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Ausgabe:

1919 Nr. 2

Spalte:

248-249

Autor/Hrsg.:

Pestalozzi, Theodor

Titel/Untertitel:

Die Gegner Zwinglis am Großmünzerstift in Zürich 1919

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 21,22.

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find zwar ebenfo Töchter Gottes wie die jtldzig, aycutrj,
vao/c, uQr]vr und h'imq, aber fie gleichen den fünf
törichten Jungfrauen (diefe ganz unverftändliche Prädi-
zierung hat Schmidt nicht zu erhellen vermocht, und
auch ich ftehe ratlos vor ihr, da der Verf. fie mit keinem
Worte motiviert hat; ift fie der Exponent einer fehr
feinen Beobachtung?). Sonft hat der Herausgeber mit
der bekannten Sauberkeit der Forfchung, der ausgezeichneten
Sachkenntnis und dem geficherten Urteil in
Bezug auf die Probleme der älteften Kirchengefchichte
nahezu Alles getan, um das Weik verftändlich zu machen
und in die übrige uns bekannte Literatur einzureihen.

Mit befonderer Energie hat der Verf. in den drei
großen Exkurfen (S. 403—731) drei Hauptfragen behandelt
, auf welche die Schrift führt, und fie foweit geführt
und gelöft, als das Quellenmaterial es zuläßt: (1) Über
Kerinth und die Aloger„ (2) über den Descensus ad infe-
ros in der alten Kirche, (3) über die Paffahfeier in der
kleinafiatifchen Kirche. Die Quellenfrage in Bezug auf
die Aloger und die Probleme, welche fie und die
Namen Kerinth und Cajus ftellen, find hier m. E. ent-
fchieden, und ich glaube annehmen zu dürfen, daß auch
alle die, welche bisher anderer Meinung waren, die Lö-
fung Schmidts anerkennen werden. Die Unterfuchung
über den Descenfus gibt diefes ,hiftorifche' LehriVück als
eigenes Produkt dem Urchriftentum zurück, indem es die
namentlich von Bouffet vertretene Anficht widerlegt,
die Wurzel desfelben fei der Mythus von dem Kampf
des Lebensfürften mit dem Fürften und den Mächten
der Unterwelt und des Todes. Schmidt zeigt, daß der
Glaube an den Descensus Jefu urfprünglich und lange
Zeit hindurch fchlechterdings nichts anderes enthalten
hat als das den Gläubigen zwingend fich aufdrängende
Poftulat, der Erlöfer müffe auch im Hades gepredigt
und die ATlichen Gerechten aus ihm befreit haben. Ich
ftimme dem Verf. ganz bei, obgleich fich I Petr. 3, 19
diefer Annahme nicht einfach einfügt; Schmidt's Wendung
(S. 4Ö4f.), der Brief fei ja auch fonft als Produkt
des nachapoftolifchen Zeitalters erwiefen, hilft hier gar
nichts, auch wenn fie richtig wäre. An diefer Stelle
allein — ich weiß wenigftens keine andere — ift Schmidt
allzu rafch über eine, übrigens nicht unlösbare Schwierigkeit
hinweggeglitten. Das Mufter einer gründlichen
Unterfuchung ift die große Abhandlung über die Paffahfeier
in der kleinafiatifchen Kirche. Wer diefe fchwie-
rigfte Materie, über die ich einft viel mit meinem ent-
fchlafenen Freunde Schürer verhandelt habe, kennt,
wird wiffen, wieviel dazu gehört, um hier überhaupt mitreden
zu können. Obfchon ich die Unterfuchung zweimal
gelefen habe, traue ich mir doch noch kein ab-
fchließendes Urteil zu; doch foviel fehe ich, daß Schmidt
die Frage außerordentlich gefördert hat. Völlig einleuchtend
war mir fein Beweis, das die Vita Polycarpi
ein für Polykarp und das 2. Jahrb.. wertlofes Machwerk
des 4. Jahrhundert ift; ich habe trotz Corffen und
Schwartz diefe Vita niemals anders beurteilt. —

In den fünf Jahren des Krieges und der Revolution
hauptfächlich hat Schmidt in ftiller Arbeit diefes große
Werk hergeftellt, das die kirchliche Altertumsforfchung
fo bedeutend fördert. Man gewinnt angefichts desfelben
die fchon wankend gewordene Zuverficht zurück, daß die
Forfchung proteftantifcher Gelehrter auf dem Gebiete der
älteften Kirche noch eine Zukunft hat.

Berlin. A. v. Harnack.

Snopek, Fr.: Klemens von Rom und reine Reliquien. (S.-Dr. aus
S., Die Slavenapoftel.) (75 S.) 8". Kremfier 1918. (Selbftverlag.)
Gegenüber der ,Hyperkritik' des ruffifclien Gelehrten Franko
und des ihm beipflichtenden deutfchen Gelehrten Brückner gibt
(ich der Verfaffer vorliegender Studie alle Mühe, die Wahrheit
der Legende vom Märtyrertode des römilchen Klemens in der
Krim und die Echtheit der vom Slavenapoftel Cyrill aufgefundenen
und nach Rom gebrachten Gebeine zu erweifen. Wer
aber den Glauben nicht fchon mitbringt, wird durch feine metho-
difch und fprachlich unbeholfenen Erörterungen nicht überzeugt
werden. Außer der Tatfache, daß der bekannte Brief an die

Korinther von einem römifchen Gemeindevorfteher Namens Klemens
verfaßt wurde, bleibt alles andere teils unbewiefen teils
ausgefchloffen.

