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Ausgabe: | 1919 |
Spalte: | 301 |
Autor/Hrsg.: | Larfeld, Wilhelm |
Titel/Untertitel: | Kirchengeschichte Rheinland-Westfalens im Abriß 1919 |
Rezensent: | Clemen, Otto |
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etwas fo einfaches und feine Beziehungen zu den Kon-
feifionen find noch mannigfacher. Vollends kann ich eine
fo glatte Verallgemeinerung wie die, daß dem kapitali-
ftifch wirtfchaftenden Bürgertume Frankreichs im 17. Jahrhundert
,kapitaliftifcher Geift nicht eignete', nur mit Bedenken
vernehmen (S. 158). übrigens ift das Schlußkapitel
S. 155—219 das gehaltvollfte und wichtigfte des
Buches. Der ,feigneuriale' Charakter des Janl'enismus
wird behauptet und foll bewiefen werden, der mittelbare
Einfluß, den er auf die oppofitionelle Denkungsart des
18. Jahrhunderts geübt habe, wird in eingehender Weife
geprüft. Dabei fällt auf die hiftorifche Bedeutung des
'Noininalismus' manch' neues Licht. Die Studie zeugt
von fleißiger Arbeit und tiefgegründetem Wiffen. Die
Fruchtbarkeit der Verbindung kirchengefchichtlicher und
wirtfchaftsgefchichtlicher Forfchung fpringt daraus hervor.
Der ftarke Einfluß der geiftreichen Arbeiten Max Webers
macht fleh darin geltend, wie denn auch fonft Heidelberger
Schule auf jeder Seite zu Tage tritt.
Was die fehr zahlreichen und fehr gelehrten Anmerkungen
und Zitate in dem Buche betrifft, fo muß ich
geftehen, daß einige Prüfungen mich etwas mißtrauifch
gemacht haben. So ift es fonderbar, wenn mehrmals, z. B.
Note4i3, HobbesDe cive ed. Kirchmann zitiert wird. Eine
Kirchmannfche Ausgabe des berühmten Werkes gibt es
nicht, fondern nur eine recht mangelhafte, jetzt durch Frifch-
eifen-Köhler (im Verlag von F. Meiner) erfetzte Ver-
deutfehung. In Note 424 werden Autoren angeführt, die
prinzipiell für Sklaverei' feien, Theologen und Natur-
rechtler, unter diefen Huber Ius. civ. p. 395. Huber behandelt
nicht p. 395, fondern 334—336 die Sklaverei und
führt einige rechtmäßige Gründe der Sklaverei an, z. B.
Kriegsgefangenfchaft; er erwähnt dann, daß die Sklaverei
von Chriften abgefchafft fei, und daß manche nicht
ganz damit einverftanden feien. ,Für Sklaverei' fpricht
er fleh nicht aus. Ferner wird angeführt, ,Ludovici
Doctr. p. 179'. In Ludovici's Doctrina Pandectarum
p. 179 wird allerdings die servitus gerechtfertigt — es ift
von den Servituten der Grundftücke die Rede. Im An-
fchluß daran fchreibt der Verf. ,und natürlich Hobbes
de cive Kap. 8 p. 15' (Seitenzahl Kirchmann?). Dies ift
nun ein grobes Mißverständnis. Hobbes behandelt in
diefem Kapitel die Sklaverei ftreng theoretifch und fpricht
fleh ebenfo wenig dafür als dawider aus. Warum das
,riafür' natürlich genannt wird, weiß ich nicht. Vielleicht
geht es auf den oft zitirten Windelband zurück, der nicht
immer gut unterrichtet war.
Die Schrift ftellt fleh als Teildruck einer ,Vor-
gefchichte der franzöfifchen Aufklärung' dar, deren Plan
im Anhange mitgeteilt wird.
Eutin. F. Tönnies.
Larfeld Prof. Dr. Wilhelm : Kirchengerchichte Rheinland-Weftfalens
im Abriß. Für den evangel. Religionsunten icht u. zum Selbft-
ftudium. (46 S. u. 1 Karte.) 8". Berlin, Reuther & Reichard
1919. M- 2~-
Diefes Büchlein ift entftanden durch Erweiterung einer Skizze,
die der Verf. für ein Hilfsbuch für den evgl. Religionsunterricht
entworfen hätte. Dem Titel zufolge ift es beftimmt ,für den evgl.
Religionsunterricht und zum Selbftftudium'. Für den erstgenannten
Zweck enthält es zu viel toten Stoff, aber fehr geeignet ift es
zum Selbftftudium für folche, die Zeit und die Mittel haben, unter
Benutzung von Quellen und Monographien (ich den Stoff zu verlebendigen
und weitere eindringende Vorstöße in .das Gebiet der
rhein.-weftfäl. Kirchengefch. zu unternehmen. (Uber Quellen u.
Literatur zur rhein. Kirchengefch. orientiert vortrefflich W. Rot-
fcheidtsQuellenkunde,Neuwied 1910.) Für rhein.-weftfäl.Studenten
empfiehlt fich das Büchlein auch noch befonders zur Repetition
für das Examen.
Zwickau i. S. O. Clernen.
Horodezky, Dr. S. A.: Myftifch-religiöfe Strömungen unter
den Juden in Polen im 16.—18. Jahrhundert. (80 S.) gr. 8°.
