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Ausgabe:

1919

Spalte:

99

Autor/Hrsg.:

Rahlfs, Alfred

Titel/Untertitel:

Über einige alttestamentliche Handschriften des Abessinierklosters S. Stefano zu Rom 1919

Rezensent:

Duensing, Hugo

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gründlichen Beobachtungen des Freiherrn von Schrenck-
Notzing (München 1914) zu berückfichtigen gewefen.
Wien. R. A. Hoffmann.

Rahlfs, Alfred: Über einige aitteftamentliche Handichriften
des Abeffinierklolters S. Stefano zu Rom. (Mitteilungen
des Septuaginta-Unternehmens der Kgl. Gefellfch. der
Wiff. zu Göttingen. Bd. 3, Heft 1.) (Aus den Nach-
richten v. der K. Gefellfch. der Wiffenfch. zu Göttingen
. Philolog.-hift. Kl. 1918, S. 161 — 203.) (46 S.) j
Lex. 8°. Berlin, Weidmann 1918. M. 1.50 |

Von den äthiopifchen Bibelhandfchriften, die Ludolf j
1649 bei feinem Befuch in Rom bei den Abeffiniern im
Klofter S. Stefano fah, bzw. über die er fpäter von feinem
Lehrer Abba Gregorius etwas erfuhr, waren der Okta- 1
teuch und die Königsbücher fchon wiedergefunden, der
Jefajas, den Ludolf nach Gregorius Angaben aufzählt, war
dagegen bisher unentdeckt geblieben. Die Oktateuchhf.,
die fich in der Bibliothek der Britifh and Foreign Bible
Society befindet, hat Dillmann als Hf. F nebft einer
letztlich auf diefe zurückgehenden europäifchen Kopie
H (in Halle) feiner Ausgabe des äthiopifchen Oktateuchs
zugrunde gelegt, ohne freilich zu der ficheren Anfchauung
der geradlinigen Abdämmung der Hl. H vom Arche-
typus F und der Identität diefes mit der ehemaligen Hf.
in S. Stefano durchzudringen. Die Zweifel, die es bisher
nur zu mehr oder minder begründeten Vermutungen hatten
kommen laffen, hat Rahlfs endgültig befeitigt und der
Gewinn ift, daß H für alle Zukunft von textkritifcher
Verwertung ausgefchloffen ift. — Die Bücher der Könige i
befinden fich in dem der Biblioteca Vaticana einverleibten |
Museo Borgiano, wie fchon Roupp ZA 16 nach Anregungen
feines Lehrers Guidi bewiefen hat und R. jetzt 1
beftätigt. Die Wiederentdeckung der dritten, den Jefajas
enthaltenden Hf. ift R. gelungen. An dem Leitfaden einer j
von Ludolfs Neffen Heinrich Wilhelm Ludolf gegebenen j
Befchreibung der FIf., nach welcher auch die Ascensio |
Jefaiae darin ftand, hat R. fie unter den drei bekannten :
Hff. diefes Apokryphons gefunden, nämlich in der Oxforder
Hf. Bodl. Libr. Aeth. 7, auf welcher die editio
princeps der Ascensio von Laurence beruht. An diefe
Entdeckung reiht R. noch eine weitere. Auch eine defekte
— es fehlt Hofea und ein großer Teil des Arnos —
Hf. der kleinen Propheten, die zwar nicht von Ludolf j
und Gregorius erwähnt, wohl aber von Ludolfs Neffen
als im Befitze von S. Stefano befindlich regiftriert war, i
weift R. als identifch mit der Oxforder Hf. Aeth. 8 nach.
Aus ihr hatten fchon 1660 und 1661 Petraeus und Niffel |
den Text des Joel, Jonas, Sophonias und Malachias herausgegeben
. — R. hat die Gefchichte vierer fehr alter Hff.
mit fehr wertvollen alten Texten unter Verwendung einer
Fülle zuverläffigen gelehrten Materiales foweit aufgehellt,
daß alles Wiffenswerte jetzt bekannt und für die Ein-
fchätzung der Hff. geficherter Boden gewonnen ift. Diefe
Hff. find aus Abeffinien in das Klofter der Abeffinier zu
Jerufalem gebracht, von dort, um bei einem im erften
Drittel des 17. Jahrhunderts geplanten, aber nicht zuftande- I
gekommenen Druck des äthiopilchen A. T. zugrunde gelegt
zu werden, nach Rom überführt und endlich zum
kleineren Teil in Rom felbft an einen andern Ort verbracht
, zum größeren Teil — wahrfcheinlich auf unlautere
Weife — nach England gekommen. Der Text
der Hff. ift der alte von der Korrektur der abeffinifchen
Schriftgelehrten unberührt gebliebene Bibeltext aus der
Zeit vor dem 16. Jahrhundert, und deshalb haben diefe
vier Hff, über deren Schickfale uns R. aufgeklärt hat,
für uns unfchätzbaren Wert

Daffenfen Kr. Einbeck. Hugo Duenfing.

