Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1919

Spalte:

199-200

Autor/Hrsg.:

Loeschcke, Gerhard

Titel/Untertitel:

Galasius Kirchengeschichte 1919

Rezensent:

Koetschau, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 17/18.

200

von Weiß befonders meifterhaft geübten Kunft, auch die
kleinften Refte der Vergangenheit fprechen zu laffen, noch
davon entfernt find und wohl' bleiben werden, eine Ge-
fchichte des Urchriftentums fchreiben zu können, die
diefen Namen wirklich verdient.

Bafel. Eberhard Vifcher.

Gelafius Kirchengefchichte. Hrsg. im Auftrage der Kirchen-
vater-Commilfion derKönigl. Preuß. Akademie der Wiff.
auf Grund der nachgelaffenen Papiere v. Prof. Lic. Ger-
h ird Loefchcke durch Dr. Margret Heinemann.
(Die Griech. ChriftL Schriftfteller Bd. 28.) (XL, 363 S.)
Lex. 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs 1918. M. 13.50;

geb. M. 18.50

Da bis 1861 nur die beiden erften Bücher der Kirchengefchichte
des Gelafius mit Teilen des dritten gedruckt
vorlagen und das dritte erft 1861 von Ceriani gefondert
veröffentlicht wurde, fo wünfchte man, feitdem Gerhard
Loefchcke durch feine Unterfuchungen im Rhein.Muf. 1906
die Aufmerkfamkeit auf Gelafius gelenkt hatte, von mehreren
Seiten eine neue vollftändige Ausgabe diefes Kirchen-
fchriftftellers. Jener Wunfeh ift durch die gemeinfame
Arbeit von Gerhard Loefchcke und Margret Heinemann
erfüllt worden. G. L. hatte die Ausgabe feit 1906 vorbereitet
und 1912 zum teil weifen Abfchluß gebracht,
M. H. hat von da ab die Weiterarbeit mit Unterftützung
von Hans Lietzmann, Karl Holl u. a. übernommen und
die Herausgabe noch während des Weltkrieges beforgt.
Die um 475 verfaßte Kirchengefchichte des Gelafius
handelt befonders von dem nicaenifchen Konzil, feiner
Entftehung und feinem Verlauf, fügt aber vorher und
nachher auch Berichte über die Regierung Conftantins d.Gr.
hinzu; das dritte Buch ift unvollftänd g, nach Photius
(cod. 88) hat es mit dem Ende Conftantins d. Gr. und
feiner Taufe gefchloffen. Die Tätigkeit des Gelafius hat
faft nur im Ausfehreiben der ihm vorliegenden Quellen-
fchriften und Einfügen von Urkunden aus einem Ur-
kundenbuch beftanden. Leider zitiert er feine Quellen
nur teilweife und benutzt fie auch nicht wörtlich, fondern
bearbeitet oder ergänzt oder verändert fie oft recht willkürlich
. Deshalb ift fein Text auch in der neuen kriti-
fchen Ausgabe nur mit Vorficht für die Textkritik des
Eul'ebius, Sokrates, Sozomenus, Theodoret, Rufin zu verwenden
. Wichtig für uns ift es, daß er einige uns verlorene
Quellen benutzt hat: die Kirchengefchichte eines
gewiffen Johannes, die des Gelafius von Caesarea und ein
Urkundenbuch zur nicaenifchen Synode (S. XXIX der
Einl ). Ware die neue Gelafiusausgabe vor der Theodoretausgabe
Parmentiers erfchienen, fo hätte diefe den Gela-
fiustext genauer zitieren und beffer verwerten können;
die neue kritifche Ausgabe des Sokrates wird fich diefen
Vorteil nicht entgehen laffen.

In der Einleitung S. XVI—XXIV wird die Gruppierung
der HSS befprochen. Auf Grund von gemeinfamen
Lücken werden drei Klaffen unterfchieden, von denen
die erfte ,dem Urtext im allgemeinen am nächften kommt'
(S. XXI). Ihr Hauptvertreter ift der Cod. Ambros. 514,
s. XII u. XIII (= A), der allein den größten Teil des
III. Buches enthält. Mit Recht ift deshalb die erfte
Klaffe (HSS A H) dem Text zugrunde gelegt worden,
während die zweite und dritte zur Ergänzung und Berichtigung
gedient haben. Das Ziel: den erreichbaren
Text des Gelafius, aber nicht den urfprünglichen Text
der Urkunden herzuftellen, ift richtig gedeckt.

