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Ausgabe:

1919

Spalte:

279

Autor/Hrsg.:

Arnold, Eberhard

Titel/Untertitel:

Innenland. Ein Wegweiser in die Seele der Bibel 1919

Rezensent:

Niebergall, Friedrich

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279

Theologifche Literaturzeitung I9'9 Nr- 23/24.

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befeitigt wäre — daß man das Büchlein mit herzlichem
Dank aus der Hand legt, oder vielmehr es einem Bekannten
weitergibt. Als Probe diene ein Wort vom
Glauben: ,Aller Glaube ift nimmer Frucht eines Meinens
und Denkens oder Wiffens, fondern das echte Kind des
Willens und der Ehrfurcht', S. 25, und eins von über-
flüffiger Klage: ,Nur über den toten Punkt müffen wir
kommen, nur über den ftarren Zuftand der Qual, da wir
auf den Trümmern fitzen und des Mitleides mit uns felbft
nicht ledig werden. Wir wagen uns nicht zu regen, wir
meinen, etwas Böfes oder Törichtes zu tun oder uns felbft
zu belügen, wenn wir einmal über die Trümmer hinwegblicken
und gar daran denken, daß Trümmer nicht länger
als drei Tage beweint werden dürfen, und daß fie vom
vierten Tag an gar. nicht mehr Trümmer, fondern Bau-
fteine für etwas Gutes fein müffen', S. 64.

Iburg. W. Thimme.

Arnold, Dr. Eberhard: Innenland. Ein Wegweifer in die
Seele der Bibel. (173 S.) 8°. Berlin, Furche-Verlag 1918.

M. 3—; Vorzugsausg. geb. M. 10 —
Diefes überaus feine und tiefe Buch des Mitarbeiters
der Furche will ein Wegweifer in die Seele der
Bibel fein, um alles, was in ihr über die Lebensregungen,
Wirkungen und Ziele der Seele getagt ift, zufammen-
zufaffen; fleht es doch mit ihr in der kraftvollen Er-
faffung und Bewältigung des Lebens die Hauptaufgabe.
Im Text merkt man davon freilich nicht viel; nur im
Anhang find viele Bibelftellen nach der Ordnung des
Buches zufammengeftellt. Dafür aber gibt der Verf. eine
Reihe von prächtigen, anregenden Meditationen über
Fragen des Innenlebens, z. B. Seele und Geht, das Ge-
wiffen und feine Gefundung, das Erleben Gottes, Innerer
Friede, Das in uns lebendige Wort. Sehr oft im Gegen-
fatz gegen die moderne Myftik, die die Seele im Unbewußten
untertauchen laffen will, bietet A. einen feinen
Chriftus-Pietismus, der zum Frieden und zur Tatkraft
führen foll. Gar nichts findet fich von alter pietiftifcher
Ausdrucksweife oder Engigkeit; immer wieder fucht er
neue Wörter für alte Dinge, wie z. B. für Reich Gottes
Gottes Einfluß. Nimmt man die vielen Zitate und Gedankengänge
aus neuerem Geiftesleben hinzu, dann hat
man einen Kulturpietismus, unter deffen Einfluß man fchon
die akademifchen Kreifs, die fich um die Furche fammeln,
nicht ungern flehen kann. Jeder, der für die Pflege feines
Innenlebens oder für die Seelforge Anregungen oder
Gedanken fucht, wird das fchöne tiefe Buch mit Gewinn
durchftudieren.

Heidelberg. Niebergall.

Colsman. Walter: Religion und Leben. Baufteine neuen
deutfchen Glaubens u. Gottgefühls. Zugleich e. Ein-
führg. in den Gedankenkreis der Religion der Freude.
(64 S.) kl. 8°. Leipzig, Th. Weicher 1919. M. 1.60
Was diefes in feiner edlen dichterifchen Sprache wohl
allen anziehende, in feiner modernen Faffung alter religiöfer
Myftik wohl viele wärmende und erhebende, in feinen
ethifchen Zielen jedoch, weil allzu unbeftimmt fich haltend,
wohl nur wenige befriedigende Büchlein des Verfaffers
der .Religion der Freude' will, mögen uns die folgenden
Worte des abfchließenden .Bekenntniffes' fagen: ,Wir
bekennen uns demütig und freudig zugleich zu der in
uns Erfüllung fachenden heiligen Kraft, die, auiftrebend
in Kampf und Liebe, ein Teil ift und eine letzte edelfte
Ismolpe gleichkam und Blüte der alles Leben durchprüfenden
Allfchöpferkraft und Geiftigkeit; und bekennen
uns vor allem zu deutfchem Geilt und deutfchem Wefen,
als der uns nach Blut und Gefühl gemäßen, gleichkam
uns anvertrauten, befondere: Entfaltungs- und Wirkungsform
jener Macht... Darau , ergeben fich uns als unverbrüchliche
fittliche Forderu igen die der Selbltzucht und
Selbftentfaltung, der inneren Ganzheit, Reinheit und Er-
fülltheit; und des Gemeinfinns nicht minder, der tiefften
Verantwortung gegenüber dem Volke, feiner Gefundheit,

Fruchtbarkeit und lauterften Schönheit, des unantaftbar
edlen Stolzes, der Brüderlichkeit, der fittlichen Güte und
Demut und fegnenden Liebe'.

