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Ausgabe:

1919

Spalte:

31-32

Autor/Hrsg.:

Schäfers, Joseph

Titel/Untertitel:

Evangelienzitate in Ephräms des Syrers Kommentar zu den Paulinischen Schriften 1919

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 3/4.

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Die beigefügte Unterfuchung befchäftigt fich in der |
Hauptfache mit der für die Beftimmung des Urfprungs j
der Schrift wichtigen Frage nach der Eigenart des den
Zitaten zu Grunde gelegten Bibeltextes. Sch. hat den j
Nachweis erbracht, daß für die neuteftamentlichen Zitate
das Diateffaron benutzt ift.

Damit hat er einen Fehler, den ich in meiner oben genannten Ab-
handlang begangen hatte, weil mir damals das Material für die Beurteilung
des Diateffarons nur lückenhaft bekannt war, glücklich verheuert
. Er hat auch wahrfcheinlich zu machen gefucht, daß die !
Vorlage des Armeniers ein fyrifches Original war, nicht wie ich im
Anfchluß an Burkitt vermutete, eine griechifche Schrift. Vollkommen
überzeugend kann ich allerdings den Nachweis von Sch. nicht finden, j
Denn der Text des Alten Teftamentes bietet ein auch von ihm noch ,
nicht gelöftes Problem. Daß die LXX an zahlreichen Stellen ftärker
auf den Text eingewirkt haben, als die Pefchitta, fcheint mir unzweifel- |
haft. Da aber die altteftamentliche Pefchitta bereits im fyrifchen Diateffaron
benutzt worden ift, bleibt hier noch ein Problem zu löfen, wenn
man mit der Annahme eines fyrifchen Urfprungs der Schrift auskommen !
will Was Sch. für diefen S. 2i8f. ausführt, daß die p. 30S sq verwendeten
Hochzeitsfitten nur im Orient verftändlich feien, trifft zu.
Aber dann bliebe eben immer noch die Möglichkeit, die Schrift in
Antiochien entftanden zu denken. Eine genauere Unterfuchung der
Theologie des Verfaffers hätte fich verlohnt und cbenfo eine Unterfuchung
der Zcitverhältniffe, die den Hintergrund bilden. In diefer
Hinficht ift von Sch. alfo das letzte Wort noch nicht gefprochen.

Mit Recht hat Sch. von diefer Schrift zwei kürzere
Abhandlungen getrennt, die in der dem Druck zu Grund
gelegten Handlchrift äußerlich nicht als felbftändige
Stücke gekennzeichnet find. Die eine (p. 314 sqq.) handelt
von der rechten Jüngerfchaft auf Grund von Gleichnisworten
, und die andere (p. 323 sqq.) von der Parufie. Die j
letztere benutzt die getrennten Evangelien, aber nach
einem altertümlichen Text.

Es wäre verkehrt, wenn man das Intereffe für diefe
wertvollen Refte der altchriftlichen Literatur ausfchließ- !
lieh von dem Standpunkt der neuteftamentlichen Text- |
kritik aus beurteilen wollte. Hoffentlich wendet man j
ihnen auch nach anderer Richtung die Aufmerkfamkeit
zu, die fie verdienen, und die ihnen zu fchenken der j
Überfetzer fo überaus bequem gemacht hat.
Haufen b. Gießen. Erwin Preufchen.

Schäfers, D. Dr. Jofeph: Evangelienzitate in Ephrams des
Syrers Kommentar zu den Paulinifchen Schriften. (Hrsg.
v. Jof. Sickenberger.) (IV, 53 S.) 8°. Freiburg i. Br.,
Herder 1917. M.3 —

Die Schrift ift eine Abfchiedsgabe des gelehrten Verfaffers
an die Wiffenfchaft. Am 29. Oktober 1916 ift
Schäfers in Moffül, wo er in der Militärfeelforge tätig
war, geftorben, auch er ein beklagenswertes Opfer des
Krieges und ein fchmerzlicher Verluft für die Wiffenfchaft.
Ausgerüftet mit umfaffenden Sprachkenntniffen, bekannt
mit den verwickelten Problemen, die der Textkritik des
Neuen Teftaments durch armenifche und fyrifche Quellen
geftellt find, hätte er, wenn er auch nur die von ihm zu-
nächft ins Auge gefaßten Arbeiten (Vorrede S.IV) vollendet
hätte, der Wiffenfchaft dankenswerte Dienfte leiften können.
Wie vortrefflich er fich in die Fragen eingearbeitet hatte,
beweift die vorftehende Abhandlung. Der Nachweis, daß
Ephräm auch in dem an Evangelienzitaten nicht fehr reichen
und überhaupt dürftigen Kommentar zu den Paulusbriefen
keinen anderen Text gekannt und benutzt hat, als das
Diateffaron, ergänzt in willkommener Weife die Unter-
fuchungen, die Burkitt über die Zitate in den fyrifchen
Schriften angefleht hat. Befondere Aufmerkfamkeit verdient
der Nachweis (S. 32 ff.), daß die Stellen in Ephrams
Evangelienkommentar, an denen der ,Grieche' genannt
ift, interpoliert find. Der Nachweis fcheint mir fchlechter-
dings unanfechtbar, wie ich auch das Gefamtergebnis des
Verths unterfchreibe, daß Ephräm aus eigner Anfchauung
nur das Diateffaron kennt, das er auch ausfchließlich ver-
wendet, während er von dem Vorhandenfein der getrennten
Evangelien wohl etwas weiß, ohne daß er jedoch von ihnen
irgendwelchen Gebrauch gemacht hätte. Damit ift ein |

ganz ficheres Hilfsmittel gewonnen, im Nachlaß Ephrams
Echtes und Unechtes zu fcheiden.

