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Ausgabe:

1919 Nr. 12

Spalte:

8

Autor/Hrsg.:

Herwegen, Ildefons

Titel/Untertitel:

Der hl. Benedikt 1919

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 12.

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Zunächft weift Holl nach, daß der unbekannte Dichter
fein Wiffen über Marcion nur aus Büchern notdürftig
zufammenholt, den Kampf gegen den Ketzer alfo nicht
aus einem praktifch kirchlichen Intereffe heraus aufgenommen
hat. Das führt dazu, die Quellen, aus denen
er fchöpfte, feftzulegen: es find Irenaus, Tertullian, Vic-
torinus von Pettau und der fogenannte liberianifche Papft-
katalog. Holl glaubt noch Commodian hinzufügen zu
dürfen, was indeß nicht fo feft ftehen dürfte, wie die Benutzung
der erften vier. Aber auch Abhängigkeit von
Hieronymus und Auguftinus läßt fich nicht verkennen;
fomit kann frühere Zeit als das 5-Jhdt nicht in Betracht
kommen. Dazu ftimmt durchaus, was der Verf. über
Heidentum, Verfolgungen, Trinitätslehre und Chriftologie
verlauten läßt: in der Tat könnte nur noch reine Verblendung
ihm das vornizänifche Zeitalter offen halten.
Die letzte Entfcheidung geben aber 1) die von Pf-Tertull.
vertretene Lifte der Päpfte von Petrus bis Anicetus,
und 2) feine Stellung zu der Legende von Adams Grab
auf Golgatha. Bei dem erften Punkt hat Holl trotz
glänzender Vorarbeiten Anderer wie mir fcheint den
richtigen Weg klarer erkannt, beim zweiten das Material
beinahe als Erfter gefammelt und fogleich methodifch
verarbeitet. Hypothetifches ift ganz beifeite gelaffen,
dagegen werden die luftigen Hypothefen von H. Waitz
energifch abgewiefen.

An der ganzen Abhandlung wüßte ich kaum etwas zu beanftanden.
Einige Druckfehler fallen den Kriegsverhältniffen zur Laft. Mit dem
Jahr 475 ift die obere Grenze wohl etwas zu fcharf gezogen. Die
Formel S. 526, weil Pf-Tert. von caro renovata Christi — auch de
Christi nova carne II 195 hätte hier genannt werden können — rede, vertrete
er die Vorftellung, daß die von Chriftus angenommene Menfchheit
bereits erneuert War, erfchcint mir zu ftraff; genügt nicht die Auf-
faffung, daß Chriftus, der I 39 ganz im gleichen Sinne renovator corporis
neben ugurator heißt, unfer Fleifch, indem er es annahm, erneuert hat?
Das würde nicht einen ,unerhörten* Gegenfatz gegen die orientalifche
Auffaffung bedeuten, wonach Chriftus gekommen ift, um die Menfchheit
zu erneuern. Die S. 543 n. 5 ausgefprochene Verwunderung darüber, daß
man zu keiner Zeit den Verbuch gemacht hat, den Schädel Adams
wirklich vorzuzeigen, wird fich wenigftens Epiphanius und Pf-Tertullian
gegenüber dadurch beheben laffen, daß nach ihrer Meinung die Beträu-
felung mit Chrifti Blut Adams Neubelebung zur Folge gehabt hat;
durch Vorzeigung feines Schädels — natürlich meint den auch Pf-Tert.
v. 199 mit os, ein Wort, das er unter dem Einfluß von v. 195 wählt —
würde man ja den Glauben an Adams Auferweckung zerftört haben.
Nun bleibt die Aufgabe, die Einzelheiten in dem auf feinen rechten
Platz gerückten Dichtwerk gründlich zu erklären, und den Text zu
verbeffern, was an vielen Stellen kein ausfichtslofes Unternehmen wäre.

Marburg. Ad. Jülich er.

Klofterverzeichnis der deutlchen Benediktiner und Cifter-
zienfer. Hrsg. vom Stift St. Peter. (S.-A. a. d. Studien
u. Mitteilgn. z. Gefch. d. Benediktinerordens. 1911,
1914—16.) (187 S.) 8°. Salzburg, A. Puftet 1917.

M. 2 —

Diefes Verzeichnis ift gewiffermaßen aus dem prak-
tifchen Bedürfnis entftanden und hat in mancher Hinficht
amtliche Bedeutung. Was in der Vorrede als Plan der
Arbeit fteht, gilt nur für die erften Bogen des uns vorliegenden
Verzeichniffes, für das der Titel maßgebend
ift. 1911 hat man angefangen, die Benediktiner-Männerabteien
zufammenzuftellen, dem find angefchloffen die
Frauenabteien desfelben Ordens und dann die Cifterzienfer-
klöfter für Männer und für Frauen. Bei der großen Verbreitung
derKlöfter beider Orden hat man fich in der Aufnahme
des Materials fehr befchränken müffen. Wir finden
nur Angabe des Ortes, abweichende (ältere) Schreibungen,
geographifche, politifche, kirchliche Lage und Zugehörigkeit
, dann kurze hiftorifche Daten, ohne die Angabe von
Quellen und Literatur. Diefes Verzeichnis bildet fomit
eine Ergänzung zu den lokal begrenzten Klofterbüchern
von Schmitz-Kallenberg (Weftfalen), Hoogeweg (Nieder-
sachfen), Derfch (Heften) u. anderen mehr. Das Material
ift forgtältig zufammengetragen, naturgemäß da voll-
ftändiger und ficherer, wo neuere Zufammenftellungen
vorliegen. Vielleicht hätte es fich empfohlen, bei heffifchen,
weftfälifchen etc. Klöftern durch ein Zeichen auf das
lokale Klofterbuch hinzuweifen. Ein alphabetifches Ge-

famtregifter über alle vier Abteilungen wäre den nicht
im Klofterleben flehenden Benutzern fehr wertvoll ge-
wefen. Da das Buch vorausfichtlich von Kirchen-
hiftorikern viel benutzt werden wird, wäre eine etwas
beffere, reichlichere Ausftattung in Papier und Druck
vielleicht zweckmäßig gewefen. Bei einer wahrfcheinlich
zu erwartenden Neuauflage darf man wohl darauf rechnen.
Hannover. Otto Lerche.

