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Ausgabe:

1919 Nr. 2

Spalte:

251-252

Autor/Hrsg.:

Laros, M.

Titel/Untertitel:

Das Glaubensproblem bei Pascal 1919

Rezensent:

Bornhausen, Karl

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251 Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 21/22. 252

gregationen an den höheren Schulen Preußens wurde
f. Z. die allgemeine Aufmerkfamkeit auf diele Maffen-
disziplinierung des Katholizismus hingelenkt; unter den
vielen Auffätzen, die damals zur Aufklärung über Wefen
und Gefchichte der Kongregationen erfchienen, verdient
der von Joh. Werner in der ,Chr. Welt' (vgl. auch den-
felben in RGGIV 163 ff.) befondere Erwähnung, wird
auch in vorliegendem Buche von Kratz anerkennend zitiert
. Er bietet in der Tat das Wefentlichfte. Was Kr.
darüber hinaus vorlegt, find fehr willkommene Einzelheiten
, vor allen Dingen zur Gefchichte des inneren Lebens,
der er fich zuwendet, nachdem ein erfter Teil nach kurzer
Orientierung über die Mutterkongregation in Rom die
Ausbreitung in Deutfchland, Schweiz (hier ift Canifius in
Freiburg der erfte Gründer) und Öfterreich gezeigt hat.
Aufs Eingehendfte wird die Organifation befprochen, die
Gliederung nach Klaffen und Ständen, wobei die Bildung
von Frauenkongregationen auf den ftärkften Widerfpruch
fließ (die formelle Anerkennung durch die Kurie haben
fie erft 1751 erhalten — auch ein Kapitel aus dem jüngft
von H. Stoeckius: Unterfuchungen zur Gefchichte des
Noviziates in der Gefellfchaft Jefu (1918) S. 90 Anm. an-
gefchlagenen Thema: der Jefuitenorden und die Frauen),
Wallfahrten, Prozeffionen, Heiligungsverfammlungen,
Theater (költlich S. 231 die Befchwerde der ehrfamen
Schmiedezunft von Köln gegen das die Temperenz empfehlende
Stück: ,Der betrunkene Schmied'!), propagandi-
ftifche Tätigkeit, Charitas. Daß die katholifche Kirche in
diefen Sodalitäten ein ausgezeichnetes und wirkungskräftiges
Mittel der Maffendisziplinierung befitzt, nicht minder fehr
gefchickt hier einen Laienapoftolat begründet, foweit das
innerhalb kanoniftifcher Rechtsgrenzen überhaupt möglich
ift, tritt deutlich hervor. So ift das einfach und fchlicht
erzählende Buch zur Kenntnis des inneren Lebens der
katholifchen Kirche fehr dankenswert.

Zürich. Walther Köhler.

Laros, Dr. M.: Das Glaubensproblem bei Pascal. (192 S.)
gr. 8°. Düffeldorf, L. Schwann 1918. M. 6.50

Diefe Studie eines ftreng kirchlichen Katholiken, dem
das bifchöflich-kölnifche Imprimatur für fein Buch wichtig
ift, erfcheint mir nicht philofophiegefchichtlich, fondern
dogmatifch charakteriftifch. Der Ketzer Pascal hat durch
die Wahrhaftigkeit und Tiefe feines Religionsfuchens bei
Proteftanten und unkirchlichen Philofophen bedauerlich
viel Anfehen und Einfluß, leider auch auf den katholifchen
Modernismus. Da kann man den der katholifchen Dog-
matik unbequemen Denker am betten dadurch entkräften,
daß man nachweift, Pascal fei überhaupt kein Gegenfatz
zur katholifchen Lehre, fondern fuße auf Thomas v. Äquino
und Tridentinum. Der Laie Pascal hat ja genug Theologie
aus zweiter, dritter Hand verwendet: fo ift es leicht,
ihn felbft mit diefen Sprüchen zu widerlegen. Verquer aber
ift, fein eigenes religionsphilofophifches Gut, die Intuition,
als katholifchen Rationalismus darzuftellen. Das hat Laros
unter Vergleich einer Fülle neuerer Philofophie und Apologetik
fertig gebracht, allerdings ohne den, der Pascals
Geftalt aus feiner Zeit verfteht, nur im geringften zu
überzeugen. Zu widerlegen ift da auch wenig: Pascals
Gefamtdenken ift fo unvollftändig überliefert, daß es jede
Ausdeuterei erlaubt. Aber Pascals religiöfe Entwicklung
ift eindeutig: fein Intuitionismus war ihm Rettung, um
fein unmittelbares Glaubenserlebnis in und über dem
Katholizismus zu erhalten. Und will Laros die Wiffen-
fchaft und Gefchichtsforfchung graulen machen, weil fol-
cher Intuitionismus zu Schleiermacher und Ritfehl führt?
Bei Pascal geht es nicht um Katholizismus oder Proteftan-
tismus: der Mann ift wirklich zu fromm, als daß wir
Konfeffionsdispute an ihm treiben. Das können wir freilich
nicht ändern, daß er auch in ehrlichftem gefchichtlichen
Forfchen verfchieden aufgefaßt wird. Und fo trifft es
fich gut, daß ein demnächft erfcheinendes Buch über
Pascal der gefchichtlichen Kritik und dem entgegengefetzten
Standpunkt, aber ohne jede konfeffionelle Tendenz
Geltung verfchaffen will.

