert. Die Erlaubnis
, fie zu photographieren, wurde verweigert. Geyer
mußte fich mit einer Abfchrift begnügen, die herzuftellen
ihm recht erfchwert wurde. Immerhin konnte fie aber
zu Ende geführt werden, fodaß der Forfchung jetzt ein
ficheres Pundament gelegt werden kann. Die Drucklegung
hat mit der Logica Ingredientibus begonnen. Die
in Mailand in der Ambrofiana liegende Handfchrift für
den Druck zu vergleichen, hat freilich der Krieg verhindert
. Dem Herausgeber ftanden aber Photographien
zur Verfügung. Die Plandfchrift enthält Gloffen zur Ifa-
goge des Porphyrius, zu den Kategorien des Ariftoteles
und zu jttQi SQfievElag. Das vorliegende Heft enthält die
Gloffen zu Porphyrius. Der mangelhaft überlieferte, nur
in einer Handfchrift vorhandene Text hat dem Herausgeber
fchwere Aufgaben geftellt. Mit Konjekturen hat
er freilich fehr gegeizt, hat aber, um einen finnvollen
Text zu erhalten, zahlreiche Eingriffe machen müffen.
Die Abweichungen von der Handfchrift find verläßlich
in den textkritifchen Noten angegeben, fodaß dem Lefer
die Möglichkeit der Prüfung offen gelaffen wird. Gloffen
der Logica Nostrorum und die anonymen Gloffen zur
Ifagoge in der Abälards Gloffen enthaltenden Mailänder
Handfchrift lieferten ein willkommenes Mittel der Text-
verbefferung. Hoffentlich gelingt es Geyer, die gegenwärtige
Not auf dem Büchermarkt zu überwinden und
fein Werk zu Ende zu führen. Dann kann auch hier ausführlicher
darauf eingegangen werden.
Tübingen. O. Scheel.
Knappe, Pfr. Dr. phil. Wilhelm: Wolf Dietrich von Maxlrain
und die Reformation in der Herrfchaft Hohenwaldeck.
Ein Beitrag zur Gefch. d. deutfchen Reformation u.
Gegenreformation. (Quellen u. Forfchgn. zur bayr.
Kirchengefchichte, IV. Bd.) (V, 156 S.) gr. 8°.
Leipzig, A. Deichert 1920. M. 12—
Für die Gefchichte Bayerns in der Reformationszeit
ift neben Riezler neuerdings durch Götz, Theobald und
Dorn viel geleiftet worden. Ihnen fchließt fich Knappe
mit dem Charakterbild des edlen Wolf Dietrichs von
Maxlrain und feiner Herrfchaft Hohenwaldeck an, für
welche der Salzburger Vertrag 1559 trotz Anerkennung
der Reichsunmittelbarkeit mit dem Verbot der Reformation
verhängnisvoll wurde. Neu beftätigt wird die von Kurfürft
Maximilian beklagte Konnivenz und Kaltfinnigkeit der
geiftlichen Obrigkeiten gegenüber den Reformationstrieben,
aber auch die Verlotterung des Kirchenwefens auf dem
Lande, die das Volk den evangelifchen Predigern zutrieb.
Ebenfo klar ift, daß die weltliche Obrigkeit die Stütze
Roms war, auch fo in dem kleinen Gebiet von Hohenwaldeck
. Unbeftreitbar ift, daß Albrecht und Wilhelm V.
wirklich religiöfer Eifer beftimmen, während diefer bei
Wilhelm IV. und Ludwig X. zurücktritt, denn ihre fitt-
liche Laxheit verträgt fich nicht mit echter Religiofität.
Durchfchlagend aber ift der fürftliche Abfolutismus gegenüber
der Selbftändigkeit von Adel und Städten, und der
finanzielle und politifche Gewinn aus der Verbindung mit
Rom, welchen letzteren Knappe richtig hervorhebt.
Wünfchenswert wäre jetzt eine zufammenfaffende Gefchichte
der Reformation und Gegenreformation in Bayern
und feinen Bistümern.
Stuttgart. G. Boffert.
Kaajan, Dr. H.: De groote Synode van Dordrecht in
1618—1619. (240 S.) gr. Lex. 8«, Amfterdam, De
Standaard (1918).
Seinem 1914 erfchienenen, in diefer Zeitfchrift 1915,
Nr. 6 befprochenen Werke über die Pro-Acta der Dord-
rechter Synode läßt der Rotterdamer Kaajan jetzt eine
Darfteilung der Hauptverhandlungen folgen. Das Buch
ift aufgebaut auf dem gedruckten und ungedruckten
Material im weiteften Umfange und dürfte in gewiffem
Sinne abfchließend fein, ohne freilich in den Hauptpunkten
viel Neues bieten zu können. Nach einer Einleitung, die
den Streit zwifchen Arminius und Gomarus kurz fkizziert,
werden zunächft die auswärtigen Synodalteilnehmer fehr
eingehend biographifch behandelt, die Engländer, deren
Sprecher George Carleton der Doyen der ausländifchen
Theologen war, die Franzofen, die aber der Einladung
zur Teilnahme nicht folgen konnten, die Pfälzer (Scultetus,
Toflanus, Alting), die Heften, die Schweizer (Breitinger
vorab), die Bremer, Emdener, Naffauer, Brandenburger,
die aber ebenfalls nicht erfchienen. Es folgen die in-
ländifchen Deputierten, an der Spitze der Präfident der
Synode Johannes Bogermann, deffen Porträt auch das
Buch ziert nebft einer Abbildung des Verhandlungslokals.
In den Mittelpunkt der Verhandlungen rückt natürlich
das Verhör der Remonftranten. Hier vermag ich freilich
K.s Urteil nicht zu folgen, wenn er fich wefentlich
auf den Standpunkt der Synode ftellt. Gewiß ift es
richtig, daß diefe keine Diskuffion laut Vorfchrift der
Generalftaaten zulaffen durfte, aber felbft das Verhör
hätte in entgegenkommenderer Weife geführt werden
können. Man hat in wenig würdiger Weife über die
Remonftranten zu Gericht gefeffen. Dem gegenüber gewinnt
Epilkopius mit feinen Getreuen, die man freilich mt dem
allerfchlimmften Mißtrauen beargwöhnte, fie mochten anfangen
, was fie wollten.
Zürich. W. Köhler.