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Ausgabe:

1920 Nr. 2

Spalte:

271

Autor/Hrsg.:

Dold, Alban

Titel/Untertitel:

Ein vorhadrianisches gregorianisches Palimpsest-Sakramentar in Gold-Unzialschrift nebst Zugabe einer unbekannten Homilie über das kanaanäische Weib 1920

Rezensent:

Scheel, Otto

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Seite 1

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271 Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 23/24. 272

von Heil und Unheil, vorteilhaft und fchädlich, auch gut
und böfe. Im kirchlichen Sprachgebrauch, foweit wir ihn
kennen, ift der Offen die günftige ,Gegend', in den ver-
fchiedenen Sphären, zumal der religiöfen, der Weifen

Valentiner, Wilhelm R.: Zeiten der Kunlt und der Religion.

Mit 44 Abbildgn. (XII, 364 S.) 8°. Berlin, G. Grote
1919- M. 12—; geb. M. 15 —

Das Buch vereint fünf Essays, die, wie das Vorwort

umgekehrt. Aber das ift eine Idee, die die Semiten er- , bemerkt, am Beifpiel einzelner bedeutender Perfönlich-
zeugt, den Griechen und fchließlich der Gefammtbevöl- keiten den Geilt vergangener, von Kunlt und Religion
kerung des römifchen Imperiums und dadurch der Kirche J erfüllter Epochen der Gegenwart näher zu bringen ver-
erft allmählich vermittelt haben. Urfprünglich war in Rom j fuchen. Es handelt fich in ihnen in Wirklichkeit nicht
der Offen die als links und ungünltig angefehene Himmels- j so sehr um Kunfthiltorie und nicht allein um die Ermitterichtung
, der Welten umgekehrt, in Ägypten fogar der j hing der religiöfen Vorltellungen, vielmehr gibt jeder für
Norden und der Süden. Alfo mit dem Aufgange der j fich einen Querfchnitt der Gefamtkultur in der Zeit der
Sonne hängt die Vorltellung nicht unbedingt zufammen, j Persönlichkeit, die feinen Ausgangs- und Mittelpunkt
es kommen andere, lokal verfchieden bedingte Umltände j bildet. So folgen fich die fünf Studien unter den Stich-
dazu. Und auch die Vorltellung, daß der Teufel mit dem Worten: I. Amenophis IV; II. Phidias, III. Wolfram von
Welten, der Einlternis, der fchwarzen Farbe zufammen- j Efchenbach; IV 1. Michelangelo, IV 2. Tizian; V. Jakob
gebracht wurde, Chriltus, zumal auch die ,Gerechtigkeit', Ruysdael. Die Auswahl der Perfönlichkeiten ift, wie fich
mit der Sonne, dem ,Licht', dem Olfen, hat eine kom- j aus der Aufzählung ergibt, zugleich fo gehalten, daß nicht
plizierte Gefchichte. (Hier eine Frage, die Dölger nicht ' bloß die verfchiedenen Kulturperioden, fondern zugleich
berührt: was ift es mit den ,fchwarzen Müttern Gottes?!), ! auch in ihnen die jeweils ihre befondere Blütezeit erle-
Auch daß der Teufel ,der Ägypter' genannt wurde, fpielt ; benden Kulturen zu Worte kommen: mit I die vorgrie-
dahinein und ift nicht mit kurzem Worte verftändlich zu j chifche Kultur Ägyptens, mit II die griechifche, mit III
machen. Die Doppelceremonie der Abfage an den [ die deutfche auf der Höhe des Mittelalters, mit IV die
Teufel und dann der Zufage an Chriltus mit den ,notwen- 1 italienifche Renaiffance, mit V das Holland des Barock,
digen' Körperwendungen will nicht minder erklärt fein, fo- : Dabei tritt je nach dem hier mehr das Kunftgefchicht-
wie die zus dem ganzen Ideenkreis mit gehörige Geltal- 1 liehe, dort mehr das Religiöfe, hier mehr der Germanilt,
tung, zumal Gruppierung der liturgifchen Räume. ; dort mehr der Kulturhiftoriker hervor. Immer aber hat
Dölger zieht ferner Riten wie die des Wegltoßens, Schla- [ der Verfaffer es verltanden, auf Grund außerordentlicher
gens und Anfpeiens des Teufels in Betracht. Schließlich I Belefenheit und felbftändiger Verfenkung in alle Seiten
die Vorltellung vom ,Pakt' mit dem Teufel, bzw. umge- ' des Lebens, Wefens und Treibens der Zeiten feiner .Helden'
kehrt mit Chriltus, durch einen Treueid, ,sacramentum'. j .Zeitbilder' zu fchaffen von lebendiglter Färbung und an-
Hier kommt dann auch in Frage die Möglichkeit und fchaulichlter Kraft. Der mit 44 vorzüglichen Bildtafeln
Art der Löfung des Vertrags mit dem Teufel. Eine ! ausgeftattete Band ift eines jener Bücher befter popula-
ganze Reihe von Stellen oder Ausdrücken des N. T.'s fin- J rifierender Wiffenfchaft; von einem Kunfthiftoriker ge-
den durch Dölgers Unterfuchungen neues Licht. Nicht 1 fchrieben ift es aber geeignet, nicht zuletzt gerade auch
zum wenigften johanneifche Wendungen und Begriffe I dem kunfthiftorifchen Spezialiften den Horizont zu weiten.
(Licht). Aber auch paulinifche. Eine befonders forg- 1 Ein erlefenes Verzeichnis aus der von dem Verfaffer be-
lältigeUnterluchung widmet D. (S. 129—142) dem Gedanken ' nutzten Literatur zu den einzelnen Abhandlungen am
von Col. 2, 12—15, dem von der .Ännagelung' des xa&' j Schluß des Bandes leiftet gute Dienfte zu eigenen wei-
yficöv xeiQoygcupov o yv vxtvavxiov yfilv an das .Kreuz', j teren Studien.