Marburg. Bornhaufen.

Oehlke, Waldemar: Leffing und feine Zeit. In 2 Bdn. 8°.
München, C. H. Beck 1919. Geb. M. 27 —

I. Bd. Mit e. Nachbildg. des Leffmgbüdes v. J. H. W. Tifchbein.
(XIV, 478 S.) — 2. Bd. Mit e. Nachbüdg. des Leffi.ngbild.es v.
Anton Graff. (VII, 603 S.)

,Es ift Raum für mehrere Darftellungen, und es werden
noch andere, jeder nach leiner Art, diefes Weges
ziehen.' So verteidigte Erich Schmidt feinerzeit klug
und weitherzig fein Leffingbuch gegen jene, die den Stoff •
durch Danzel und Fifcher erfchöpft glaubten. Und was
die rein literaturgefchichtliche Betrachtungsweife im Sinne
der Schererfchen Schule zu geben vermochte, hat er in
einer faft erfchöpfenden Weife erledigt. Nun zieht wieder
ein anderer desfelben Weges, ,auf feine Weife'. Ihm liegt
weniger daran, die Motive und Geftalten des Dichters,
die Ausdrucksformen des Schriftftellers Leffing in große
gefchichtliche Zufammenhänge zu bringen, als die
Lebensarbeit feines Helden ,für die Kulturgefchichte zu
werten und einzuordnen'. Darum verzichtet er auf eine
rein chronologifche Erzählung und faßt lieber das innerlich
Zufammengehörige in größere Abfchnitte zufammen,
wodurch die Grundgedanken und die inneren Triebkräfte
in Leffings Dichtung und Schriftftellerei nur um fo klarer
hervortreten. Und er verfügt über eine gründliche Kenntnis
der allgemeinen Kulturgefchichte des 18.Jahrhunderts,
wie wir fie nicht in der eigentlichen Schererfchen Schule,
fondern eher im Gefolge Hettners zu finden gewohnt
find. Über Erich Schmidt und über die Vorgänger hinaus
führen denn auch die unfre Lefer vor allem inter-
effierende Abfchnitte über Leffings Stellung zu religiöfen
Fragen (Bd. I, 6: ,Die Umgeftaltung des dichterifchen
und religiöfen Lebens', bef. S. 336 fr. und Bd. II, 13: ,Der
theologifche Kampf, 14 ,Nathan der Weife' und 15 ,1m
Reiche der Zukunft', S. 267 ff) Was Oehlke von Haufe
aus mitbringt, ift (außer gründlicher germaniftifcher Sachkenntnis
und Methode) ein feines und ficheres Gefühl für
religiöfes Erleben und für die Bedeutung religiöfer Fragen
innerhalb der gefamten Kulturentwicklung. Sein freier
perfönlicher Standpunkt verleugnet fich nirgends und
tritt doch niemals aufdringlich hervor; und von diefem
Standpunkt aus wird Oehlke dem fcheinbarWiderfpruchs-
vollen in Leffings Stellung zur Religion, oder vielmehr
der Elaftizität und Polarität feines religiöfen Erlebens
beffer gerecht, als feine Vorgänger. Von Haufe aus auf
ein tiefes, immer wieder durchbrechendes Verhältnis zu
Gott eingeftellt, durch Erziehung und innerfte Neigung
zur freien Anerkennung alles menfehlichen, kraftvoll fich
Regenden geneigt und als Sohn feiner Zeit doch wieder
durchaus rationaliftifch gefinnt, fucht Leffing der grund-
fätzlichen Religio fität mit ihren gefchichtlichen Erfchei-
nungsformen fo gut wie der modernen Wiffenfchaft gerecht
zu werden und beide zufammen zu erleben — immer
in der Hoffnung, daß einft völlige Gedankenklarheit dasjenige
erhellen werde, was uns jetzt nur durch Ahnung
und Offenbarung, durch Gefchichte und perfönliches
Herzenserlebnis gegeben wird. Bis dahin aber verwahrt
er fich energilch gegen jede faule Grenzverwifchung,
gegen jedes ,neologifche' Erfchleichnis und vor allem
gegen jeden Herrfchaftsanfpruch, jede Unduldfamkeit auf
der einen wie der andern Seite, die das köftlichfte Gut
gefährden und die Entwicklung der Menfchheit, den göttlichen
Erziehungsprozeß in Frage ftellen könnten.

Freilich kommt Oehrke nicht eigentlich zu einer zu-
fammenfaffenden, alle Hauptzüge berückfichtigenden Dar-
ftellung von Leffings Frömmigkeitstypus fozufagen. Auch
feine fehr erwünfehten allgemeinen Ausblicke über Gefchichte
des Deismus, der Bibelkritik, der Freimaurerei
usw. find mitunter zu knapp und fetzen beim Lefer zu
viel voraus. Endlich können wir die eingehende und
förderliche Erklärung der Ringparabel im ,Nathan' doch