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Ausgabe:

1920 Nr. 1

Spalte:

180-181

Autor/Hrsg.:

Bornhausen, Karl

Titel/Untertitel:

Pascal 1920

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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179 Theologifche Literaturzeitung 1920 Nr. 15/16. 180

K an lein, Prof. Theodor: Die Bekehrung der Germanen zum

Chriftentum. 1. Tl. DieBekehrg. der Franken u. Angel-
fachfen (97 S.) 2. Tl. Ausbreitg. d. Chriftentums b.
d. Franken u. Alamannen. Bekehrg. d. Heffen u.
Thüringer. Begründg. d. Deutfchen Kirche durch
Bonifatius (102 S.) (Voigtländers Quellenbücher Bd.
78 u. 78 a) kl. 8°. Leipzig, R. Voigtländer (o. J.)

Pappbd. je M. 5 —
Die Abficht diefer Quellendarbietung ift nach dem Vorwort
, daß die alte Überlieferung, auf die fich unfere Kenntnis
von der Bekehrung der Germanen gründet, felbft zu Worte
kommen und dadurch eine Vorftellung von ihrem Beftand
und Wert gegeben werden foll. Die Bekehrung der Oftgermanen
bleibt wegen Mangel ergiebigerer Quellen außer
Betracht. Im 1. Bändchen werden die wichtigften Quellen
für den Übertritt Chlodowechs und der Franken, die
Briefe des Remigius von Rheims, Nicetius von Trier,
Avitus von Vienne, fowie die einfchlägigen Abfchnitte
der Gefchichte der Franken von Gregor von Tours in
deutfcher Überfetzung vorgelegt. Dann folgt die Bekehrung
der Angelfach fen nach den Briefen Gregors des
Großen und der angelfächfifchen Kirchengefchichte Bedas.
Im 2. Bändchen wird zunächft die Ausbreitung des
Chriftentums bei den Franken auf Grund von Abfchnitten
der aus dem Merowingerzeitalter erhaltenen Viten und
der Kanones der Konzilien gefchildert. Dann verftatten
uns die Vita Columbans von Jonas, die Dicta Pirminii,
die lex Alamannorum einen Einblick in die Bekehrungsarbeit
unter den Alamannen. Für die angelfächfifche
Miffion in Friesland vor Bonifatius werden Abfchnitte
aus der Vita Wilfridi und aus Bedas Kirchengefchichte
dargeboten. Endlich wird das Wirken des Bonifatius unter
den deutfchen Stämmen auf Grund der Papftbriefe, der
Vita Bonifatii von Willibald und des eigenen Briefwechfels
des Bonifatius dargeftellt. Der Wert des Buches befteht
nicht in den kritifchen Bemerkungen zu den Quellen, die
oft ganz fehlen oder naturgemäß nur kurz find, fondern
in der gefchickten Auswahl der Quellenabfchnitte und
der zuverläffigen und anfprechenden Überfetzung.
Münfter i./W. G. Grützmacher.

Köhler, Walther: Die Geifteswelt Ulrich Zwingiis. Chriftentum
u. Antike. (Brücken III.) (VII, 156 S.) 8°.
Gotha, F. A. Perthes 1920. M. 6 —

Die vorliegende neue Schrift Köhlers, des Mitherausgebers
der neuen Zwingliausgabe, bildet eine Ergänzung
zu dem von mir (Th. Litztg. 1919 Nr. 25/26 Sp. 298)
angezeigten .Religionsgefchichtlichen Volksbuch' über
H. Zwingli. War in dem letzteren die Abficht eine bio-
graphifche, um die ganze Entwicklung Zwingiis von ihren
Anfängen an durch ihre verfchiedenen Stadien und Beziehungen
bis zum Ausgange zur Anfchauung zu bringen
und wurde diefe Abficht durch ein tiefes, zum Teil ganz
neues Eindringen in die einzelnen bisher noch ungelöften
Probleme erreicht, wodurch diefe Schrift nach unferem
Erachten für die Erforfchung des Lebensganges des
Züricher Reformators eine hervorragende Bedeutung gewann
, fo hat es die jetzt vorliegende Arbeit mit der geifteswelt
' Zwingiis zu tun d. h. mit der Aufzeigung und Darfteilung
der geiftigen Eigentümlichkeit Zwingli's, durch
welche er, befonders im Unterfchied von Luther, eine ganz
eigentümliche Stellung im Geiftesleben der Reformation
einnimmt, aber auch zugleich einen ganz befonderen Wert
und eine ganz hervorragende Bedeutung befitzt, alfo nicht
einfach hinter Luther zu verfchwinden hat, fondern mit
ihm zufammen als Fundament die Brücke der Geiftes-
kultur zu tragen imftande und berufen ift. Die Elemente,
aus denen fich Zwingli's Geifteswelt zufammenfetzt, find
das Chriftentum und die Antike, darin befteht der .andere
Geift', von dem Luther zu Marburg geredet hat, freilich
nicht in dem Sinne, als ob Luther von der Antike gar
nicht berührt wäre. Aber während es fich bei Luther
im Verhältnis zur Antike nur um eine äußerliche Berührung
handelt, ift die Antike bei Zwingli ein maßgebender
Faktor feines ganzen Geifteswefens, feiner Geifteswelt und
zwar in einer Weife und Stärke, daß fich Antike und
Chriftentum häufig geradezu auszufchließen drohen, wenn
nicht immer wieder die fupranaturale und irrationale
Macht des Chriftentums die Übermacht erhalten würde.
Köhler führt d iefen Gedankengang durch, indem er nach einer
kurzen Einleitung zuerft die Fundamente, dann das Wefen
der Geifteswelt Zwingiis in diefem Miteinander und Gegeneinander
von Chriftentum und Antike befpricht und fo-
dann die Eigenart Zwingiis unter diefem Gefichtspunkte
in Bezug auf Bildung, das auktoritative Prinzip (die
Wahrheitsfrage), Gott, Welt und Menfch, Erlöfer, Heilsaneignung
, Sittlichkeit (Staat und Kirche) den Ausklang
im Jenfeits, die göttliche Vorherbeftimmung fchildert. Ich
habe die Schrift mit größtem Intereffe gelefen; auch wenn
ich mit den darin enthaltenen Gedanken nicht überall
einverftanden fein kann, befonders da mir Köhler die
Spannung zwifchen Antike und Chriftentum zu fchroff
aufzufaffen fcheint, fo betrachte ich die Schrift doch als
eine ganz bedeutende Leiftung zur Förderung im Ver-
ftändnis Zwingiis und feiner ganzen Art.