Die hier gefchichtlich beleuchtete Idee von dem Kreuze
als .Trophäe' (xQOJtaiov) kann mit helfen, den 2. Artikel
von R d. h. die Idee von der xvgioxyg Chrilti, nicht
trotz, fondern vermöge feiner Kreuzigung verltändlich
zumachen. Dölger ftreift hier auch die von Lietzmann
vertretene Auffaffung vom .carmen' im Pliniusbrief; er
meint daß der Ausdruck nicht bloß das .Tauffynibol',
fondern das Gefamtformular der Eidesverpflichtung
für Chriltus bedeute. Beachtenswert ift ferner z. B. noch,
was Dölger über die Zahlenmyftik für die Idee der
.Gerechtigkeit' und .Vollkommenheit', fpeziell die Kombination
derfelben mit der 4 und der 10, beibringt.
Halle. F. Kattenbufch.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Dold,P. Alban: Ein vorhadrianilches gregorianilches Palimp-

lelt-Sakramentar in Gold-UnziaUchrift nebft Zugabe einer

unbekannten Homilie üb. das kanaanäifche Weib.

(VIII, 80 S. u. X Lichtdruck.) 8°. Beuron 1919.—

Leipzig, O. Harraffowitz in Komm. M. 5 —

Der Verfaffer kommt zu dem .ficheren Urteil', daß
die Lesart des Sakramentars ,mit ihren gegenüber den ; .proteftantifche Weiterbildungen' nach dem Abfchluß des

Wieg and, Prof. D. Friedrich: Dogmengelchichte des Mittelalters
und der Neuzeit. (Ev.-theol. Bibliothek.) (VIII,
176 S.) 8°. Leipzig, Quelle & Meyer 1919.

M. 6—; geb. M. 7 —
Der zweite, abfchließende Band berichtet über die
Aneignung des altkirchlichen Dogmas durch die germa-
nifche Völkerwelt, die Ausbildung der katholifchen Kirchenlehre
durch die Scholaftik, den Verfall des römifchen
Katholizismus im ausgehenden Mittelalter, die Entftehung
des proteftantifchen Lehrbegriffs, den Ausbau des prote-
ftantifchen Lehrbegriffs und die dogmenbildende Tätigkeit
der römifchen Kirche feit dem 16. Jh. — Was zur
Charakteriftik des erften Bandes gefagt wurde, darf auch
für den zweiten gelten. Wenn diefer Schlußband als
Dogmengefchichte des Mittelalters und der Neuzeit bezeichnet
wird, fo foll das nicht heißen, daß eine Dogmengefchichte
des Proteftantismus bis in unfere Tage gegeben
wird. Nur ganz wenige Seiten berichten über

P'aflungen anderer Sakramentare öfters "altertümlichen j Konkordienwerks. Lediglich der Katholizismus wird einer
Zügen näher an Gregor I heranreicht', und dem der Hand- ! Dogmengefchichte bis in die Gegenwart gewürdigt. Für
fchrift von Cambrai merkwürdig nahe fleht. Der Ver- ; den Proteftantismus ift die Neuzeit recht eigentlich das
gleich diefer vorhadrianifchen Textgeftalt mit dem Text ! Reformationszeitalter. Mir perfönlich wird es freilich nicht
dreier nachhadrianifcher Sakramentarhandfchriften und deutlich, warum z. B. die .theologifchen Streitigkeiten unter
dem Gelafianum beweife aber auch, daß der aus Gregors : den Lutheranern' als .Dogmengefchichte', noch dazu recht
Redaktion hervorgegangene Text kaum mehr Wandlungen 1 ausführlich, behandelt werden müffen, während Pietismus
durchgemacht habe. Als Heimat des neu entdeckten | und Aufklärung bloß eine halbe Seite erhalten, das 19. Jh.
liturgifchen Schriftdenkmals wird England in Anfpruch j ganz fehlt, die englifche Bewegung im 17. Jh. ebenfalls
genommen, wenn auch die Möglichkeit einer Entftehung ! bei Seite gelaffen wird und die .Diftenters' des Proteftan-

des Sakramentars auf nordfränkifchem Boden unter angel
fächfifchem Einfluß offen bleibt.

Tübingen. Otto Scheel.

tismus überhaupt keinen Platz in der Dogmengefchichte
des Proteftantismus finden, abgefehen natürlich vom Sozi-
nianismus, der ja einen Rakauer Katechismus gefchaffen