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Ausgabe:

1919 Nr. 2

Spalte:

274

Autor/Hrsg.:

Baun, Friedrich

Titel/Untertitel:

Johann Michael Hahn, der Gründer der Hahn’schen Gemeinschaften in Württemberg (1758 bis 1819). 3. Aufl 1919

Rezensent:

Bossert, Gustav

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273 Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 23/24. 274

die 1696—1733 das im 12. Jh. gegründete Klofter, nachdem
eine romanifche und eine gütliche Bauperiode vorausgegangen
war, einfchl. der Kirche neu aufbauten. Beide Meifter hat O.
als die Schöpfer der Barockanlage von Fr. neu entdeckt; bisher
las man als Architekten nur den um 100 Jahre älteren, zur Zeit
des Kloiterneubaues Iängft toten Lienhard Weigel.

Die Kirche, von Thumb, ein charakteriftifches dreifchiffiges
Werk mit GiebelfafTade zwifchen zwei vorl'pringenden Türmen,
befaß einen doppelten Nonnenchor, einen Sommerchor im Weiten
über der Eingangshalle und einen heizbaren Winterchor im Often
hinter der geraden Chorwand; zwifchen beiden lief eine Empore
den Seiten entlang mit Durchgängen durch die eingezogenen
Pfeilermauern, zwifchen denen im Untergefchoß das breitere
Mittelfchiff begleitende Kapeilen lagen. Überdies aber war —
ein einzigartiger Fall — die ganze Kirche unterkellert, wobei der
vordere Teil, unter der Vorhalle, als Gruft für die Stiftsfrauen
diente.

1803 wurde das Klofter fäkularifiert. Das weitere 19. Jahrhundert
hat ihm den Reit gegeben. Jetzt droht die FalTade ein-
zuftürzen, die von der Kirche nebft den Außenwänden und den
Pfeilermauern im Inneren fowie dem foliden Mauerwerk an dem
örtlichen Konventbau des Meilters Beer noch (teilt. Ofbers lehrreicher
Gang durch Gel'chichte und Bau des Klolters, von deffen
Anlage und Ausfehen drei der Tafelbilder (das vierte zeigt ein
ausgezeichnetes Porträt Peter Thumb's) und die beiden Text-
figuren eine vortreffliche Anfchauung vermitteln, klingt aus in
die Bitte an Regierung und Landftände Badens um Schutz des
landfehaftlich wie kunftgefchichtlich gleich bedeutfamen Denkmales
.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Schmidt, Dr. phil. Bernhard: Das geiftige Gebet (// rosga
jrQoatvyj'j). Eine Unterfuchg. zur Gelchichte der griech.
Myftik. (35 S.) 8°. Halle a. S., Druck v. E. Karras
1916.

Leider erft nach dem im Herbft 1918 im Felde erfolgten
Tode ihres Verfaffers bringe ich diefe vortreffliche
Arbeit, eine Breslauer evangelifche Lizentiaten-
fchrift, zur Anzeige, die fich mit einem fehr fchwierigen,
in diefer Voliftändigkeit noch nicht dargeftellten Gegen-
ftande befchäftigt. Es liegen zur Beurteilung nur zwei
Kapitel vor, deren eines die Quellen, deren anderes die
Theorie der v. jtq. darfteilt. Verf. zieht faft die getarnten
Quellen, vom 5. Jahrhundert bis auf unfere
Tage zu Rate, darunter für das M. A. auch die foge-
nannte Philokalia, die größte Sammlung der nax. vrjjtxi-
xoi, die der Hagiorit Nikodemus 1782 herausgab (einziges
Exemplar in Stuttgart) und für die Neuzeit die
Werke diefes Hagioriten lelbft. In der Abgrenzung der
Hauptquellen mache ich indeffen nach Symeon d.h.Theol.
(f etwa 1042) die Scheide, während Verf. diefen mit
hinzurechnet. Nach guter Überlieferung hat erft der
Sinait Gregor (14. Jahrb..) die Theorie der v. jiq. auf
dem Athos, ihrem Hauptfelde, eingeführt. Das zweite
Kapitel fchildert ausführlich die Ausübung der oratio
mentalis des Orients, wie fie feit den Hefychaften geübt
wird. Mögen auch die übrigen Kapitel der fehr in-
ftruktiven Arbeit zum Druck gelangen!
Hannover. Ph. Meyer.

Stutzer, Paft. a. D. Gultav: Die englifche Hochkirche. Vortrag:
geh i'n Weimar. (48 S.) 16". Braunl'chweig, H. Wollermann
1918. M. -60

In der Fülle der Veröffentlichungen über England vermißt
Verfaffer die genügende Würdigung eines Hauptfaktors, der das
englifche Wefen und Verhalten erft voll verftehen laße; in feinem
nun im Druck erfchienenen Vortrag über die englifche Hochkirche
verrucht er, diefe Lücke zu Ichheßen. In fkizzenhafter
Form, wie es die Art der Veröffentlichung mit (ich bringt, weift
er darauf hin, daß bei aller vöikifchen Zerrilfenheit der englifchen
Nation gerade die Hochkirche es ift, die mit gewaltigen Banden
alle Glieder des englifchen Volkes — und zwar auf der ganzen
Welt — zurammenfchließt und den Willen zur Weltbeherrfchung
in ihnen weckt und durch religiöfe Begründung immer aufs neue
nährt. Die gegebenen Anregungen verdienen es, Gegenltand
einer gründlichen Abhandlung zu werden.
Dortmund. Lic. Goetz.

Jahrbuch für di? evangelifch-lulherirche Landeskirche Bayerns. Hrsg.
v. Pfr. Siegfried Kadner. 17 Jahrg. 1917—1918. (141 S. m.
1 Bildnis.) gr. 8". München, Müller & Fröhlich 1918.