Durch gemeinrame Lücken fz. B. S. 17, 27. 131, 26) wird bewiefeni
daß die drei Klaffen, die ich bequemer mit a ß y bezeichnen möchte, auf
einen Archetypus etwa s. X oder XI zurückgehen, der fich vermutlich
in Chios befunden hit. Deffen Text war fchon fehlerhaft, da zwifchen
ihm und dem Original etwa fünf Jahrhunderte liegen, und ift am heften
in A s XU u. XIII erhalten, während die jungen HSS s. XV u. XVI
einen durch Fehler und Korrekturen viel mehr entfiellten Text aufwei en.
Wenn man dies bedenkt und annimmt, daß H ebenfo wie ß und y aus
a nicht direkt, fondern durch ein Mittelglied oder mehrere abzuleiten
ift, fo läßt fich erklären, daß H nicht immer mit A zu'ammengeht.
Bei der grundlegenden Bedeutung von A ift es zu bedauern, daß diefe
HS nur nach Photographie verglichen, aber nicht direkt eingefehen und

unterfucht worden ift; eine genauere Feftftellung der Qualernionen, der
Lücken in A1 und deren Ergänzung durch A2, des Ausfalls von Blättern
(S. XI. XIII. 56, 17 — 60, 121 ulw. wäre doch fehr erwünlcht gewe'en.
Auch würde man gern erfahren, ob der S. XVI erwähnte Turiner Codex
zu einer der drei HSS-Klaffen gehört.

Mit der Behandlung des Textes, der Angabe der
Quellen und der Zitate und der Herftellung der Regifter
kann man im allgemeinen einverftanden fein. Im Apparat
find Abweichungen von der jedesmaligen Quelle nur
angegeben, wenn dies für den Text des Gelafius wichtig
erlchien. Der Lefer muß alfo den Text der Quellen fclbft
vergleichen. Hierauf hätte am Ende der Einleitung bei
der Quellenüberficht hingewiefen werden follen.

Die Zahl der Schribzitate bei Gelafius ift nicht groß. S. 74, 19
war Mk 2, 27 Par. zu vergleichen, nicht aber nachträglich S. 77, 24 zu
notieren; S. 112,20 war auch xat nayifta zu fperren und unten 1 lim.
3. 6. 7 anzugeben, auch Z. 22 II Kor. 13. I zu vergleichen. Im Text des
Gelafius ift öfter fchwer zu entfeheiden, ob eine Flüchtigkeit des Schrift»
ftellers oder ein Fehler der hf. Überlie erung anzunehmen ift, vgl. z.B.
S. 10, 11 ff., S. 16,6 tat wti'(j(u, wo?). Ich bemerke zum Text noch
folgendes. S. 32, 6 war nach Eufeb. eher (na(iov)ztüV dt üyairüiv zu
fchreiben. S. 43,13 aiairi'iOrjoire H vielleicht lichtig. S. 93,20 eher
(xai) Xtyovotv. S. 118, 10 beffer iypitfiefCO Z. 28 lehr. &no£siyvlO&$.
S. 119,23 finde ich bei Gelaf. den Opt. fut. nur hier, ob nayantiiif'O-
fiev zu lehr.? S. 130,2t ift ayvfjnoifzi (iv auch fingulär und wohl
fehlerhaft ftatt iijjvtiaaici?]V ai>, vgl. S. 157,1. 169,7. Io1. 10. S. 140, 17
firj/aii/v (xairfü>v> oder ähnlich. S. 143,35 uocn w°hl ontQ <ft. 'ölt er)
nach Theodoret. S. 158, 16f. welche Stelle ift gemeint? S. 151,25
lehr. Tii>oat(fSi>ezö xioi. S. 165 2 lehr. Mxfjaaixf riv. S. 175,3 fchr«
eöpikfij, vgl. S. 174,34. I75.5- s- '82, 15 lehr, ovö' ölioc. S. 185,2t
tvrjAitvviterza ftimmt nicht mit dem Regifter, wo irifiitva) notiert ift;
ähnlich fteht es mit 'Ecrv&Q&i S. 187, 6. S. 193, 13 fchr. nach der lat.
('her etzung avrtj Itatt avzrj. S. 195,7 mußte die Zeichemeizung mit
der in der lat. ("berietzung Z. 6 in Einklang gebracht werden.

