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Ausgabe:

1919 Nr. 2

Spalte:

297-298

Autor/Hrsg.:

Köhler, Walther

Titel/Untertitel:

Ulrich Zwingli und die Reformation in der Schweiz 1919

Rezensent:

Baur, August

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Seite 1

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297 Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 25/26. 298

Ulrich Zwing Ii. Eine Auswahl aus feinen Schriften auf
das vierhundertjähr. Jubiläum der Züricher Reformation
. Im Auftrage des Kirchenrates des Kantons
Zürich überf. u. hrsg. v. Gymn.-Rel.-Lehr. D. Dr.
Georg Finsler, Prof. D. Dr. Walther Köhler,
Prof. Pfr. D. Arnold Rüegg. (VIII u. 824 S.) gr. 8°.
Zürich, Schultheß & Co. 1918.
Huldrych Zwingli's Briefe. Überfetzt v. Pfr. Oskar Farner.
i.Bd. 1512—1523. (1. u. 2. Tauf.) (Schweizer Schickfal
u. Erlebnis, 4. Bd.) (XI, 255 S.) 8°. Zürich, Rafcher
& Co. 1918. Pappbd. M. 9 —

Köhler, Prof. D. Dr. W.: Ulrich Zwingli und die Reformation
in der Schweiz. (Religionsgefchichtl. Volksbücher,
IV. Reihe, 3C/31. Heft.) (101 S.) 8°. Tübingen, J. C. B.
Mohr 1919. M. 1 —

Über den Zweck und die Wege zu einer Auswahl
aus Zwingiis Schriften fpricht fich das fehr zu beherzigende
Vorwort kurz und beftimmt aus, indem es zur
Vergleichung mit der Aufgabe, die den Herausgebern
und Überfetzern geftellt worden ift, nicht etwa nur die
drei großen Ausgaben der Werke Zwingiis, nämlich die
von Rudolf Gwalther vom Jahre 1545, die von Schuler
und Schultheß von den Jahren 1828—1842 und die jüngfte
noch unvollendete, im Jahre 1933 begonnene Ausgabe
von Egli, Finsler und Köhler heranzieht, fondern ins-
befondere die beiden mehr populären Zwecken dienenden
Auswahlfammlungen aus Zwingiis Werken, fo vor allem
die 1819 zur dritten Jubelfeier der Züricherifcheh Kirche
erfchienene Zwingli-Ausgabe von Leonhard Ufteri und
Salonion Vögeli und fodann die 1843 von R. Chriftoffel
veranftaltete ,Zeitgemäße Auswahl aus Huldrich Zwingli's
praktifchen Schriften'. Die in den beiden volkstümlichen
Ausgaben ins Auge gefaßten Ziele will die neue Auswahl
und Überfetzung miteinander vereinigen und erreichen
, fowohl in ftofflicher als auch in fprachlk.her Hin ficht. 1
Wir können auf Grund genauer Prüfung und Vergleichung
des vorliegenden Textes mit dem Texte der
neueiten Ausgabe, foweit diefelbe vorliegt, und mit dem
Texte der Schuler-Schultheßfchen Ausgabe, foweit diefe
noch herangezogen werden muß, wie auf Grund unferer
Kenntnis der Werke Zwingiis dem Unternehmen das
Zeugnis geben, daß die Arbeit in jeder Hinficht ausgezeichnet
gelungen ift. Die Auswahl läßt meines Erachtens
an Umficht und Treffficherheit nichts zu wünfchen
übrig und zwar die Auswahl fowohl der einzelnen aufgenommenen
Schriften, als auch des Textes der einzelnen
Schriften, der Auslaffungen und Zufammenfaffungen;
die Überfetzung fowohl aus dem Schweizer-Deutfch als auch
aus dem Lateinifchen in das Hochdeutfche ift mufter-
haft; die Beigabe eines Regifters über Orte, Perfonen,
Sachen .welches, dem leitendem fyftematifchen Gefichts-
punkte der Ufteri-Vögeli'fche Ausgabe genügen foll',
für die Benutzung überaus zweckmäßig und willkommen,
der Druck ift durchweg korrekt — ich habe außer den
S. 829 angeführten Berichtigungen, von denen die zweite
felber einen Druckfehler enthält, nur zwei gefunden:
S. 165 Z. 11 v. u.: Väter ftatt Völker, S. 312 Z. 3 v. o.:
nicht ftatt auch. Daß die ganze Ausgabe mit einer trefflichen
Überfetzung des älteften Lebensbildes Zwingiis
von Oswald Mykonius eingeleitet wird, daß ferner der
.Plan zu einem Feldzug' (Ende 1524 oder Anfang 1525)
und Thomas Platters Bericht über die Disputation in
Baden eingefügt ift, wird man nur billigen können; denn
hierdurch gewinnen wir einen befonders trefflichen Einblick
in die umfaffende und aufregende Wirkfamkeit des
Reformators. Auf das Einzelne, befonders wie die Herausgeber
den Stoff unter fich verteilt haben und wie jeder
im Einzelnen feiner Aufgabe gerecht geworden ift, kann
ich nicht eingehen, fondern nur die Züricher Kirche und
mit ihr die reformatorifche Kirche überhaupt zu diefer
Gabe von Herzen beglückwünfchen. Ich zweifle gar nicht
daran, daß mit diefem Werke ein überaus wichtiger Schritt
getan ift, um dort, wo das Gedächtnis an Zwingli lebendig
ift, dasfelbe zu fertigen, und dort, wo fein Andenken

unter Mißgunft und Mißverftändnis noch leidet, über den
Reformator eine richtige, feiner weltgefchichtlichen Bedeutung
und Größe entfprechende Würdigung zu verbreiten
.