Haufen b. Gießen. Erwin Preufchen.

Anrieh, Guftav: Hagios Nikolaos. Der heil. Nikolaos in
der griech. Kirche. Texte u. Unterfuchgn. Bd. II:
Prolegomena, Unterfuchgn., Indices. Mit Unterftützg.
der Cunitz-Stiftg. in Straßburg. (XII, 592 S.) gr. 8°.
Leipzig, B. G. Teubner 1917. M. 24—-; geb. M. 26 —
(lu. II: M. 42—; geb. M. 46 —)
Mit eiferner Energie hat Anrieh fein großes Werk
über den heiligen Nikolaos, deffen erften (Text-)Band wir
im Jahrg. 1913, Sp. 826 kurz befprachen, zu Ende geführt
trotz aller Erfchwerungen, die der Krieg auch einer
folch reinen Arbeit der Gelehrtenftube bringt. Für 1914
in Ausficht geftellt, ift der II. Band 1917 erfchienen, noch
um 130 Seiten ftärker als der I. Hier liegt uns nun, das
darf man getroft behaupten, das Mufter einer hagio-
graphifchen Monographie großen Stiles vor.

Mufterhaft geben zunächft die Prolegomena S. 1 — 174
über die gefamte handfehriftliche Überlieferung Befcheid,
jede Handfchrift knapp befchreibend, die Filiation der
Überlieferung an ausgewählten Lesarten klarftellend: fo
treten die Rezenfionen und Mifchungen deutlich vor
uns hin.

Hier auf einzelnes einzugehen, würde weit über den Rahmen diefer
Bcfprechung hinausführen. So gewiß manches problematifch ift, man
überläßt fich gern der Führung eines fo forgfamen Beobachters, der
felbft die fchärffte Kritik an feine Arbeit anlegt, indem er ein ganzes
Stück .Methodius an Theodor' — I 140—150 hier nochmals II 545—556
abdruckt mit den Lefezeichen der einzigen Handfchrift und mancherlei
Verbefferungen im Einzelnen. S. 557—563 folgt noch der Text einer
bisher unbekannten Wundererzählung. Aus A. Ehrhards Sammlungen
find S. 564—569 zahlreiche Nachträge zu dem Handfchriftenverzeichnis
gegeben, fo daß die Überficht jetzt wohl vollftändig fein dürfte.

Mufterhaft ift auch der zweite Hauptteil, die Unter-
fuchungen: S. 177—542. Eingeleitet durch eine erfchöpfende
Gefchichte der bisherigen Forfchung, an der befonders
der Jefuit A. Beatillo aus Bari (1620) und der Erzbifchof
von San Severina Nie. Falconius (1751) beteiligt find, und
in der fich ein merkwürdiger Übergang von höchfter
Verherrlichung zu äußerfter Skepfis zeigt — unter Benedikt
XIV follten die Nikolaos-Lefungen des Breviers ganz
in Wegfall kommen — bieten fie zunächft die Literatur-
gefchichte des Heiligen mit dem Ergebnis, daß — ab-
gefehen von der dem 6. Jahrhundert angehörenden Vita
des Abtes Nicolaus von Sion, die den Kult des h. Nicolaus
in Myra verausfetzt, mit diefem felbft aber nichts
zu tun hat — die Nicolausliteratur erft mit der Zeit des
Bilderftreits in der erften Hälfte des 9. Jahrhunderts einfetzt
, dann aber auch fofort eine erftaunliche Fülle von
teils volkstümlichen, teils hochrhetorifchen Blüten treibt.

Vorausgefetzt ift dabei, was A. einleuchtend erwiefen hat, daß das
Enkomion unter dem Namen des Proklos nicht auf den Bifchof von
Konftantinopel des 5. Jahrhunderts zurückgeht, das unter dem Namen
des Andreas von Kreta (um 700) diefem nicht, zukommt. Ende des
9. oder im 10. Jahrhundert haben dann die fog. Vita compilata und
ihr folgend die Synaxartexte fowie der für die Weiterentwicklung maßgebende
Metaphraft der bis dahin ziemlich farblofen Lebcnsgefchichte
des großen Wundertäters durch Übertragung von Zügen aus dem
hiftorifch-glaubwürdigen Leben des Abtes Nicolaus von Sion eine mehr
konkrete Färbung gegeben. Zugleich mehren iich die Wunder, deren
Übcrfchau zeigt, daß Nicolaus, ohne eine beftimmte Domäne, Helfer in
jeglicher Not ift. Die befonders auf die Verbreitung des Namens, daneben
auf die Kirchen, die Bilder, die Fefte zu Ehren des Heiligen
eingehende Unterfuchung der Verehrung ergibt hiernach, daß Nicolaus,
ein faft unbekannter lykifcher Bifchofsheiliger des 4. Jahrhunderts, von
dem man iich das eine große Wunder erzählte, daß er bei Lebzeiten
durch feine Erfcheinung vor Kaifer Konftantin drei zu unrecht verurteilten
Generalen das Leben gerettet habe, im 6. Jahrhundert in feiner engeren
Heimat, feit Anfang des 9. Jahrhunderts von Byzanz aus im ganzen
Reiche zu hoher Verehrung gelangte, fo fehr, daß er neben dem Vorläufer
der Gottesmutter zur Seite trat. Die Motive für diefen wunderbaren
Autftieg werden in der von Anrichs Studie über das Myfterien-
wefen her bekannten ruhigen und fichcren Art geprüft: da bleibt kein
chriftlicher Neptun, kein Fortleben der Artemis Eleuthera von Myra.
Schließlich wird uns noch die Kirche und das Grab in ihrem heutigen
Zuftand an der Hand der Unterfuchungen von Rott vorgeführt und da-