Die Regifter find, wie mehrfache Prüfung ergeben hat, forgfältig
angefertigt. In dem zu fplendid gedruckten Namenregilter find die
Trennungsftriche irreführend und unpraktisch. Im Wortregifter mußte
irgendwie angedeutet fein, wenn nicht alle stellen bei einem Worte angegeben
find. Auch wird fich der Lefer noch manches fehlende Wort,
z.B. alorpovQyla 155,5. fffijic 104, 2. KäpoWgoi 113.27. uayiatgtAtec;

102,14 hinzulchreiben. Wenn ov und oi'öt notiert ilt, warum nicht
ovcs-aXX' 110,9 unu i«'7-'"?''£-/z?)r£ 112,26t'.? Die Lemmata oixovittyrj
und OVCHplyyio find fal ch eingeordnet.

Das Druckfehlerverzeichnis ilt nicht vollftändig. In der Hand-
fchriftenlifte vor dem I. Buch ift zu V fäl chlich 1146 Itatt 1416 angegeben
; vgl. auch S. 135, 8. 151, 34 {laXrjiri'i). 158, 4. 179, 11 («rpar///ßc,
nicht im Reg.). 195 App. 17t. Ita't ■ 5f. S. 118,24!'. find die Anführungsstriche
zu tilgen, da die Rede des Paphnutius weitergeht; zu
(prjai ift wie Z. 22 }/ yjafi'i zu ergänzen, höchftens könnte man Z. 25
ohSe)c (ftiv) fchreiben. S. 127 App. 16 ift doch wohl arj = mjatfor)
am Rand von P2 zu lefen. S. 142,24 ift ici aus Theodoret eingefügt,
allo (rä) zu drucken.

Diefer 28. Band der Griechifchen Chriftlichen Schriftfteller
reiht fich in Vorbereitung-, Ausführung und äußerer
Ausftattung würdig in das Ganze ein. Hoffentlich folgt
die neue Ausgabe des Sokrates bald in derfelben Weife
nach.

Weimar. Paul Koetfchau.

Nelz, Kapl. D. Rob.: Die theologilchen Schulen der mc-rgen-
ländtfchen Kirchen während der fieben erften chriftlichen
Jahrhunderte in ihrer Bedeutg. f. die Ausbildg. des Klerus
. (III, 112 S.) 8°. Bonn, P. Hanftein 1916. M. 1.50
Verf. will unterfuchen, ob es in den fieben erllen
chriftlichen Jahrhunderten im Orient theologifche Lehr-
anftalten für wiffenfehaftlichen Unterricht in der chriftlichen
Lehre gegeben hat, in dem der ganze oder doch
ein erheblicher Teil des Klerus feine für die kirchliche
Laufbahn nötigen Studien machen follte. Die mit Ge-
lehrfamkeit und mannigfacher Quellenbenutzung durchgeführte
Unterfuchung hat, wie zu erwarten war, ein
ziemlich negatives Ergebnis. Solche Schulen, wie fie der
Verfaffer fucht, hat es nicht gegeben. Aber ohne die
praktifche Zufpitzung des Themas ftellt fich die Antwort
günftiger. Da werden für das Gebiet der griechifchen
Bildung theologifche Schulen in Antiochien für das 3.
und 4. Jahrhundert zugegeben, während für die fyrifch
und fyrifch-perfifche Kirche in Edeffa, Nilibis, Seleucia-
Ktefiphon, Arbela und Dorkena u. a. bis zum 6. Jahrhundert
feftzuftellen find. Der Fehler der Unterfuchung
ift zu enge Fällung des Themas. Wenigftens ift die