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Ausgabe:

1919 Nr. 1

Spalte:

222-223

Titel/Untertitel:

Dissertationes philologae Vindobonenses. Vol. XII 1919

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 19/20.

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Stettinger, Dr. Gottfr.: Textfolge der Johanneifchen Ab-
Ichiedsreden. Gegen Prof. Dr. Friedrich Spitta. (XV,
185 S.) gr. 8°. Wien, Mayer & Komp. 1918. Kr. 6 —
— Gefchichtlichkeit der Johanneifchen Abfchiedsreden. Gegen
Prof. D. Dr. Karl Clemen. (288S.) 8°. Ebd. 1919. M. 7.20
Diefe zwei Schriften find eine charakteriftifche Probe
der überaus fleißigen Detailprüfung, die ein katholifcher
Theolog auch proteftantifchen Arbeiten widmen kann,
und zugleich der großen Leichtigkeit, mit der er von
feinem für ganz ficher gehaltenen katholifchen Standpunkte
aus über die tieferen Gründe der proteftantifchen
Probleme wegfchaut. Beide Schriften betreffen das johan-
neifche Problem. Die eine ift fpeziell gegen Spittas
Werk: Das Johannesevangelium als Quelle der Gefchichte
Jefu, 1910, die andere gegen Clemens Werk: Die Ent-
ftehuno- des Johannesevangeliums, 1912, gerichtet. Aber
in beiden ift auch die ganze weitere proteftantifche Literatur
der letzten Jahrzehnte über das johanneifche Problem
eingehend mit in Betracht gezogen; natürlich ebenfo die
katholifche Literatur.

Die ausführliche Unterfuchung befchränkt fich aber
auf die Abfchiedsreden von Joh. 13—17. Der Verf. will
dartun, daß die von proteftantifchen Kritikern vertretene
Annahme verfchiedener Schichten im vierten Evangelium
fich gerade an den Abfchiedsreden Joh. 13—17 als ganz
unberechtigt erweift. Spitta, der im ganzen vierten Evangelium
zwifchen einer Grundfchrift und den Zufätzen
eines Bearbeiters unterfcheidet, hat in Betreff der Abfchiedsreden
zu zeigen gefucht, daß hier die durch viele
Zufätze des Bearbeiters erweiterten Beftandteile der
Grundfchrift auch eine Verfchiebung ihrer urfprünglichen
Anordnung gefunden haben: auf die Erzählung von der
Fußwafchung und von der Bezeichnung des Verräters im
Jüngerkreife fei urfprünglich gleich der Grundbeftand von
K. 15—17 gefolgt, hieran habe fich dann erft der Grundbeftand
von 13,31—14,31 angefchloffen. Die Gründe
Spittas für diefe Annahme, werden vom Verf. genau
durchgefprochen und widerlegt. Clemen faßt das vierte
Evangelium als ein literarifch einheitliches Werk auf, in
dem aber Traditionen verfchiedenen Wertes mit einander
verknüpft find, auch Traditionen, welche nicht gefchicht-
lich richtig find. Auch in den Abfchiedsreden K. 13—17
findet er folche ungefchichtliche Traditionselemente. Alle
einzelnen Punkte diefer Auffaffung Clemens werden in dem
zweiten Werke St.'s eingehend befprochen. Er fucht
nachzuweifen, daß die johanneifchen Worte überall im
beften Einklang mit der fynoptifchen Überlieferung flehen.
Ideen, die bei den Synoptikern implicite angedeutet feien,
haben in den johanneifchen Reden explicite Ausdruck
gefunden. Man müffe anerkennen ,eine johanneifche
Prophoriftik, die ihre fachliche Bafis auch bei den Synoptikern
hat' (S. 125).

Was hat der Verf. mit diefen fehr breiten Ausführungen
erreicht? Ihm ift gewiß, daß, wenn mit Bezug
auf einen großen Teil des Johannesevangeliums die Verkehrtheiten
der proteftantifchen Kritik nacbgewiefen find,
diefe Kritik auch mit Bezug auf das ganze Evangelium
als hinfällig erwiefen ift. Die ganze .Scheidung von Quellen,
Schichten Traditionen u. dgl. ftellt fich als etwas Unficheres
und rein Subjektives heraus' (S. 142). Aber hier irrt fich
der Verf. doch fehr. Die Abfchiedsreden Joh. 13—17 enthalten
wahrhaftig nicht die erften und entfcheidenden
Gründe dafür, daß man auf proteftantifcher Seite an der
johanneifchen Überlieferung allerlei Kritik übt und daß viele
in diefer Überlieferung Elemente verfchiedener Herkunft
und verfchiedenen Wertes unterfcheiden zu können
meinen. Wenn man als katholifcher Gelehrter ,felbft-
redend eo ipso an der Tatfache der Infpiration fefthält'
(S. 76), fo fieht man natürlich in den Evangelien Alles in
einheitlicher Beleuchtung. Weffen Blick aber nicht diefe
Begrenzung hat, der erkennt gerade in wichtigen anderen
Partien des vierten Evangeliums die Anzeichen des Vor-
handenfeins einer älteren Schicht in jüngerer Bearbeitung,
ganz ähnlich wie in den fynoptifchen Evangelien. Von