Daß die Schrift dem Andenken an den am 2. Mai
1819 geborenen Züricher Theologen A. E. Biedermann,
gewidmet ift, der auch mir fehr befreundet gewefen ift,
hebe ich mit befonderer Anerkennung und Dankbarkeit
hervor.

Cannftatt. Auguft Baur.

Bornhaufen, Prof. D. Karl: Pascal. (XI, 286 S.) 8°.
Bafel, Friedr. Reinhardt 1920.
Dem Buche, das zu lefen einen Genuß bedeutet, merkt
man nicht an, daß es in den bitteren Jahren franzöfifcher
Kriegsgefangenfchaft gefchrieben ift. Eine edle Vergeltung
: diefe Huldigung vor einem der größten Männer
Frankreichs, nein, diefe liebevolle Vertiefung in das Leben,
die Kämpfe, die unfterblichen Werke Blaise Pascals.
Durch die Vorftudie, ,Die Ethik Pascals', Gießen icxvlängft
als Pascal-Kenner erwiefen, hat uns B. hier eine Biographie
gefchenkt, für die ihm nicht nur die Freunde der
Kirchengefchichte des 17. Jahrhunderts oder die Heidelberger
theologifche Fakultät, fondern alle ernften Freunde
der Gefchichte des religiöfen Lebens dankbar fein werden.

Der Biograph Bornhaufen gebraucht einen eigenen
Stil. Zufammenfaffende Schilderungen wie des Zeitalters
Pascals und anfchauliche Skizzen markanter Perfönlich-
keiten aus Pascals Kreis wie des chevalier de Mere
wechfeln mit detaillierten Berichten über Pascals Spezial-
ftudien: feine phyfikalifchen Experimente werden uns
gewiffenhaft klar gemacht, fein arithmetifches Dreieck
vor die Augen geführt, feine Vorftellungen über das
Urchriftentum entwickelt, feine feelforgerliche Arbeit an
Frl. de Roannez demonftriert. Alles an feinem Platz,
mit gleicher Liebe. Über große Strecken hin druckt B.
die Dokumente felber (nur in deutfcher Sprache) ab, ganze
Reihen von Briefen Pascals, die lange Abhandlung über
die Leidenfchaften der Liebe und feine Meditation über
das erfte Geheimnis des Schmerzenreichen Rofenkranzes.
Dem fügt er dam*erklärende, beurteilende Gloffen hinzu;
offenbar will er uns möglichft unmittelbar nahe an feinen
Helden herantreten laffen. So lange der Raum das zuließ,
ein vorzügliches Verfahren; daß aber aus den beiden größten
Werken Pascals, den Provinzialbriefen und den Pensees
derartige Stoffe nicht mitgeteilt werden, ift fchließlich
doch ein Mangel in der Ökonomie des Ganzen. Der
dritte Teil, das neue Leben 1655—1662, S. 179—284
kommt dadurch nicht ganz zu der gebührenden Geltung,
die Periode zwifchen Welt und Wiedergeburt 1651 — 55
erfcheint bevorzugt. Eine andere Einfeitigkeit würde
ftärker ins Gewicht fallen, wenn es fich nicht eben um
Pascal handelte. Die Biographie eines großen Mannes
follte, fo fcheint uns, immer zugleich ein Spiegelbild der
Zeit fein, aus der heraus er kam und auf die er wirkte,