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Ausgabe:

1920 Nr. 1

Spalte:

210-211

Autor/Hrsg.:

Pfennigsdorf, Emil

Titel/Untertitel:

Im Kampf um den Glauben 1920

Rezensent:

Thimme, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 17/18.

210

des theoretischen Menfchen, dabei der .Populärphilofoph'
und Gegner der zünftigen Bildungsphilifter, der Sophiften.
Sokrates war kein Sittenlehrer nach der Regel. Nicht
die Sophiften waren die Andersdenkenden, fondern
Sokrates, der fchon in feinem ganzen Auftreten exzent-
rifch und aufreizend war. Er Sprach anders als der flache
Klerus der Sophiften. Sokrates hatte das Gefühl einer
Miffion. Um jeden Preis will er nach Bewußtheit und
Vernünftigkeit ftreben. Diefen (einfeitig dargestellten)
Sokratismus und feine rationaliftifche Tendenz greift
Nietzfche ganz fubjektiv an, denn es widerfprach tief in
feinem Inneren etwas. Er wehrt fich dagegen, alle
Willenshandlungen zu intellektualifieren, er wendet fich
gegen diefes deftruktive und negative Element in der
fokratifchen Lehre und erblickt darum in ihm einen
decadent. Ganz im Gegenteil müffe der Inftinkt erhalten
bleiben, ja es fei das Werk aller tiefen Erziehung, bewußte
Tätigkeiten in mehr oder weniger unbewußte umzubilden.
Das Bewußtfein habe immer eine auflöfende Macht.
Wien. Franz Strunz.

Eigenart der Philofophie Geißlers. Ein Urteil über fie
muß daher bis zum Erfcheinen der erften Teilarbeiten
aufgefchoben werden.

Binsdorf (Württbg.) . Wilhelm Koch.

Eucken, Rudolf: Einführung in die Hauptfragen der Philofophie.

2. umgearb. Aufl. (V, 188 S.) 8°. Leipzig, Quelle &

Meyer (1920). M. 6—; geb. 8 —

Ein echter und rechter Eucken! Es geht alles zurück
auf die alten, oft vorgetragenen Gedanken. Es ift die
bekannte Sprache mit ihren bekannten charakteriftifchen
Wendungen und dem bekannten glatten Fluß. Es ift
der an die verfchiedenften Themata fich immer wieder

anschließende Hinweis auf die Loslöfung des Menfchen j fätze fämtlfch in dem vom Verfaffer herausgegebenen

Seeberg, Reinhold: Die Grundwahrheiten der chriltliohen Religion.

Ein akadem. Publikum in 16 Vorlefgn., vor Studierenden
aller Fakultäten der Univ. Berlin geh. 6. verb. Aufl. (VII,
182 S.) 8». Leipzig, A. Deichen 1918. M. 4.50

Der neuen Ausgabe des bekannten Buches fchickt Seeberg
die Worte voraus: ,Es find 16 Jahre vergangen, feit ich diele
Vorlefungen gehalten habe. Daß ich heute dies und jenes
anders ausdrücken würde, als damals, ift felbftverftändlich.
Aber die Grundanfchauung ift die nämliche geblieben. So hüte
ich mich davor, an dem Buche allzu ängftlich herumzubeffern,
es könnte dadurch an Einheit und Unmittelbarkeit verlieren.
Doch habe ich in diefer neuen Auflage hier und dort Zufätze
gemacht zur Verdeutlichung und fchärfern Faffung des Vorgetragenen
'.

Göttingen. Titius.

Pfennigsdorf, Prof. D. E.: Im Kampf um den Glauben.

Vorträge, Abhandlgn., u. Auffätze zu Lebensfragen
der Gegenwart. (VIII, 339 S.) 8°. Gütersloh,
C. Bertelsmann 1919. M. 10—; geb. 12.50

Das Buch enthält 15 Vorträge und Abhandlungen
zu Fragen der Gegenwart von je 10—20 Seiten, und etwa
ebenfoviel etwa 5 Seiten lange kleinere Auffätze über
Naturwiffenfchaft und Technik, über Religion und Geiftes-
leben, fowie über Religionspfychologie. Den Schluß
bildet eine akademifche Feftpredigt. Die Vorträge und
Abhandlungen waren bereits zum größten Teil, die Auf-

von der Natur, in der er urfprünglich befangen war, auf i ,Geifteskampf der Gegenwart' veröffentlicht. Die Tendenz
das Auffteigen eines felbftändigen Geifteslebens, das fich ! ift durchweg apologetifch. Im Vordergrund fteht die
jedoch nicht behaupten kann ohne ftets neue Kraftanftren- Verteidigung des Chriftentums gegen die materialiftifche
gungund ohne Vertiefung in eine höhere befruchtende Gei- j Naturwiffenfchaft (insbefondere Häckel), aber auch gegen
fteswelt! Und dennoch auch für den Kenner Euckenfcher die idealiftifche Philofophie, die die grundlegenden GeSchriften
ein willkommenes, gern gelefenes Buch. Wenn j fchichtstatfachen und die Bedeutung der inneren religiöfen
gleich in bekannter Sprache, wird doch manches wieder ; Erfahrung verkennt, gegen Nietzfches Herrenmoral und
anders getagt als fonft. Befonders gelungen find die j die neue fexuelle Ethik wird Front gemacht. Von der
beiden Kapitel über das Wahrheitsproblem und über das Verteidigung geht Vf. bei fich bietender Gelegenheit zum
Glücksproblem. Das letztere gehört zu dem fchönften, j Angriff über. Seine Schreibweife ift knapp, fachlich, klar,
was Eucken ge'fchrieben, und ift zugleich im bellen Sinne i die Behandlung der Probleme zwar weder durch tiefes