diefer Erkenntnis ausgehend kann man dann fragen, ob
nicht etwa auch in den Abfchiedsreden K. 13—17 weitere
I Anzeichen derfelben Verbindung von verfchiedenen
i Schichten vorliegen. Diefe Frage kann zunächft von verfchiedenen
recht verfchieden beantwortet werden. Dabei
können vielerlei Verkehrtheiten vorkommen. Ich glaube,
die meiften proteftantifchen Exegeten, auch im übrio-en
fehr kritifch gefilmte, werden den meiften Einwendungen
die St. gegen die Einzelgründe von Spitta und von Clemen
erhebt, wefentliche Zuftimmung fchenken. Aber damit
ift über die Grundanfchauung diefer proteftantifchen Gelehrten
, über das große Grundproblem, wie es fich
| mit der einheitlichen Herkunft und Art der johanneifchen
| Uberlieferung verhält, noch nichts entfchieden.

Jena. H. H. Wen dt.

Nederlandsch Archief voor Keerkgeschiedenis. N. S. 14. Bd.

(352 S.) 8°. 's Gravenhage, M. Nijhoff 1918.

Der Jahrgang 1917/18 des hplländifchen Organs für
Kirchengefchichte, als deffen Hauptredakteur jetzt Eek-
hof in Leiden zeichnet, enthält einen Beitrag aus der
! alten Kirchengefchichte: R. Miedema: Die Wundererzählungen
des h. Menas, eine Ergänzung zu des Ver-
faffers großem Werke über diefen Heiligen, griechifche
Texte und holländifche Überfetzung dazu. Dem Mittelalter
gehören an die Auffätze von P. van Meurs: Berichte
über die kirchlichen Zuftände von Gorkum und im
Lande von Arkel, von G. A. Hulfebos: Stiftung eines
kirchlichen Offiziums am S. Annenaltar der Liebfrauenkirche
zu Dordrecht, von F. Pijper: Kirche und Staat
zu Beginn des 14. Jahrhunderts, Bonifaz VIII. gegen
Philipp den Schönen. Merkwürdig unbekümmert zeigt
fich der Vf. hier um die bisher erfchienene, doch wohl
beachtliche Literatur. Dasfelbe gilt von feinem Auffatz
über die Frage: wie Luther von der römifch-katholitchen
Kirche los wurde, der zur Reformationszeit hinüberführen
möge. Den größten Raum nimmt ein die Arbeit von
B. M. dejonge van Ellemeet über die Reformation
in Drente, namentlich nach der kirchenrechtlichen Seite
hin. Sehr wertvoll ift der Artikel von F. W. Grosheide:
Das niederländifche neue Teftament, ausgegeben zu
Emden 1559. Vf. befchreibt das 1559 (von Neftle
RE3 III 122 nicht erwähnt) erfchienene, nur in einem
Exemplar der Universitätsbibliothek Amfterdam bekannte
Werk. Der Überfetzer ift wahrfcheinlich Johannes Dyr-
kinus, feine Vorlage war das griechifche N. T. von 1550,
dazu benutzte er die franzöfifchen, in Genf erfchienenen
| Überfetzungen von 1555 und 1556. Eekhof beantwortet
1 die Frage: wie hat Calvin über Luther gedacht? dahin:
Calvin hat 1539, durch einen Gruß Luthers an ihn und
ein freundliches Urteil über feine Bücher veranlaßt, feine
abfällige Haltung aufgegeben, Luther verehrt, aber einer
I mit feinem Namen getriebenen Abgötterei vorgebeugt,
j Kleinere Beiträge übergehe ich. Rezenfionen und Angaben
von Neuerfcheinungen find beigegeben; unter diefen
erfreut das lebhafte Echo, das das Lutherjubiläum in
Holland fand.
Zürich. W. Köhler.

Dissertationes philologae Vindobonenses. Vol. XII. (219 S)
gr. 8°. Wien, F. Deuticke 1918. M. 10 —

Inhalt. Ii Glaeser, Fridericus, De Pseudo-Plutarchi libro neol
naidmv «ytuyt/c. — II: Kunst, Carolus, De S. Hieronymi studiis
Ciceronianis.

In der erften Abhandlung unterfucht Glaeser das
unter dem Namen desPlutarch gehende Buch ^tpi nalömv
äymyrjq. Sein Refultat ift, daß der unbekannte Verfaffer
das von Theophraft oder einem andern peripatetifchen
Philofophen flammende Werk, das den Titel neol naldcov
aymyiqq oder xsqI xcudtlaq oder jtsqi G<x>(pQoor)v?]<; trug,
benutzt und mit ftoifcher Philofophie verfetzt hat. Er
fchrieb im Zeitalter Hadrians, und fein Eklektizismus auf
peripatetifcher Grundlage empfiehlt eine religiös-fittliche
Erziehung der Kinder.