Herwegen, Abt Ildefons: Der hl. Benedikt. Ein Charakterbild,
gezeichnet v. H. (VI, 154 S.) 4«. Düfleldorf, L. Schwann 1917.

Geb. M. 6.5Q

Vorliegende Veröffentlichung des Abtes von Maria Laach ift
offenbar in erfter Linie für die Söhne des hl. Benedikt beftimmt
1 und verfolgt mehr erbauliche als wiffenfchaftliche Zwecke. Das
1 Charakterbild Benedikts ift nach der Regula und nach der Vita
: im zweiten Buche der Dialoge Gregors des Großen entworfen
' unter den Gefichtspunkten: Der Einfiedler, der Lehrmeifter, der
; Abt, der Vater, der Geretzgeber, Allen Alles, der Heilige. Es
j finden fich zwar einigemale Anfätze zu einer kritifchen Bewer-
I tung der Erzählungen Gregors, aber daneben werden feine Mirakel,
1 felbft Totenerweckungen, mit der größten Selbftverftändlichkeit
i nicht etwa als Legenden, fondern als Tatfachen in die Darftellung
verflochten. Mit feiner Abweifung einer ,Bildungsfeindlichkeit'
Benedikts mag H. recht haben, aber nicht deffen ,heiliger Lefung',
fondern der Aufnahme des Programms Caffiodors durch den
Benediktinerorden verdanken wir die Erhaltung der Schätze der
Antike. Diefe Feftftellung läßt Caffiodor was ihm gebührt und
fchmälert doch nicht die Verdienfte des älteften, ehrwürdigften
und friedliebendften Ordens der katholifchen Kirche. Das hübfeh
ausgeftattete Buch ift mit finnigen, in dem bekannten hieratifchen
: Stile der Beuroner Schule gehaltenen Bildern gefchmückt.
Würzburg. Hugo Koch.

filemann, Studiendir. Lic. Dr. Heinrich: Studien zur Individualität
des Franziskus von Affiii. (Beiträge zur
Kulturgefchichte des Mittelalters und der Renaiffance,
Bd. 21.) (V, 228 S.) gr. 8°. Leipzig, B. G. Teubner
1914- M. 8 —

An der Verfpätung diefer Anzeige ift keineswegs
fchuld ein Mangel an Intereffe für das gediegene Buch,
eine Leiftung treuen Fleißes, trefflicher fchon 1902 in
einer Leipziger Differtation über das Speculum perfecti-

| onis und die Legenda trium sociorum bewährten Sachkenntnis
und theologifcher Schulung. Dem Theologen
erfcheint jetzt als die Hauptaufgabe, die Perfönlichkeit
des Franziskus, feine Frömmigkeit zu erörtern, und
zweifellos hat er unfere Kenntnis wefentlich gefördert.
Für den Fortgang der Forfchung würde fein Buch m. E.
ftärker wirken, wenn T. deffen Beherrfchung erleichtert,
durch zahlreiche Verweifungen unterftützt und fo auch

| den Umfang erheblich verkürzt hätte. In Wahrheit folgt,

I was T. unter verfchiedenftem Gefichtspunkt mit Wiedergabe
der Quellenftellen geboten hat, faft unvermittelt
aufeinander. Wer insbefondere die im letzten Teile gezogenen
Folgerungen auf ihre Vorbereitung nachprüfen

■ will, flößt immer wieder auf ein troftlofes ,oben', und
kein Regifter bietet Erfatz dafür. — Ich deute zunächft
den Inhalt an: Voran ftehen 40 Seiten quellenkritifcher
Erörterungen, die den gegenwärtigen Stand der Forfchung
darlegen follen und das Ergebnis als befriedigend

| bezeichnen. Es folgt auf 120 Seiten der Hauptteil ,Was
wollte Franziskus?' Faft die Hälfte des Raumes füllen
die erften vier der zehn Kapitel, behandelnd die Forderungen
Franzens, ihre Abftufung, die Motive, fein Vorbild
. Es ift felbftverftändlich, daß fo manche Quellern
ftellen mehrfach behandelt werden. Den Schluß des
Ganzen macht die ,Zufammenfaffung', gegliedert in die
zwei Kapitel ,Die konftitutiven Elemente' (warum nicht
fchlicht: Die Hauptgedanken?) und die .Eigenart und
gefchichtliche Stellung des Franziskus'. Der Hauptgedanke
ift die Nachfolge Chrifti als arme Wanderprediger
zur Gewinnung der Seelen. Der Verdienft-
gedanke fteht im Vordergrund, das Sündengefühl fehlt

' nicht, wirkt aber nicht beftimmend. Somit bringt Franz
keine neuen Gedanken und Ziele in die Welt, er ift aber
der Vollender mittelalterlicher Frömmigkeit durch die