Leipzig, G. Engel 1914 (ausgeg. 1919). M. 1.50
Das zwar 1914 gedruckte, aber erst 1919 erfchienene,
im Verhältniffe zu feinem Inhalte (ehr billige Buch bietet
weit mehr, als der fchlichte Titel befagt, nämlich eine
bisher fehlende, auf umfaffender Quellenkenntnis beruhende
, bei aller Knappheit der Darstellung doch trefflich
unterrichtende Gefchichte der damaligen Kabbaliltik.
Anfchauliche und feffelnde Schreibweife kommen der
Form, mit sicherem Takte ausgewählte und durch genaue
Stellenangaben belegte Quellenauszüge dem Inhalte
zugute. Das Buch fei empfohlen.
Leipzig. Erich Bifchoff.
Müller-Kolshorn, Dr. Otto: Azmi Effendis Gefandtschaftsreife an
den preußifchen Hof. (Türkifche Bibliothek, 19. Band.) (113 S.)
8". Berlin, Mayer u. Müller 1918. _ M. 10 —
Der Verfaffer bringt nach einem kurzen Überblick über die
Orientpolitik Friedrichs d. Gr. und Friedrich Wilhelms II. die
Uberfetzung des amtlichen Berichtes, den der türkifche Diplomat
Azmi Achmet Effendi über feine Gefandtfchaftsreife nach Berlin
im Jahre 1790,91 an die Hohe Pforte einreichte. In kindlichnaivem
Plauderton werden darin die Reifeerlebniffe der Gelandt-
fchaft erzählt, um zum Schluß in Betrachtungen über die Verwaltung
Preußens, den Zuftand von Volk, Militär u. dergl. zu gipfeln.
Für den Theologen ift die Schrift inrofern von Intereffe, als
fich aus ihr die Einwirkungen der Aufklärung auf die Politik erkennen
laffen, durch die es dem preußifchen Hof möglich wurde,
Beziehungen zur Pforte mit der Spitze gegen Öfterreich und Rußland
anzuknüpfen, ohne daß jemand aus religiöfen Gründen daran
Anftoß genommen hätte. Auch der Kalif vergißt feines Titels
als ,Glaubenskämpfer' und bewirbt fich um die Freundfchaft
eines christlichen Staates; ja fein Gefandter erwähnt in dem Bericht
mit keinem Wort, daß er ein christliches Volk fchildert.
Kein Zweifel, die religiöfen Motive find aus der äußeren Politik
unwiederbringlich ausgefchaltet!
Göttingen. C. Sachße.
Hering, D. Hermann: Samuel Ernft Timotheus Stubenrauch
und lein Neffe Friedrich Schleiermacher. Eine Geburtstagsgabe
. (Beiträge z. Förderg. cliriftl. Theol. XXIII. Bd.,
3/4 Heft.) (124 S.) 8°. Gütersloh, C. Bertelsmann
1919- M. 4 —
Schaeder, Geh. Konf.-Rat Prof. D. Erich: Schleiermacher.
Rede zur Feier feines 150. Geburtstages, geh an der Univ.
Breslau. (Beiträge zur Förderg. chriftl. Theol.. 23. Bd.,
5. Heft.) (30 S.) 8°. Gütersloh, C. Bertelsmann 1919.
M. 1.20
Stubenrauch war reformierter Profeffor in Halle, dann
Pfarrer in Droffen und Landsberg a. d. Warthe. Hering
rückt diefen Bruder von Schleiermachers Mutter, bei dem
Schi, als Student in Halle und Droffen wohnte, in helles
Licht. St. trat für Toleranz und für das Recht der Individualität
ein, ehrte aber die Bibel als göttliche Offenbarung
. Gefchrieben hat er wenig. Wenn er auf Schi,
wohl ftärker gewirkt hat als deffen Vater, fo beruht das
gewiß auch auf perfönlichen Eigenfchaften, Freundlichkeit
und Weisheit. Der Gegenfatz des jungen Schi, zur kirchlichen
Überlieferung erfcheint in H.'s Buch fozufagen vom
Standpunkt des Oheims gefehen und damit weniger fcharf,
womit nicht gefügt ift, daß diefe Betrachtung unrichtig
fein müßte, doch deutet H. die Briefftelle IV 28 ff. mit
Schenkel wohl zu milde; der Gegenfatz gegen alle Vermittlung
zwifchen Philofophie und Dogma ift fo fchroff,
wie ihn Haym und Dilthey faßten. Ob, wie H. auf Grund
von Br. III 38 meint, die als Vorftufe der Monologen
wichtige Neujahrspredigt, die Sydow auf 1793, Dilthey
(und nach ihm Schiele und ich in unferer Monologen-Aus-
gabe) auf 1792 fetzten, fchon von 1791 ift, mag unficher
bleiben. In feiner liebevollen Bemühung um Einzelheiten
und klugen Befchränkung auf das Wefentliche ift das
Buch des ehrwürdigen Seniors der Hallifchen Fakultät
eine fehr willkommene Bereicherung unferer Kenntnis
der Jugendgefchichte Schl.'s.
Schaeder würdigt Schi, wefentlich als Theologen.
Die Kritik, die er an ihm übt, ift mehr nur angedeutet.
Die wichtigften Stücke von Schl.'s Theologie, feine Auf-
faffung von Religion und Chriftentum, von Gottes Wirken
und der Sünde, Erlöfung, Cbriftus, Kirche kommen
kurz zur Sprache. Daß Sch. den Religions- und Gottes-
begriff der Glaubenslehre — Gott ift die Macht, von der
wir uns fchlechthin abhängig fühlen — in den Mittelpunkt
ftellt, wird niemand, der Sch.'s Denkweife kennt, über-