Geb. M. 3.50

Lembert, Dek.: Luthers Fehler. Vortrag. Sonderdr. a. d. Jahrb.

f. d. ev.-luth. Landeskirche Bayerns 17. Jahrg. (43 S.) gr. 8".

München, Müller Sc Fröhlich 1918. M. — 60

Auch heuer erfüllt das Jahrbuch feine Aufgabe, Einblick in
das Leben der ev.-luth. Landeskirche Bayerns zu geben. Über
das Außere — Generalfynode und Steuerfynode — berichten
Müller und Rufam; mögen die Winke, die ile für eine Weiterentwicklung
geben, nicht unbeachtet bleiben. Nur unlieb wird
man den bisherigen kirchlichen Spektator, Steinlein-Ansbach,
vermißen; feine Rundfchau hat dem Jahrbuch einen bleibenden
Wert verliehen; an feine Stelle trat Lauter-Ansbach, der feinen
Laienftandpunkt mit Nachdruck zur Geltung bringt. Die tiefgrabende
Arbeit Bezzels über die 50 erften Jahre der Generalfynode
in Bayern — die Abfchiedsgabe eines warmen Freundes
für das Jahrbuch — wird auch ferner Stehenden die Schwierigkeiten
ermeffen laifen, die die Organifation der bayr. ev.-luth.
Kirche machte. Für den Geilt der Landeskirche legt fchon der
prächtige Artikel von Lembert über Luthers Fehler, eine treffliche
volkstümliche Apologie des Reformators, ein Zeugnis ab.
Auch in den ,2 Wanderfahrten im Jahre 1917' vom Herausgeber
felblt wird Luthers Geilt wieder lebendig. Tiefere Blicke aber
gewährt uns der gedankenreiche Eingangsartikel desfelben; er
fieht in Luc. 8,17 das Gefetz für alle Weiterentwicklung der
Menfchheit. Falkenheim zeigt uns, wie die größten Heerführer
mit den gewaltigften Denkern fleh begegnen, wenn es fich um
die innerlten Motive alles Wirkens handelt; und Pförtner ruft
die Zeit auf zu neuem Prophetengeilt, denn fonlt ift unfer Volk
verurteilt zum Untergang. Ein Spruch Ulmers auf Bezzel,
fchlichte Bilder aus der Kriegszeit von H. Kern, und ein Verzeichnis
der Druckfchriften bayr. Theologen fchließen den Jahrgang
, von dem man nur wünfehen möchte, daß noch mehr Laien
darin zu Sprache gekommen wären.
Alfeld. Schornbaum.

Baun, Pfr. Friedrich: Johann Michael Hahn, der Gründer
der Hahn'fchen Genieinfchaften in Württemberg (1758
bis 1819). 3. Aufl. (Schwäbifche Charakterbilder Nr. 8)
(48 S. m. 2 Bildern). 8°. Stuttgart, Verl. d. Ev. Ge-
fellfch. 1919. M. —50

— Schulmeilter Kolb v. Dagersheim. (1784—1859) Ein
Charakterbild aus den Hahnichen Gemeinfchaftskreifen
Württembergs. 2. Aufl. (6.—10. Tauf.) (Schwabifche
Charakterbilder Nr. 2) (48 S. m. 1 Bildnis) 8°. Ebd.
1919. M. — 50

Die in Norddeutfchland erwachte Gemeinfchaftsbe-
wegung begegnet, vielleicht in Folge jugendlichen Eifers,
in den kirchlichen Kreifen ab und zu Mißbehagen, das
durch den Blick auf Württemberg behoben werden
könnte. Zu diefem Zweck ift Wurfters Kirchenkunde
S. 232—251 fehr zu empfehlen. Aber auch die beiden
kurzen, von Pfarrer Baun verfaßten Lebensbilder von
Michael Hahn und Schulmeifter Kolb können zu richtiger
Würdigung des Gemeinfchaftswefens beitragen.
Hahn, der Gründer der Hahn'fchen Genieinfchaften, ein
Bauer, ift .eines jener Originale, wie fie nur Jahrhunderte
hervor zu bringen pflegen', ein echter fchwäbifcher
Grübler, und wie Jakob Böhme, Theofoph mit eigenartigen
Lehren, z. B. über den Sündenfall und die Er-
fchaffung des Weibes und über die letzten Dinge, hat
feine große Bedeutung im Volk, nicht durch diefe Lehren,
fondern durch feine praktifchen Anregungen, fein Dringen
auf Heiligung und Selbft- und Weltverleugnung erlangt.
Heute beliehen 370 Genieinfchaften und in Baden 70 mit
15000 Mitgliedern. Sie halten treu zur Kirche, find ein
ftarker Damm gegen die Sektierer und beweifen große
Opferwilligkeit für Liebestätigkeit jeder Art, Innere und
Äußere Miffion. Kolb, Hahns Lieblingsfchüler und
Herausgeber feiner Schriften in 15 Bänden, war Dorf-
fchulmeifter, aber ein reichbegabter, wohl unterrichteter
Mann, von großer Redegabe, der mit wenig Worten viel
fagte und anfehauliche Gleichniffe prägte. Seine Grabreden
find körnig kurz, aber, wie feine Betrachtungen
und Briefe, gediegen. Trefflich fchildert er die Gefahren
für die Stundenleute (S. 32—38). Ihm ift die erfte Ordnung
für die Genieinfchaften zu verdanken, welche diefe
u. a. verpflichtet, ,der geiftlichen und weltlichen Obrigkeit
den durch das Wort Gottes gebotenen Gehorfani redlich
zu leiften' und die Kirche mit ihren Lehranftalten wert
zu achten.

Stuttgart. G. Boffert.

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