München. Hugo Koch.

Freudenberg, Dr. F.: Paracelfus und Fludd. Die beiden
großen Okkultiften u. Ärzte des 15. u. 16. Jahrhunderts.
Mit e. Auswahl aus ihren okkulten Schriften. Mit
2 Bildniffen u. 2 Abbildgn. Nebft ausfuhr!. Regifter.
(Geheime Wiffenfchaften. 17. Bd.) (276 S.) 8°. Berlin,
H. Barsdorf 1918. M. 10 — ; geb. M. 12 —

Die von A. v. d. Linden herausgegebene Sammlung
verfolgt keine wiffenfchaftlichen, fondern mehr okkultiMifch-
praktifche Zwecke, hat fich aber durch erwünfchte Zufuhr
fchwer zugänglichen Stoffes auch um die Forfchung Ver-
dienfte erworben (bef. wichtig Bd. IO—14, die Schriften
des Agrippa v. Nettesheim und verwandte Literatur, bef.
Petrus v. Abano, Trithemius, Buch Arbatel u. a.). Auch
der vorliegende Band wird zur erften Einführung dienen
können, dtnn die wichtigften Abfchnitte über Okkultismus
find aus den zahllofen Schriften des Paracelfus (ihm wurde
der Löwenanteil an dem Bande zuteil) gefchickt ausge-
fucht und, wenn auch nicht recht flüffig, fo doch im ganzen
wohlverftändlich in unferer Sprache wiedergegeben. Das
Regifter erleichtert die Überficht. Wer tiefer in den Stoff
eindringen will, dem bleibt natürlich das gründliche Studium
der ausgezeichneten Neudrucke von Strunz (Jena,
Diederichs, 1903 ,Paramirum' und 1904 ,Paragranum') nicht
erfpart. Auch kann Freudenbergs unfelbftändige Einleitung
nicht das Studium der Arbeiten von Strunz und
Sudhoff (vgl. bef. deffen Neubearbeitung von Pageis Ge-
fchichte der Medizin, Berlin 1915) erfetzen.
Pofen. R. Petfch.

Pestalozzi, Dr. Theodor: Die Gegner Zwingiis am Groß-
münzerstift in Zürich. (Schweizer Studien zur Gefchichts-
wiffenfchaft. XI. Bd., Heft 1.) (209 S.) gr. 8°. Zürich,
Gebr. Leemann & Co. 1918. M. 4.50

Auf diefe, von mir angeregte Arbeit darf ich wohl
felbft kurz hinweifen: fie fucht, wie ich das meinerfeits
in aller Kürze in dem Lebensabriß .Ulrich Zwingli', in
.Unfere religiöfen Erzieher' ichon getan hatte, dem Ver-
ftändnis des fchweizerifchen Reformators näher zu kommen
von Seiten der katholifchen innerzürcherifchen Oppofition,
mit der er fortgefetzt zu kämpfen hatte, und die daher
auf Gang und Entwicklung feines Reformationswerkes von
fehr Markem Einfluß war. P. legt den erften Teil der
Unterfuchung diefer fchwierigen und fehr verwickelten
Verhältniffe vor, der infofern ein abgefchloffenes Ganzes
bildet, als das Großmünfterftift einen einheitlichen I leid
der Öppofition bildete. Vf. baut auf den Akten des
Zürcher Staatsarchivs auf und holt weit aus, was aber
für das Verftändnis des Ganzen nur von Vorteil ift. Er
fetzt ein mit den Zuftänden am Großmünfterftift vor
Zwingiis Auftreten, man beobachtet — das befremdet
nicht — einen Marken Druck des Rates auf der einen, und
eine ebenfo Marke Oppofition der Chorherren auf der andern
Seite, trotz aller MißMände. In diefen Kreis tritt nun
Zwingli ein, als HumaniM willkommen, aber von gewiffer
Seite von vornherein beargwöhnt, die dann zur offenen
Oppofition fortfchreitet, als der LeutprieMer am Groß-
münMer fleh immer deutlicher der Reformation zuwendet.
Für das grundlegende Thema: Humanismus und Reformation
bei Zwingli ilt daher die vorliegende Arbeit fehr
wertvoll, namentlich das 2. Kp.: der Chorherr Konrad Hofmann
und feine Klagefchrift. Doch hat fleh hier P. ein
Moment entgehen laffen, das auf die viel umMrittene
Frage: Zwingli und Luther neues Licht zu werfen geeignet
iM. Wenn Hofmann am Schluffe feiner großen
Klagefchrift andeutet, daß er z. T. ganz dasfelbe lehre
wie Zwingli, fo gewinnt des Letzteren Abrücken von
Luther mit der Begründung, Luther habe ihm nichts
Neues bieten können, eine feine Pointierung. Zwingli
fchlägt damit die in Hofmann repräfentierte Oppofition,
die, felbM Erasmifch, nun fchweigen muß, wenn Zwingli