Thilo, Martin: Die Chronologie des Alten Teftamentes, dargeftellt
u. beurteilt unter befond. Berückficht. der maforet. Richter-
u. Königszahlen. Mit vier großen graph. Tafeln. (36 S.) 4".
Barmen, H. Klein 1917. Kart. M. 6

Der Verf. ftellt fich die Aufgabe, zunächft die chronologifchen
Angaben des MT fo, wie fie überliefert find, klar zu ftellen, auch
mit Zuhilfenahme graphifcher Tafeln, und fodann zu ermitteln,
wie weit fie korrigiert werden muffen und wie die Entftellung zuftande
gekommen ift. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Zahlen
einfchließlich der Synchronismen faft fämtlich auf vorexilifcher
Überlieferung, nicht auf nachexilifcher (teilweis fpekulativer) Berechnung
beruhen und im ganzen hiftorifch brauchbar find, ausgenommen
eine Entftellung bei den Königen des 8. Jahrhunderts,
die der Periodenzahl 480 zuliebe erfolgte, die genuine Überlieferung
abernicht völlig verwifchte. Anzuerkennen find Belefenheit,Gründlichkeit
, Sorgfalt und Selbftändigkeit des Verf. Doch fcheint mir,
daß er im exegetifchen Teil gewiffe Schwierigkeiten unterfchätzt
oder zu gewaltfam löft, auch fchon zuviel Kritik einfließen läßt;
er würde fonft nicht zu dem Urteil kommen, daß die altteftl. Zeitrechnung
, von einer Überarbeitung auf einer kurzen Strecke ab-
gefehen, einheitlich und eindeutig fei. In der Polemik find ihm
gelegentlich Mißverftändniffe feiner Gegner untergelaufen, befon-
ders S. 28 unten.
Breslau. C. Steuernagel.

Greßmann, Prof. Dr. Hugo: Vom reichen Mann und armen
Lazarus. Eine literargefchichtl. Studie. Mit ägypto-
log. Beiträgen v. Prof. Dr. Georg Möller. Mit l Tafel.
(Abhandlungen der Kgl. preuß. Akad. der Wiff. Jg.
1918. Philof.-hift. Kl. Nr. 7.) (90 S.) Lex. 8°. Berlin,
G. Reimer 1916. M. 4.50

Es ift eine feltfame Erfcheinung, die fpäteren Ge-
fchlechtern ficherlich als eine empfindliche Lücke in un-
ferer alt- und neuteftamentlichen Forfchung erfcheinen wird,
daß unfere Gelehrten fo wenig auf die Vorgefchichte
der biblifchen Stoffe zu achten pflegen. Wirkt dabei die
grundfätzlich fchon längft überwundene Infpirationslehre
noch immer fort; ift es eine Folge der fo lange Zeit vor-
herrfchenden, einfeitig literarkritifchen Richtung; oder
beruht es auf der Scheu der Forfcher, fich vom ficheren
Hafen des Sonderfaches auf das klippenreiche Meer der
Überlieferungen andrer Völker zu begeben? Hugo Greßmann
, der diele Lücke klar erkannt hat, unterfucht
hier eine Reihe märchenhaft-legendarifcher Erzählungen
ägyptifchen und jüdilchen Urfprungs, die mit dem evan-
gelifchen Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus
nahe Verwandtfchaft zeigen. Die Abhandlung, zu der
Prof. Möller wertvolle ägyptologifche Beiträge beigefteuert
hat, zeigt das Können des Verf.s in hellftem Lichte: eine
über das Biblifche weit hinausgehende, umfaffende Ge-
lehrlamkeit, eine neue Bahnen auffuchende und alte Vorurteile
durchbrechende Tapferkeit, vorbildliche Genauigkeit
und Treue im Philologifchen bis in die kleinfte
Einzelheit, dazu eine dem Lefer beftrickende Formbegabung
, die das Schwierigfte einfach zu geftalten verfteht
und den bezeichnendften Ausdruck jederzeit treffficher
findet. Sein Ergebnis ift, daß die entfprechenden jüdifchen
Legenden, in vielen Abwandelungen überliefert und z. T.
ganz Fremdartiges einmifchend, auf ein ägyptifches Märchen
zurückgehen, das feinerfeits in der helleniftifchen Zeit zu
Memphis aus einer Mifchung altägyptifcher Beftandteile
mit griechifch-orphifchen Motiven entftanden ift, und ferner,
daß die evangelifche Erzählung auf einer nicht erhaltenen,
jüdifch-vorchriftlichen Form diefer Legende beruht. Von
diefen beiden Ergebniffen Icheint mir die Abhängigkeit
der jüdifchen Erzählung von der ägyptifchen durch Greßmann
zuverläffig bewiefen zu fein: beide ftimmen im Stoff
und im Grundgedanken deutlich überein, und — was
befonders fchlagend ift — in der zugehörigen Befchreibung
der höllifchen Strafen findet fich beidemale der ganz
eigentümliche, graufam ausgeklügelte Zug, daß der
Angelzapfen des Höllentores in das Auge oder Ohr des
Verbrechers eingelaffen fei. Auch die evangelifche Gefchichte
wird, was Greßmann wahrfcheinlich zu machen
weiß, eine ähnliche Vorgefchichte haben: darauf führt