Iburg. W. Thimme.

Seile, Pfr. D. Dr. Friedrich: Die heutige Naturerkenntnis

und die Predigt. (VIII, 166 S.) 8°. Gütersloh, C. Bertelsmann
1918. M. 5 —
Der nachhaltige Eindruck, den diefe vortreffliche
Schrift macht, beruht vor allem einmal darauf, daß der
Verfaffer aus eigenftem Erleben heraus für feine Sache
eintritt; gibt er doch die ftarken Antriebe wieder, die ihm
nicht nur langjähriger Verkehr mit der heimatlichen
Welt der Berge, fondern auch die eigne erbauliche
Arbeit an feiner Gemeinde und an Freunden der Bergwelt
mitten in ihr felber erweckt hat. Ihnen fucht er mit
gedanklichen Mitteln den Weg zu bereiten, indem er
zuerft das Thema Natur und Religion ganz umfaffend
anpackt. Die Religionsfremdheit der Natur und die
Naturfremdheit der Religion will er überwinden, indem
er die einfeitige Rationalifierung der Natur durch das
Verftändnis für das Irrationale in ihr zu erfetzen ftrebt.
Zumal im Anfchluß an den Neuvitalismus von Diiefoh
fucht er dem Ahnen deffen, was dahinter ift, fein Recht
zu kichern, um damit ein Werkzeug für die religiöfe
Auswertung der Natur zu gewinnen. Fundorte dafür find
mehrere zu nennen: das Zweckfetzende, das Urfächliche,
das Schöne und Erhabene, das Vitaliftifche, das Ganzheitliche
, das Myftifche, das Sinnbildliche, das Sittliche
und der Entwicklungsgedanke, der auf ein Ziel hinweift,
das nur über der Natur liegen kann. — Ich hätte ge-
wünfcht, daß diefen etwas aphoriftifchen Ausführungen,
wenn nun einmal eine folche Grundlegung fein follte,
ein Wort über das Bedürfnis des Glaubens, fich im
Wirklichen nicht allein zu finden, und überhaupt eine
noch eingehendere Befinnung auf das Wefen der religiöfen
Erkenntnis hinzugefügt worden wäre. — Im zweiten Teile
feiner Ausführungen ftellt er dar, wie die heutige
Naturwiffenfchaft und die heutige Theologie fich einander
fo nähern, daß jene idealiftifcher und diefe realiftifcher
wird. Auf Grund einer folchen Durchgeiftigung der
Natur ifc Naturpredigt möglich und nötig. Ein kurzer
Auszug aus der Gefchichte der Naturpredigt bringt
verfchiedene Weifen zur Erkenntnis, die illuftrierende,
die gläubigerbauliche, die apologetifche, die aufklärende,
die theofophifche, Art, zu der dann als des
Verfaffers Ideal die biologifch-analogifche tritt, die z. B.
in dem beide Reihen durchwaltenden Begriff des Lebens
oder in der Auferftehung als einer Erhaltung der Kraft
Wahrheiten fleht, die beide Gebiete, Natur und Religion,
finnvoll zufammenfchließen. Auf diefen PhFenntniffen ruht
dann der dritte Teil, der die Stoffe für die Naturpredigt
umfaffend und kritifch anfchließt, wobei zumal die Stellen
eingehend befprochen werden, wo Glaube und Naturwiffenfchaft
in Streit geraten find. Nachdem S. noch die
Gelegenheiten und Texte für Naturpredigten zufammengeftellt
hat, bietet er im letzten Teil Entwürfe zu Predigten
und Naturandachten, auch ganze Predigten, die die
Probe auf feine Ratfchläge bringen Pollen. Diefe find
fehr interefiant und oft ganz neu und eigenartig; fo z. B.
wenn er die Ofterbotfchaft biologifch mit jenem Gefetz
der Erhaltung der Kraft vermittelt, oder wenn er die
Sterne nach Matth. 2, 1 —12 zu Führern zu Jefus macht.
Manchmal bringt er auch Natureindrücke religiöfer Art
ohne Beziehung auf Jefus, was ganz in der Ordnung ift.
Denn wir wollen den Gott Jefu in der Wirklichkeit fehen
lernen, ohne uns ftets auf Jefus befinnen zu müffen. —
Aus allem erhellt, wie nötig und zeitgemäß dies Buch
ift; ftrcben wir doch alle, ohne den chriftozentrifchen
Mittelpunkt oder den Gnadencharakter derPredigt aufgeben
zu wollen, in den Umkreis der Welt der Wirklichkeit
hinein, wo auch Gott ift. So follte auch einmal metho-
difch gezeigt werden, wie der Glaube fich auch der
Gefchichte zu bemächtigen weiß. Religiöfe Natur- und