Oskar Farner, bekannt durch feine vorzügliche Abhandlung
über ,Zwingiis Fintwicklung zum Reformator
nach feinem Briefwechfel bis Ende 1522' (Zwingliana
Bd. III Heft 1—6; vgl. dazu meine Anzeige in D. L. Z.
1915, Nr. 49, Sp. 2561—2568) und neuerdings durch eine
flott und trefflich gefchriebene volkstümliche Biographie
Zwingiis, hat hier unter Ermunterung von Prof. Dr. Paul
Wernle in Bafel und mit Beihilfe des bekannten Über-
fetzers der Calvin-Briefe Rudolf Schwarz eine Überfetzung
der Briefe Zwingiis in die deutfche Sprache
unternommen auf Grund der neuen Zwingliausgabe, die
für die Briefe nun doch fchon bis zum Jahre 1528 gelangt
ift. Ich habe die Ausgabe an der großen Ausgabe
genau kontrolliert und gefunden, daß kein Brief ausge-
laffen ift. Fehler habe ich nur S. 94 gefunden, wo das
Datum ftatt 27. Juni 17. Juni lauten follte. Die Überfetzung
von renascentis Christi mit Renaiffance Chrifti
(S. 101 Z. 5. v. 0.) fcheint mir doch gefchmacklos zu fein.
Sonft ift das Werk mit großer Freude zu begrüßen und
feine rafche Vollendung von Herzen zu wünfchen.

Köhlers Zwinglibiographie, gefchrieben von einem
Theologen, der feit Eglis Tod in die Redaktion der
neuen Zwingliausgabe eingetreten ift und fich fonft in größeren
und kleineren Arbeiten überaus rege an der Zwingli-
forfchung beteiligt hat, habe ich mit höchftem Intereffe
ergriffen und wiederholt durchgelefen. Ich erkenne der
verhältnismäßig kleinen Schrift eine ganz befondere Bedeutung
zu. Sie hat alle die Probleme, welche die
Zwingliforfchung bewegen (das Werden des Reformators
, fein Verhältnis zu Luther, fowie zur Politik ufw.)
nicht nur etwa angefchnitten, fondern auf beftimmtefte
geftellt und herausgehoben unter ftrengfter und unver-
hülltefter Darlegung aller der daran fich anknüpfenden
Nebenfragen und Schwierigkeiten. Und ich meine, er
hat fie nicht nur klar geftellt, fondern auch klar gelöft
oder ihrer Löfung ganz entfchieden näher gebracht.
Über einzelnes kleinere wird fich ja immerhin noch ftreiten
laffen; auch ift wohl kaum zu hoffen, daß diejenigen, die
in Zwingli etwa nur einen unfelbftändigen Nachtreter
Luthers fehen, fich überzeugen laffen werden. Wer aber
fo klar, wie Köhler, die Individualität Zwingiis befonders
auch als Schweizer, zu erfaffen verfteht, ift allein im
Stande, die Eigenart des Mannes zu würdigen und ihm
zu einer richtigen gefchichtlichen Würdigung in feiner Bedeutung
als Reformator zu verhelfen.

Cannftatt. Auguft Baur.

Waldenmaier, Hermann: Die Entllehung der evangelifchen
Gottesdienftordnungen Süddeutlchlands im Zeitalter der
Reformation. (Schriften des Vereins f. Reformations-
gefchichte. Nr. 125/26.) (VIII, 142 S.) gr. 8°. Leipzig,
R. Haupt 1916. M. 2.40

Über die Entftehung und Entwicklung der evangelifchen
Gottesdienftordnungen in der Reformationszeit
ift fchon manches gefchrieben worden. Aber vielleicht
ift nicht fo unrecht, wenn man fagt, je mehr darüber gearbeitet
wird, defto mehr Probleme tauchen auf. Alle
geltend gemachten liturgifchen, religiöfen, ethifchen und
pfychologifchen Prinzipien können nicht alles reftlos erklären
. Waldenmaier geht einen andern Weg. Er ftellt
die mittelalterlichen Formen des Gottesdienftes: Meffe,
Predigt, Abendmahl neben die evangelifchen Gottesdienftordnungen
und kommt durch beltändige Vergleichung
zu ganz beftimmten, von der bisherigen Auffaffung vielfach
abweichenden Refultaten. Er ftellt feft: mag auch
die Auffaffung über die Bedeutung des Gottesdienftes
bei Evangelifchen und Katholifchen eine ganz verfchiedene
fein, in der Form zeigt fich eine weitgehende Überein-
ftimmung. Die Reformation hat es wenigftens in diefem
Gebiet zu keiner Neufchöpfung gebracht ■— das gilt auch