populär. Dankenswert unter anderem der ehrliche Pro-
teft gegen die bei einzelnen neueren Philofophen beliebte
verftiegene, innerlich unwahre Verurteilung jeglichen

Eindringen noch durch Feinheit der Gedankenführung
ausgezeichnet, aber bei der Lektüre bleiben, und darauf
ift es augenfcheinlich abgefehen, in jedem Fall einige

Glückltrebe'ns fowie das tapfere Eintreten dafür, daß ! handfefte Gedanken zurück, die meift einleuchten und
wahres Glück nicht allein durch politifche und wirtfchaft- i fich einprägen, und infofern konnten befonders manche
liehe Reformen zu verwirklichen, fondern vor allem in ! der kurzen Auffätze als Mufterbeifpiele einer praktifch
inneren Gütern zu fuchen fei. wirkfamen Apologetik bezeichnet werden, wenn ihnen

Gießen E. W. Mayer. nicht volle Volkstümlichkeit und Bildkraft der Sprache

fehlte. Die dem Vf. wichtigften und teilweife in mehr-

Geißler Fr. J. Kurt: Das Syftem der Seimgebiete als i facher Wiederholung dem Lefer eingehämmerten Gedanken
Grundlage einer umfaffenden Philofophie (Philosophia find die folgenden. Die Naturwiffenfchaft mag fich frei
ordinum essendi). Im Anfchluß an die Univerfitäts- i entfalten, fie kann recht betrieben dem chriftlichen
Vorträge des Verf. vom J. 1912 an. (XVI, 421 S.) Glauben nur nützen, da fie ihn zwingt, von Gott wahrer
8° Leipzig O. Hillmann 1919. M. 30.— haft groß und geiftig zu denken; aber fie muß die ihr
ÖDer "vielfeitio-e und fruchtbare deutfehe Gelehrte, der ; gefleckten Grenzen refpektieren. Ihr mechaniftifches
feit 1912 in Laufanne Univerfitätsdozent ift, beginnt mit j Kaufalprinzip ift nicht allbeherrfchend, fonft gäbe es
diefem Buch ein neues philofophifches Syftem aufzubauen, [ keine Wahrheit, Schönheit, Sittlichkeit. Sie kann die
das er durch feine Univerfitäts-Vorträge bereits vorberei- Grundbegriffe, mit denen fie arbeitet, Stoff, Atom, Kraft,
tet hat und das auch in vorliegendem Buch noch teil- Gefetz ufw. nicht aufklären, über Entftehung von Welt
weife in die Form von Vorträgen gekleidet ift. In diefem und Leben keinen Auffchluß geben, vollends bleibt das
einleitenden Band werden zunächft die verfchiedenen Bewußtfein, die Seele und ihr Zulammenhang mit dem
Seinsgebiete abgegrenzt, fodann ihre Beziehungen zu ein- ; Leibe für fie ein Rätfei, und fie kann es fich niemals
ander aufgezeigt. Dazwischen folgt eine Kritik der Haupt- ; einfallen laffen, Sinn und Zweck des Dafeins zu ergründen,
richtungen in der alten und neuen Philofophie, die darauf : Aber auch die Philofophie, fofern fie das Gebiet der Er-
• " •• " --<-->■— ~—«roi-rion kenntnistheorie überfchreitend zu Begriffen des abfoluten

abzielt, zu zeigen, daß ihre Gegenfätze geeinigt werden
können durch die .Philofophie der Seinsgebiete d h.
durch die Philofophie Geißlers. Ein letzter Abfchrutt
des Buchs fetzt fich mit den Begriffen auseinander,
die beim Aufbau einer Philofophie der einzelnen Seins

Seins emporftrebt, bleibt in Problemen Hecken, verwickelt
fich, wenn fie materialiftifche oder idealiftifche Lehrgebäude
aufführt, in Widerfprüche oder Hellt grund- und
haltlose Behauptungen auf. Eine Geift und Gemüt be-

grunnen in Betracht kommen. Man wird aus diefem | friedigende Weltanfchauung erzeugt allein der Glaube
einleitenden Band der eine ganze Bibliothek von philo- j auf Grund der Gewiffenserfahrungen, die der Chrift an
fophifchen Teilarbeiten eröffnet, noch nicht klar über die I der gefchichtlichen Perfonhchkeit Jefu Chrifti macht, den